ApoRetrO – der satirische Wochenrückblick

Protestaktion: Arzt klebt sich an Apotheke Alexander Müller, 15.10.2022 07:59 Uhr

Fiktive Protestaktion eines mürrischen Arztes. Montage: APOTHEKE ADHOC
Berlin - 

Eine Kundin kommt aufgeregt in die Apotheke gerannt und ruft schon von der Tür aus: „Schnell, schnell, Frau Müller kommen Sie, da klebt einer an Ihrem Schaufenster.“ Die Inhaberin denkt zuerst nur an Aufkleber, aber dann bestätigt ein zweiter Kunde in der Offizin: „Ja, ja, das ist der Herr Doktor.“

Müller geht raus – und tatsächlich: Da hängt Dr. Becker an der Scheibe, der Allgemeinmediziner aus der Nachbarschaft. Eigentlich ein ganz Netter. Er hat sich mit Sekundenkleber und Panzertape an der Schaufensterscheibe befestigen lassen und kann sich nicht mehr rühren.

„Ja aber, Herr Dr. Becker, was machen Sie denn da?“, fragt Apothekerin Müller verwirrt.
„Ich protestiere!“, ruft er.
„Aber warum denn hier bei mir?“
„Weil Sie 11 Euro für eine Grippeimpfung kriegen.“
„Aber wir impfen doch hier gar nicht.“
„Jaaaaaaa, noch nicht, aber bei dem Preis?! Den wollen wir auch!“
„Wer, wir?“
„Wir Ärzte. Die KBV sagt, wir bekommen viel weniger. Und dass wir das viel besser können.“
„Aber müssen Sie denn von Ihrem Honorar auch den Impfstoff beschaffen?“
[unverständliches Gemurmel an der Scheibe]
„Also, die Sache ist die, Herr Dr. Becker, ich wollte jetzt gleich das Schaufenster schwarz abkleben. Sie können da ruhig hängenbleiben, aber Sie werden dann nichts mehr sehen. Tut mir leid.“
„Protestaktion oder was?“
„Ja genau, gegen die Erhöhung des Kassenabschlags.“
„Aha! Sie bekommen mehr Geld und wollen noch mehr?“
„Nein, der Abschlag ist ein Zwangsrabatt. Die Erhöhung kostet mich 13.000 Euro.“
[betretenes Schweigen an der Scheibe]
Becker: „Dann müssen Sie mehr Honorar fordern! Wir kriegen 780 Mios mehr. Nur!“
„Tja.“
„Frau Müller? Könnten Sie mich losmachen? Sie haben doch bestimmt ein Lösungsmittel…“
„Klar. Nur keine Lösung.“

Szenenwechsel in die Wirklichkeit: Im Bundestag soll am kommenden Donnerstag das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz (GKV-FinStG) beschlossen werden und damit die Erhöhung des Kassenabschlags von 1,77 auf 2 Euro. Am Tag davor streiken die Apotheken. Aber nur am Mittwochachmittag, damit es keinen Ärger gibt. Und auch nicht überall, weil das irgendwie nicht geht. Aktionen soll es aber im ganzen Land geben. An denen können und werden sich auch die Angestellten beteiligen, deren Gewerkschaft Adexa aber nicht am Streikaufruf, denn das wäre wiederum rechtswidrig. Es ist kompliziert.

Das Saarland (natürlich!) hat den Anfang gemacht, Hamburg, Brandenburg und Schleswig-Holstein sind auch dabei. Letztere haben den schönen Vergleich mit den Apothekerpreisen gebracht. Und dann gibt es jede Menge Einzelkämpfer:innen: Diese Chef-PKA zum Beispiel, sie würde gern Streiks überall sehen. Und laut einer aposcope-Befragung wäre auch die Hälfte aller Apotheker:innen und PTA dazu bereit. Ist das nun viel oder wenig? Ist die Apotheke halb voll oder ganz leer?

In Berlin geht das mit dem Mittwochnachmittagsstreik jedenfalls nicht, Kammerpräsidentin Kerstin Kemmritz sammelt mit den Kolleg:innen aber andere kreative Protestideen. Wie ernst die Lage teilweise ist, zeigen diese Berichte: Apotheken müssen Mitarbeiter:innen entlassen, weil es einfach nicht mehr geht. Andere ersetzen ihre Filialen durch Pick-up-Stellen – obwohl die Motivation in diesem Fall eine andere sein dürfte.

Falls Ihr oder euer Team noch überlegt mit dem Streik: Im Podcast NUR MAL SO ZUM WISSEN haben wir über das Für und Wider eines Streiks gesprochen. Wem das zu lang ist, kann sich auch diesen gut einminütige Kommentar geben. Wem auch das zu lang ist, der sollte weniger Sleepy Chicken konsumieren.

Was beim BKK Dachverband konsumiert wurde, als das Apothekensparprogramm ausgeheckt wurde, ist nicht überliefert. 2hm-Gutachten ausgebuddelt, einen Honorardeckel dazu – fertig ist das Milliarden-Sparpaket. Und angeblich wäre das Resthonorar dann immer noch kostendeckend. Crazy Chicken BKK.

Was den Apothekern zusätzlich zum GKV-FinStG Sorgen bereiten sollte. Nach dem Spargesetz steht die Strukturreform an – und dabei will sich die Regierung wieder auf die „Ausgabenseite“ konzentrieren. Schade, der Koalitionsvertrag klang irgendwie cooler. Zu seinen großen Projekten zählt Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) übrigens auch die Digitalisierung. Beim Sorgenkind E-Rezept beklagt er aber Sicherheitslücken und Probleme mit der Infrastruktur, die er geerbt habe. Flüpke hilft sicher gerne beim Aufräumen. Schönes Wochenende!