Generikakonzerne

Stada: „Ausschreibungen sind Aldi“ Patrick Hollstein, 30.06.2014 12:40 Uhr

Blick ins Ausland: Stada-Chef Hartmut Retzlaff sieht den deutschen Generikamarkt kritisch. Foto: Elke Hinkelbein
Frankfurt - 

Jahr für Jahr verliert die Stada Generikaumsatz in Deutschland, und die Talsohle ist noch nicht erreicht. 43 Prozent der Erlöse sind seit 2007 wegen der Rabattverträge weggefallen. „Es kann kaum schlimmer kommen als im deutschen Ausschreibungsmarkt“, resümiert Konzernchef Hartmut Retzlaff. „Dann lieber Russland. Dort gibt es immerhin Potenzial zur Wiederbelebung.“

Laut Stada-Generikachef Lothar Guske liegt die Zuschlagsquote bei den Rabattverträgen bei circa 20 Prozent. Ob man sich beteilige oder nicht, sei vor allem eine „technische Entscheidung“: Nur wenn sich positive Effekte für die Produktionsauslastung erzielen ließen, biete man mit.

Diesen Vorteil hätten andere „Glücksritter“ nicht, so Retzlaff. Insofern dürften diese kleineren Firmen, die sich auf bestimmte Wirkstoffe konzentrierten, auf Dauer auch nicht überlebensfähig sein. „Die Anfangseuphorie ist jedenfalls verflogen.“

Retzlaff sieht aber auch eine weitere Selektion auf Wirkstoffebene: „Keiner kann uns zwingen, Verträge mit Verlust abzuschließen.“ Er rechnet damit, dass es weiter zu Marktdominanzen und in der Folge zu Lieferengpässen kommen wird, und fordert, in Übereinstimmung mit dem Branchenverband Pro Generika, eine Schonfrist für Neueinführungen: „Generikahersteller brauchen ein bis zwei Jahre Zeit, um nach Patentablauf Wettbewerb entwickeln und dabei ordentliche Volumina erreichen zu können. Ansonsten steigt niemand in den Markt ein.“

Nur wegen der eigenen Präsenz in ganz Europa müsse die Stada vorerst auf keine Einführung verzichten. Allerdings denkt man in Bad Vilbel über eine Neustrukturierung nach. „Wir prüfen, ob wir auf Dauer mit zwei Vertriebsgesellschaften bieten, die ja vollkommen unabhängig voneinander agieren müssen“, so Retzlaff.

Konkret geht es um den Aufbau eines zentralen Managements für Ausschreibungen, die dann womöglich ausschließlich durch Aliud bedient werden. „Ausschreibungen sind Aldi. Wir müssen uns fragen, ob wir unsere Marke Stadapharm neu positionieren können.“

Im OTC-Bereich setzt der Konzern bereits auf den Wert der Traditionsmarke. Erst vor kurzem wurde Hemopharm umgeflaggt; außerdem sucht Retzlaff nach Zukäufen. Aktuelles Beispiel ist die Kosmetiklinie Claire Fisher, die neu belebt werden soll: „Die Marke wurde zuletzt vernachlässigt“, sagt Retzlaff. „Wir werden jetzt die Restbestände abwickeln, das Sortiment bereinigen und dann mit einem neuen Konzept den Neuverkauf ankurbeln. Unser Ziel ist es, das frühere Umsatzniveau von 5 Millionen Euro wieder zu erreichen.“

Um das Geschäft in Schwung zu bringen, setzt Retzlaff auf die direkte Ansprache der Endkunden: „Eine gute Vertriebsmannschaft kann jeden Umsatz darstellen. Entscheidende Größe ist die Steuerung der Nachfrage, also der Pull-Effekt. Denn viele Apotheker verstehen sich noch immer mehr als Berater denn als Verkäufer.“

Angst vor der neuen Macht der globalisierten Großhändler hat Retzlaff übrigens nicht. „Es gibt kein Erpressungspotenzial“, so der Stada-Chef. Er sei noch nicht zu Verhandlungen in die Schweiz eingeladen worden, und bekanntlich sei bei Alliance Boots schon der Versuch, eine eigene Generikamarke aufzuziehen, gescheitert.

Boots/Walgreens und McKesson/Celesio hatten ihre Fusionen unter anderem damit begründet, dank größerer Einkaufsvolumina Kickbacks bei der Generikaindustrie einsammeln zu können.