Schweiz

Iberogast bekommt Warnhinweis APOTHEKE ADHOC, 23.01.2018 09:09 Uhr

Berlin - 

Die Arzneimittelinformation von Iberogast in der Schweiz wird angepasst. Hintergrund sind laut Arzneimittelbehörde Swissmedic neuere Meldungen über sehr seltene, aber teils schwerwiegende Leberschädigungen. Ob die Änderung der endgültigen gerichtlichen Überprüfung standhalten wird, ist noch unklar.

Unter den Warnhinweisen wird in der Fachinformation folgende Formulierung aufgenommen: „Schöllkraut-Präparate wurden in sehr seltenen Fällen mit Leberschädigungen in Verbindung gebracht. Bei Patienten mit aktuell bestehender oder anamnestisch bekannter Lebererkrankung sowie bei Patienten, die mit anderen Arzneimitteln behandelt werden, welche die Leber oder die Leberwerte beeinträchtigen können, muss der Nutzen des Arzneimittels sorgfältig gegen das Risiko von akutem Leberversagen oder einer nachteiligen Wirkung auf die Leberfunktionswerte abgewogen werden.“

Weiter heißt es: „Die Patienten sind angewiesen, die Behandlung abzusetzen und sich an ihren Arzt zu wenden, wenn es bei ihnen zu Anzeichen oder Symptomen einer Leberschädigung (allgemeine Müdigkeit, erhöhte Transaminasen- und/oder Bilirubinwerte, Ikterus, Hepatitis) kommt.“

Unter den unerwünschten Wirkungen werden als „sehr selten“ vorkommend akutes Leberversagen, Hepatitis und nachteilige Wirkungen auf die Leberfunktionswerte (erhöhte Transaminasen- und/oder Bilirubinwerte) aufgenommen.

Entsprechende Hinweise finden sich auch in der Patienteninformation: Wenn eine Lebererkrankung vorliegt oder dies früher einmal der Fall war oder wenn Arzneimittel eingesetzt werden, die die Leber beeinträchtigen können, sollten die Verbraucher vor Einnahme ihren Arzt befragen. „Achten Sie auf Anzeichen und Symptome, die auf eine Störung der Leberfunktion hinweisen können.“

Abgesetzt werden soll die Therapie, wenn Appetitverlust, ungewöhnliche Müdigkeit, Schmerzen im rechten Oberbauch, Gelbfärbung der Haut/des Augenweißes, ungewöhnlich dunkler Urin und heller Stuhl auftreten.

Iberogast enthält neben acht weiteren Zutaten Schöllkraut – eine Arzneidroge, die auch in Deutschland umstritten ist. Aus Sicht des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) ist der Nutzen nicht belegt ist. Im Gegenteil: Es gebe Hinweise für ein erhebliches gesundheitliches Risiko aufgrund von Leberschäden, begründete die Behörde 2005 die Einleitung eines Stufenplanverfahrens.

Ursprünglich hatte man in Bonn Schöllkraut komplett verbieten wollen. 2008 widerrief die Behörde die Zulassung für alle Präparate mit mehr als 2,5 Milligramm Gesamtalkaloide. Hersteller von Präparaten mit geringerer Dosierung wurden per Bescheid verpflichtet, Leberschäden als Risiko in die Fachinformation – Nebenwirkungen, Vorsichtsmaßnahmen, Gegenanzeigen – aufzunehmen und die Anwendung auf vier Wochen zu beschränken. Während Schwangerschaft und Stillzeit sollten die Produkte kontraindiziert sein.

Auslöser waren 48 Fälle hepatotoxischer Reaktionen bis hin zu Hepatitiden, zum Teil mit Cholestase, arzneimittelbedingtem Ikterus, Leberzellschädigung und Leberversagen. Insgesamt wiesen 40 Fälle ikterische Verläufe auf. Aus Sicht der Behörde waren 40 Spontanmeldungen hinreichend dokumentiert; bei 16 war laut BfArM ein Kausalzusammenhang wahrscheinlich, bei 26 immerhin möglich. Zu Iberogast gab es seinerzeit keine Hinweise auf eine leberschädigende Wirkung.

Der damalige Hersteller Steigerwald hatte, neben zehn weiteren Anbietern, gegen den BfArM-Bescheid Widerspruch eingelegt. Zwar hat der heutige Eigentümer Bayer bereits eine Zulassung für eine Variante ohne Schöllkraut in der Tasche – für diese könnte aber nicht mehr mit den umfassenden Studiendaten geworben werden. Iberogast wurde an mehr als 50.000 Patienten untersucht. Das BfArM ist offenbar bemüht, eine Lösung zu finden.

Dank massiver TV-Werbung konnten die Abverkäufe von Iberogast nach Zahlen von Insight Health im vergangenen Jahr gesteigert werden – um 7 Prozent auf 102 Millionen Euro in der Offizin und um 26 Prozent auf 20 Millionen Euro im Versandhandel. Für den Hersteller wären Warnhinweise und Anwendungseinschränkungen eine Katastrophe. Zum Vergleich: Bei Umckaloabo hatten 30 Spontanmeldungen zu möglichen Leberschäden ausgereicht, um das Produkt zu beschädigen und die Umsätze auf Jahre in den Keller zu schicken.