Großhandel

Kistenpacken bei Celesio Patrick Hollstein, 13.03.2017 10:34 Uhr

Berlin - 

Der Puff und Celesio: Wenn auf vergangenen Hauptversammlungen des Stuttgarter Pharmahändlers über die Konzernzentrale gesprochen wurde, waren nicht die Bausubstanz oder der Platzmangel das bestimmende Thema. Ob man nicht den kleinen Rotlichtbetrieb auf der anderen Straßenseite loswerden könnte, der passe doch nicht zu einem Gesundheitskonzern, fanden einige Kleinaktionäre. Das Etablissement ist längst weg – und jetzt bricht auch Celesio die Zelte in Bad Cannstatt ab.

Nein, sonderlich repräsentativ war es nie bei Celesio. Auch japanische Zierbäume, Kunstinstallationen, Meetingräume mit internationalen Bezeichnungen und der Britische Honorarkonsul am Briefkasten konnten nicht über die biederen Wurzeln des Großhändlers hinwegtäuschen. Diese hatten sich ein für alle Mal in der Konzernzentrale manifestiert, einem viergeschossigen Zweckbau mit dem Charme eines Bürocontainers.

Vermutlich hatte man bei Gehe andere Sorgen, als man nach dem Krieg erst von Dresden nach München und Anfang der 80er-Jahre schließlich nach Stuttgart umzog. Großhandel war damals noch kein internationales Geschäft, und so ließ man sich 1987 in einer vergessenen Gegend am nördlichen Stadtrand im Schatten einer gigantischen Müllverbrennungsanlage nieder.

Mit der Internationalisierung wurden die Nachteile des Standorts zunehmend offensichtlich. Gäste mussten sich vom Flughafen bis zum anderen Ende der Stadt durchschlagen. Mit dem Auto waren Staus unvermeidlich, mit den öffentlichen Verkehrsmitteln wurde die Anreise zum Abenteuer. Um Journalisten und Analysten den Weg zu ersparen, wurden die Bilanzzahlen ab 2009 nicht mehr am Firmensitz, sondern in einem Hotel in der Stadt vorgestellt. Nur einen Vorteil schien der Standort am Neckar gegenüber von Bad Cannstatt zu haben: Die Konzernzentrale lag im Wahlkreis der Grünen-Abgeordneten Biggi Bender, die sich für Liberalisierungsthemen mehr als offen zeigte.

Vor allem aber wurde es bei Celesio zu eng. Obwohl die Gehe-Hauptverwaltung in ein benachbartes Gebäude zog, platzte die Konzernzentrale aus allen Nähten. Da ein Anbau im Quellgebiet schwierig war, zogen ganze Abteilungen aus: auf die andere Straßenseite, in ein Bürogebäude in der Nähe sowie ins Cannstätter Carré knapp zehn Minuten mit dem Auto entfernt.

Heute sind die 380 Mitarbeiter der Konzernzentrale auf fünf verschiedene Standorte verteilt. Energie und Effizienz bleiben vielfach auf der Strecke geblieben, heißt es aus dem Unternehmen. Bereits vor fünf Jahren wurde daher über einen Umzug nachgedacht – selbst Berlin soll damals zur Diskussion gestanden haben. Am Ende entschied man sich, in Stuttgart zu bleiben: 2015 wurden Verträge unterzeichnet: Der Konzern sicherte sich bei einem Neubauprojekt in der Nähe des Hauptbahnhofs langfristig die Hälfte der Fläche.

Da das sechsstöckige Bürogebäude jetzt fertig ist, können die Kisten gepackt werden. Im Mai soll der Umzug über die Bühne gehen. Dann soll die Belegschaft aus den verschiedenen Objekten am Stockholmer Platz 1 hinter der Stadtbibliothek einziehen, ein neues Bürokonzept soll für frischen Wind sorgen. Auf drei Dreivierteletagen sollen alle Abteilungen Platz haben, auch genügend Besprechungsräume für Treffen mit Gästen und externen Beratern sollen endlich wieder zur Verfügung stehen.

In der Neckartalstraße soll die Gehe-Hauptverwaltung mit 240 Mitarbeitern in die bisherige Konzernzentrale ziehen. Der bisherige Sitz soll dann vermarktet werden.