„Wir sind das Check24 des Gesundheitswesens“

eRixa: Erster Hollandversender empfängt deutsche E-Rezepte Tobias Lau, 22.06.2020 10:44 Uhr

Alle Apotheken aus einer Hand: Stefan Odenbach will mit eRixa eine marktoffene E-Rezept-Plattform etablieren. Foto: Stefan Odenbach
Berlin - 

Das E-Rezept ist noch gar nicht richtig da, ist aber schon ein Flickenteppich: Zahlreiche Pilotprojekte erproben bereits elektronische Verordnungen und geben so einen Vorgeschmack auf die Vielfalt der Anwendungen, die letztlich viele Patienten überfordern könnte. Mit dem Konzept eRixa hat sich der baden-württembergische IT-Anbieter PSO nun auf die Fahnen geschrieben, alle Systeme auf einer Plattform zu integrieren – und hat gleich zu Beginn eine niederländische Versandapotheke miteinbezogen. Pikant: Hinter dem Angebot steht Stefan Odenbach, seines Zeichens nicht nur Geschäftsführer von PSO, sondern auch Geschäftsführer von König IT, dem Rechenzentrum von DocMorris und Shop-Apotheke. An genau diese beiden Versandkonzerne will er eRixa aber gar nicht anschließen, versichert er. Das E-Rezept gehöre primär in die Vor-Ort-Apotheke.

„Wir sind das Check24 des Gesundheitswesens“, zeigt sich Odenbach selbstbewusst und der Vergleich ist auch nicht abwegig: So wie das Vergleichsportal vom Handyvertrag bis zur Bremsscheibe die Anbieter allerlei Waren und Dienstleister vergleicht, sollen Patienten auf der interoperablen Plattform eRixa mit einem Blick sehen, wo sie ihre elektronische Verordnung am schnellsten und am einfachsten einlösen können. „Um eine hundertprozentige Marktabdeckung zu haben, müsste der Patient ja ansonsten fünf Anwendungen parallel auf dem Smartphone haben. Und das ist doch unrealistisch“, erklärt Odenbach den Bedarf hinter der Plattform. „Alle 52 E-Rezept-Pilotprojekte haben ein eigenes Ökosystem aufgebaut, wir sind aber nicht das 53. E-Rezept-Projekt, sondern wir verbinden sie alle miteinander.“

Dazu bietet PSO auf Patientenseite eine Smartphone-App für Android und iOS sowie ein Webportal im Browser. Bei Bedarf gebe es auch einen lokalen Client für Windows inklusive eines Outlook-Plugins. Welche E-Rezept-Anwendungen Apotheker und Ärzte benutzen, sei dabei unerheblich, da die Plattform den sicheren Austausch von E-Rezepten mit anderen Lösungen ermögliche. Mit den Softwarehäusern ist Odenbach bereits in Gesprächen, konnte den ersten dicken Fisch aber schon an Land ziehen: Eine Schnittstelle zu Awinta-Systemen ist bereits vorhanden. „Damit können wir jetzt schon 7000 Vor-Ort-Apotheken anschließen“, sagt er.

Für den Apotheker sei der Anschluss denkbar einfach, versichert er: „Die Anbindung dauert fünf Minuten. Ich muss nur einmal mit dem Apotheker sprechen, schicke ihm dann den Link zum geschlossenen Portal, er gibt seine Daten ein, wir verifizieren sie und schalten die Apotheke frei. Und der Apotheker muss dazu noch nicht mal bei Awinta nachfragen.“ Bis Ende des Jahres sei das Angebot noch kostenfrei, zu den Preisen danach könne er noch keine Angaben machen. Auch mit dem Abrechnungszentren gebe es keine Probleme, die Apotheken könnten wie gehabt mit ihren bisherigen Häusern zusammenarbeiten.

Dass bisher nur Awinta mit an Bord sei, liege an deren Vorreiterrolle, betont Odenbach. „Awinta war bei allen Projekten wie Gerda oder dem der Techniker Krankenkasse das erste Softwarehaus, das sich beteiligt hat. Die anderen Häuser wollen noch auf die endgültigen Spezifikationen warten, sind dann aber auch gesprächsbereit.“ Dabei halte er jetzt schon die Spezifikationen der Gematik ein, deren endgültige Fassung erst am 30. Juni veröffentlicht werden soll. „Wir wissen schon zu 95 Prozent wie es aussehen wird. Die Workflows sind schon seit über einem Jahr klar“, versichert Odenbach.

Dass er früh genug Einblick in die bisherigen Spezifikationen hatte, ist kein Wunder: Odenbach war nach eigenen Angaben als Initialpartner an der Entstehung des E-Rezept-Projekts der Techniker Krankenkasse (TK) in Hamburg beteiligt und hatte auch bei Gerda seine Finger im Spiel: „Ich war sowohl bei der TK als auch bei Gerda der erste Patient, der ein echtes GKV-E-Rezept eingelöst hat. Ich bin seit 30 Jahren selbst Chroniker und habe auch deshalb eRixa aus der Patientenperspektive entwickelt. Mein Vorteil ist: Ich bin komplett neutral, ich makle nicht, sondern vermittle nur Informationen, habe also ein ganz anderes Geschäftsmodell.“ Damit das zum Tragen kommt, sind neben Apothekern und Ärzten aber vor allem die Patienten entscheidend. Um die entsprechende Marktdurchdringung zu erreichen, setzt er neben Endkundenansprache in sozialen Medien vor allem auf die Krankenkassen. PSO rede derzeit mit allen 105 Krankenkassen, um ihnen sein Modell schmackhaft zu machen.

Bis elektronische Verordnungen verbindlich über die Telematikinfrastruktur (TI) versendet werden müssen, setzt Odenbach auf eine eigene Lösung, bei der der Absender über eine Qualifizierte Elektronische Signatur (QES) authentifiziert wird. Nach bisherigem Stand müssen E-Rezepte erst ab Juli 2021 verpflichtend über die TI versendet werden. „Wir können also mindestens noch ein Jahr mit unserer Infrastruktur arbeiten und werden dann in die TI migrieren“, so der Unternehmer.

Nun muss er das Projekt, das er anderthalb Jahre unter anderem mit einer 25.000-Euro-Innovationsförderung des Landes Baden-Württemberg aufgebaut hat, auch zum Laufen bringen. Erster Schritt seien die Vor-Ort-Apotheken, insbesondere die Akquise unter den 7000, die Awinta nutzen. „Es kommen jeden Tag Vor-Ort-Apotheken hinzu“, sagt Odenbach. Bereits seit vergangener Woche wird die Anwendung in einem offenen Feldversuch erprobt. Eine Gemeinschaftspraxis mit Haus- und Fachärzten in Lübeck versendet dazu E-Rezepte über eRixa, fünf Vor-Ort-Apotheken seien bereits angeschlossen sowie Apons, die niederländische Grenzapotheke in Bad Neuschanz. Die kann das als Erfolg feiern. „Damit zieht die mit 18 Mitarbeitern eher kleine Versandapotheke an börsennotierten EU-Versandhandelsgrößen wie Zur Rose/DocMorris und Shop Apotheke vorbei, aber auch an den rund 50 Insellösungen deutscher Initiativen“, so Apons.

Absehbare Sorgen von Vor-Ort-Apothekern, sein Portal könnte den Abfluss von E-Rezepten aus dem deutschen Gesundheitssystem an niederländische Versandhandelskonzerne befördern, will Odenbach jedoch zerstreuen. Dass er gleichzeitig Geschäftsführer von König IT, dem gemeinsamen Abrechnungszentrum von DocMorris und Shop-Apotheke, ist, macht das nicht leichter. Doch Odenbach betont, dass es zwischen seinen beiden Posten keinen Zusammenhang gebe: „König IT und PSO sind zwei völlig getrennte Paar Schuhe. Es gibt da keinerlei gesellschaftsrechtliche Verbindungen“, sagt er und geht noch weiter: „Wir werden weder DocMorris noch Shop-Apotheke eine Anbindung an eRixa anbieten. Wir sehen unser Angebot primär im stationären Handel. Die Zukunft des E-Rezepts ist in den Vor-Ort-Apotheken.“

Die Anbindung der Versandapotheke Apons diene vor allem der Versorgung von Patienten in der Telemedizin. Auch mit den großen Telemedizin-Anbietern sei er nämlich bereits im Gespräch. „Die Apotheke Bad Neuschanz sieht sich nicht wie DocMorris, die 10 Prozent Marktanteil erreichen wollen, sondern sie sieht sich als sinnvolle Ergänzung zum stationären Apothekengeschäft“, betont er. „Wir sind kein Versandhandelsmodell, wir wollen weiterhin 98 Prozent der Rezepte im stationären Handel bedienen lassen.“

Sie fragen sich, wie genau eRixa funktioniert? Am 2. Juli ist Stefan Odenbach ab 12.30 Uhr live im Lunchtreff bei VISION.A, der Digitalkonferenz von APOTHEKE ADHOC und Noventi, und beantwortet Ihre Fragen.