„Chargenabgleich reicht nicht aus“

Zertifikate: Polizei misstraut neuem DAV-Tool Carolin Ciulli, 15.12.2021 15:04 Uhr

Keine Detektive: Apothekenangestellte klagen über die Schwierigkeiten, gefälschte Covid-19-Impfnachweise zu erkennen. Foto: APOTHEKE ADHOC
Berlin - 

Langsam kommt das Problem der gefälschten Covid-19-Impfnachweise in der Öffentlichkeit an – während Apothekenmitarbeiter:innen seit Wochen fast täglich mit Plagiaten beschäftigt sind. Eine Polizeiexpertin warnt jetzt davor, die alleinige Überprüfung der Chargennummer als Maßstab für die Kontrolle der Impfpässe zu nehmen. Sie rät zu einem anderen Schritt.

Die Polizei nutzt den Chargenabgleich in Kooperation mit dem Paul-Ehrlich-Institut (PEI) bereits seit mehreren Monaten. „Es gibt dabei ein Problem, denn die Nummer existiert größtenteils, obwohl der Nachweis gefälscht ist“, sagt eine Polizeisachbearbeiterin, die seit Mitte Oktober täglich die Anzeigen durch Apotheken entgegennimmt und prüft. Namentlich will sie nicht genannt werden, da sie davon ausgeht, dass sich die Polizei nicht öffentlich zu dem Thema äußern will.

„PEI-Abfrage reicht nicht aus“

Die Fälscher:innen nutzten Chargennummern, die sie in den sozialen Netzwerken wie Facebook oder Instagram gefunden hätten. Auch sie prüfe über die Abfrage des PEI die Charge. „Das allein reicht aber nicht“, warnt sie Apothekenangestellte. „Wir schauen immer nach, wie der Stempel aussieht, und haben mit unseren regionalen Impfzentren vereinbart, dass wir die aktuellen Chargennummern abgleichen können.“

Ab morgen können Apotheken über das Portal des Deutschen Apothekerverbands (DAV) beim Erstellen von Impfzertifikaten prüfen, ob die Chargennummer zu den in Deutschland verimpften Dosen der Impfstoffe passt. Zudem solle die neue Funktion auch anzeigen, ob die Impfung innerhalb des Zeitraums zwischen Chargenfreigabe durch das PEI und Auslieferung bis zum Verfallsdatum erfolgt ist. Die Prüfung ist optional, die Chargennummer muss auch nicht ins Impfzertifikat eingetragen werden.

Die Polizeisachbearbeiterin rät Apothekenangestellten, beim kleinsten Zweifel den Impfpass einzubehalten. Eine Kopie reiche nicht, da bis zur Durchsuchung der Polizei bereits das digitale Zertifikat bei einer anderen Apotheke ausgestellt werden könnte. „Apotheken sind auf der sicheren Seite, wenn sie den Impfpass für ein bis zwei Tage einbehalten.“ Der Nachweis sollte der Polizei umgehend ausgehändigt werden, damit diese Zeit habe, den Fall zu prüfen. Diese Arbeit sollten die Apotheken an die Ermittlungsbehörde abgeben und nicht selbst übernehmen. „Das können sie nicht leisten, weil sie dazu gar keine Zeit haben.“

Hohe Dunkelziffer

Täglich gehen bei der Polizeiangestellten rund 20 Anzeigen durch Apotheken ein. „Die Dunkelziffer ist viel höher.“ Dass manche Betriebe die Impfnachweise prinzipiell nicht auf eine Fälschung überprüften, sei „schlimm“, sagt sie.

Aus Apotheken wird die Forderung nach mehr Unterstützung bei der Prüfung lauter: „Wir sind keine Detektive“, sagt eine PTA, die in einer Kölner Vor-Ort-Apotheke beschäftigt ist und gleichzeitig in einem Impfzentrum tätig war. „Ich dachte, ich erkenne gefälschte Impfpässe sofort. Dem ist aber nicht so. Wir fühlen uns allein gelassen. Neben dem normalen Tagesgeschft sollen wir Flälschungen erkennen und melden.“ Beim Versuch, Impfdaten beim Gesundheitsamt abzugleichen, sei sie nur vertröstet worden.