Baden-Württemberg

Nicht mal geschenkt: Apotheke findet keinen Apotheker Lothar Klein, 03.08.2020 14:33 Uhr

Geschenk: Apothekerin Heike Kouril-Arlt sucht immer noch einen Nachfolger für die Apotheke St. Ulrich. Foto: Heike Kouril-Arlt
Berlin - 

Einem geschenkten Gaul schaut man nicht ins Maul, sagt der Volksmund. Diese Lebensweisheit gilt für Apotheken aber nicht immer. Denn Apothekerin Heike Kouril-Arlt sucht immer noch einen Nachfolger für die Apotheke St. Ulrich im baden-württembergischen Sulzbach, die sie verschenken will. Drei Interessenten meldeten sich bei ihr, aufmerksam geworden durch den Bericht von APOTHEKE ADHOC. Alle zeigten sich interessiert, doch sagten schließlich ab. Aufgeben will Kouril-Arlt aber noch nicht und einen weiteren Anlauf starten.

Im Juli 2013 übernahm Kouril-Arlt mit der St. Ulrich Apotheke ihre erste Apotheke. Auf Facebook und Xing sucht Kouril-Arlt seit Oktober einen Nachfolger für die Filialleitung. Die Apotheke ist seit dem 4. Oktober geschlossen. Der Arbeitsvertrag mit dem damaligen Filialleiter platzte. Bis auf Weiteres bleibt sie auf den laufenden Kosten sitzen.

„Drei Interessenten haben sich bei mir gemeldet und Besichtigungen vorgenommen“, erzählt Kouril-Arlt. Eine Apothekerin habe zwar „alles ganz toll“ gefunden. Sie könne ihr aber erst im Oktober Bescheid geben, ob sie die Apotheke tatsächlich übernehmen werde. Zurzeit sei sie bei der Arbeitsagentur arbeitslos gemeldet. Kouril-Arlt wundert sich über die Begründung der Absage. Dann meldete sich ein Apothekerehepaar aus der Umgebung von Sulzbach. Auch das schien zu passen und daher hoffnungsvoll. Doch nach einer Bedenkzeit folgte die zweite Absage. Das Risiko war der Apothekerin schließlich doch zu groß – nicht wegen der Wirtschaftsdaten, sondern wegen der Sorge um das Personal, dass sie hätte suchen und finden müssen. Auch ein Apothekerehepaar aus Köln hatte sich gemeldet und schließlich abgesagt.

Jetzt will Kouril-Arlt einen weiteren Versuch starten und eine Anzeige aufgeben. „Es ist gar nicht so leicht, eine Apotheke zu verschenken“, so die Apothekerin, die einen bald einjährigen Leidensweg hinter sich hat: „Zum 1. September 2019 hatte ich einen Filialleiter engagiert“, erzählt Kouril-Arlt, „doch der ist einfach nicht gekommen.“ Seitdem habe sie ein „riesiges Theater“. Sogar eine nette Wohnung habe sie für ihn gesucht und gefunden: „Er hätte nur kurze Zeit vorübergehend in einer Pension wohnen müssen“, so die Apothekerin. Aber er sagte ab, kam einfach nicht, obwohl der Arbeitsvertrag unterschrieben war.

Damit startete das Drama: Kurz darauf fand Kouril-Arlt, die inzwischen die Hildegard-Apotheke in Schwäbisch Gmünd als Hauptapotheke betreibt, einen Ersatz: eine Mutter. Zwei Wochen arbeitete die junge Apothekerin als Filialleitung in der Apotheke St. Ulrich. Dann gab sie wieder auf: „Das war ihr wegen der Kinder zu anstrengend“, so Kouril-Arlt. Ein weiterer Filialleiter sagte ebenfalls kurzfristig ab. „Ich habe seitdem überall gesucht, einen Headhunter engagiert, alles hat keinen Erfolg gebracht“, so die Apothekerin.

Dabei sei die Apotheke St. Ulrich frisch renoviert: „Ich habe noch eine neue Klimaanlage und neue Regale eingebaut und der Kommissionierer ist ebenfalls so gut wie neu.“ Selbst die Unterstützung des Bürgermeisters brachte keinen Erfolg: Dieser bat seine Nichte, aus Frankfurt nach Schwäbisch Gmünd zu kommen. Doch auch sie hatte kein Interesse. Dabei arbeitet die Apotheke St. Ulrich mit einem Jahresumsatz von 1,8 Millionen Euro wirtschaftlich. Jetzt hat Kouril-Arlt erstmal alle Arzneimittel in ihre Hauptapotheke transportiert. Doch die Kosten laufen weiter: für den Mietvertrag, den Kommissionierer und die Warenwirtschaft – zusammen 9000 Euro monatlich und das noch bis mindestens 2022. Daher kam Kouril-Arlt auf die Idee, die Apotheke zu verschenken: „Alles ist da, ein neuer Apotheker braucht nur die Arzneimittel einzuräumen.“

Mit ihren Problemen ist Kouril-Arlt offenbar nicht alleine: Denn laut Apobank sind die Übernahmepreise für Apotheken nach jahrelangem Anstieg in 2019 in den Keller gerauscht. 2019 zahlten Existenzgründer für eine Apothekenübernahme mit 367.000 Euro um knapp 20 Prozent geringere Kaufpreise. Apotheker, die sich für die Selbständigkeit entscheiden oder Filialen gründen, übernehmen in der Regel bestehende Apotheken am Markt, so die Apobank-Analyse. Neugründungen sind selten. Dieser Trend zeigte sich unverändert seit vielen Jahren. Für die Kaufpreise lasse sich nun eine interessante Entwicklung beobachten: Diese sind 2019 stark auf durchschnittlich 367.000 Euro gesunken, 2018 waren es noch 458.000 Euro. Das hat auch Auswirkungen auf die Gesamtinvestitionen: Nachdem sie jahrelang tendenziell gestiegen sind, waren sie 2019 deutlich rückläufig und lagen im Schnitt bei 516.000 Euro (2018: 598.000 Euro).

„Ob die Übernahmepreise sich in Zukunft auf niedrigerem Niveau einpendeln oder sogar noch weiter fallen, bleibt abzuwarten“, so Daniel Zehnich, Leiter des Bereichs Gesundheitsmärkte und Gesundheitspolitik bei der Apobank. „Insgesamt haben wir seit Jahren ein Überangebot an Apotheken. Vor allem viele kleine Offizinen haben gerade Schwierigkeiten, einen Nachfolger zu finden.

Relevant für die Niederlassung sind ja auch immer die Rahmenbedingungen und die Perspektiven. Das Gesetz zur Stärkung der Vor-Ort-Apotheken steht beispielsweise noch aus, könnte aber Existenzgründern signalisieren, welche Möglichkeiten sie haben, um die Apothekenbetriebe künftig weiterzuentwickeln und die Gesundheitsversorgung mitzugestalten.“

Eine differenzierte Darstellung der Kaufpreise der letzten fünf Jahre zeigt laut Apobank, dass der Anteil der Apotheken im mittleren Preissegment tendenziell weiter zurückgeht. Die Apothekengründer fokussieren sich immer stärker entweder auf Apotheken mit kleineren Umsätzen zu Kaufpreisen unter 300.000 Euro oder auf große, sehr umsatzstarke Apotheken ab 600.000 Euro. Mit 21 Prozent sei die Übernahme von ganzen Apothekenverbünden nach wie vor eine beliebte Option.