Streit um AMTS-Software

Medinspector: Migasa droht Apotheke mit Rauswurf Carolin Ciulli, 13.09.2022 10:52 Uhr

Teilnahme verpflichtend: Migasa-Geschäftsführer Thomas Knoll teilt einer Mitgliedsapotheke mit, dass sie aus der Kooperation fliegt, wenn sie den Medinspector ablehnt. Foto: Christof Stache
Berlin - 

Apotheker:innen sind selbstständige Kaufleute. Diejenigen, die sich Unterstützung bei einer Kooperation holen, wollen bei Dingen wie Marketing oder Einkauf von dem größeren Verbund profitieren. Wenn die Vorstellungen jedoch auseinandergehen, kann es zu Reibereien kommen. Bei der Migasa werden die Apotheken derzeit aufgefordert, sich am „Medinspector“ zu beteiligen. Ein Mitglied hat jedoch große Bedenken – die Geschäftsführung droht jetzt mit dem Ende der Partnerschaft.

Seit mehreren Jahren ist die Apotheke, die namentlich nicht genannt werden will, Mitglied bei Migasa. Sie ist damit einer von mehr als 200 Betrieben, die der Kooperation angehören. Voraussetzung für einen Beitritt ist unter anderem ein Mindestumsatz von 2,8 Millionen Euro netto pro Jahr mit der Hauptapotheke. Außerdem soll die Position im Umfeld führend sein. Wer Migasa-Apotheker:in werden will, soll laut der Firmenwebsite die Bereitschaft haben, „gemeinsam beschlossene Konzepte und Vereinbarungen konsequent umzusetzen“.

Medinspector durchsetzen

Eines der neueren Projekte ist der Medinspector. Die Plattform gehört zur 2019 gegründeten Firma Viandar, hinter der Migasa und weitere Apotheker aus Norddeutschland stehen. Mit dem Tool soll die Medikation der Patienten erfasst und analysiert werden. „Mit dem Erwerb der Medinspector-Lizenz können Sie den von uns geschlossenen Selektivverträgen beitreten und eine Vergütung durch Krankenkassen erhalten“, wirbt Migasa. Auch die Ärzteschaft soll dabei mitarbeiten können. Ein Vertriebspartner der Plattform ist etwa CompuGroup Medical (CGM).

Doch die Apotheke meldete große Bedenken an. Das Projekt sei nicht wirtschaftlich – insbesondere nicht für die einzelne Apotheke vor Ort. „Es gibt andere Datenbanken, die günstiger sind.“ Mehr als 200 Kund:innen pro Jahr würden benötigt, damit sich die Teilnahme lohne. „Ich brauche mehr Personal, um die beratende Apothekerin zu ersetzen. Dazu kommt der Aufwand mit dem Arzt.“ Monatlich soll die Apotheke 300 Euro für die Nutzung des Medinspectors zahlen.

Zudem befürchtet der Betrieb Widerstände der Ärzteschaft und erinnerte die Migasa an die Schreiben der Ärzteverbände und den scharfen Protest gegen die neuen pharmazeutischen Dienstleistungen und deren Honorierung. Dies bestätige die Ansicht, „dass man in bestimmten Regionen keinen Zwang durchdrücken darf, sondern die Gegebenheiten Vorort berücksichtigen muss“.

Migasa droht mit Vertragsende

Migasa-Geschäftsführer Thomas Knoll antwortete Ende Juli auf die Sorgen des Mitglieds: „Wir halten allerdings an unserer Vorgabe fest, dass jedes Migasa Mitglied noch in diesem Jahre den Medinspector in mindestens einer Apotheke installieren/lizensieren muss.“ Dabei handele es sich schon um „ein großes Entgegenkommen unsererseits zur ursprünglichen Zielsetzung“. Alles Weitere werde dann über eine Anpassung des Migasa-Mitgliedsbeitrags ab 2023 geregelt.

Dass die Apotheke im Anschluss erneut die fehlende Wirtschaftlichkeit betonte, half nichts. Knoll kündigte in einer weiteren E-Mail an, dass Mitglieder, die noch nicht den Medinspector in einer ihrer Apotheken lizenziert hätten und dies nach dem nächsten Treffen in Dresden kurzfristig auch nicht tun würden, der Mitgliedsvertrag zum Jahresende 2022 gekündigt werde. „Im Kooperationsvertrag ist eindeutig festgehalten, dass die Kündigungsfrist beidseitig drei Monate zum Jahresende beträgt.“

Die harte Reaktion der Kooperation ist für die Apotheke ein Schlag. „Uns bewegt das sehr stark, das Verhalten ist unprofessionell.“ Die Individualität der Apotheke müsse beachtet werden. Wenn derart kommuniziert werde, handele es sich nicht mehr um eine Gemeinschaft. „Man fühlt sich erpresst. Uns mit Rausschmiss zu drohen, ist der falsche Weg.“

Tatsächlich entschied sich der Betrieb aber, diese Konsequenz in Kauf zu nehmen, und lehnt eine Umsetzung des Medinspectors weiter ab. Natürlich nehme die Kooperation einem viel Arbeit etwa bei den Verhandlungen mit Herstellern und Großhandel ab. Ein genaueres Hinsehen habe aber ergeben, dass man bei den Konditionen selbst aktiv werden könne. Künftig auf Migasa-TV, die Rückvergütung von 1400 Euro oder die Unterstützung beim Verblistern zu verzichten, sei kein Verlust. Zudem würden der Mitgliedsbeitrag von rund 2700 Euro brutto pro Jahr pro Apotheke und die Gebühr für Medinspector gespart.

AMTS ist wegweisend

Migasa verteidigt Medinspector: „Die Vergütung ausgewählter pharmazeutischer Dienstleistungen, zu denen auch die Medikationsanalyse zählt, ist aus unserer Sicht wegweisend. Wir als Kooperation haben das Thema AMTS bereits 2017 auf unsere Agenda genommen und gemeinsam mit unseren Mitgliedern bis hin zur finalen Entwicklung der Software Medinspector inklusive eines umfassenden Befähigungskonzepts vorangetrieben“, sagt Knoll auf Anfrage.

Schon damals sei festgehalten worden, dass die Umsetzung von Medikationsanalysen mit dem Medinspector neben den bereits bestehenden ein weiterer verpflichtender Leistungsbaustein der Migasa sein werde. Die Medikationsanalyse zähle zu den pharmazeutischen Kernleistungen der Apotheke vor Ort und werde hinsichtlich einer Differenzierung im Markt künftig von zentraler Bedeutung sein. „Ein solches Vorhaben kann nur mit dem Rückhalt der gesamten Gruppe zum Erfolg gebracht werden. Erfolgreiche Kooperation heißt für uns auch, Entscheidungen konsequent umzusetzen.“