Streikverweigerer in Kiel und Hamburg

Nachbarapotheken geöffnet: Streikplakat wieder abgehängt Carolin Ciulli, 19.10.2022 14:42 Uhr

Streik abgebrochen: Während andere Apotheken wie hier in Brandenburg heute Nachmittag streiken, haben viele Apotheken in Kiel geöffnet. Foto: APOTHEKE ADHOC
Berlin - 

Eine Streikpflicht für Apotheken gibt es nicht – und manche Betriebe wollen sich nicht an der heutigen Aktion beteiligen. In der Kieler Innenstadt etwa haben mehrere Apotheken geöffnet. Eine hatte die Arbeitsniederlegung bereits eingeplant, doch weil die Nachbarapotheken auch nachmittags weiter geöffnet haben, wurde daraus nichts. Der Protest wurde abgebrochen. Auch in Hamburg wollen sich nicht alle Kolleg:innen beteiligen, weshalb eine Apotheke nur eingeschränkt streikt.

Protestflyer und -plakate waren in der Altstadt-Apotheke Kiel bereits vorbereitet. Inhaberin Monika Möller ist im Urlaub und ihre Stellvertreterin Monika Dietz wollte sich an dem Streik eigentlich beteiligen. „Es gab eine Aufforderung der Kammer mit Material“, sagt sie. Also schloss sie um kurz nach 12 Uhr die Apotheke und ging raus. „Als ich gesehen habe, dass die beiden Nachbarapotheken geöffnet haben, habe ich gedacht, das können wir uns nicht erlauben.“

Eine Absprache gab es in der Kieler Innenstadt anders als in anderen Regionen nicht. „Ich hätte mich bereit erklärt“, sagt Dietz. Sie hatte das Protestplakat bereits in die Tür gehängt und für Abholer eine Notiz hinterlassen. Als sie jedoch gesehen habe, dass die Kolleg:innen der Hof Apotheke Rüdel und der Nautilus Apotheke nicht streiken würden, habe sie das Plakat wieder abgehängt – die Apotheke blieb geöffnet.

Apothekerin: Streik kommt zu spät

Generell bringt der Streik ihrer Meinung nach nichts: „Das ist viel zu spät. Der Rabatt ist durch“, sagt Dietz. Zudem ziehe man an einem Mittwochnachmittag mit einem Streik keine Aufmerksamkeit mit sich, weil auch die Arztpraxen geschlossen seien. Aus den anderen Apotheken heißt es, dass man geöffnet habe, weil eine Schließung zu Lasten der Kund:innen gehen würde. Immerhin müsse man die Palliativpatient:innen und andere Dienste versorgen, sagt eine Angestellte. Als weiterer Grund wurde angegeben, dass die Erhöhung des Kassenabschlags nicht so belastend sei, da das Hauptgeschäft ohnehin mit nichtverschreibungspflichtigen Arzneimitteln und Produkten erzielt werde. „Das lohnt sich für uns nicht. Wir sind mitten in der Fußgängerzone und haben wenige Ärzte“, sagt eine Apothekerin.

Verband rechnet mit hoher Beteiligung

Der Apothekerverband Schleswig-Holstein (AVSH) rechnet dennoch mit einer sehr regen Streikbeteiligung. Eine überwältigende Mehrheit der rund 600 Apotheken im Land werde geschlossen bleiben, sagte der Vorsitzende Hans-Günter Lund zuvor. Die Kosten für die Apotheken stiegen, die Vergütung seit langem aber nicht. Seit Jahresbeginn hätten im Land acht Apotheken für immer geschlossen. 24 Kolleg:innen hätten in einer Umfrage angegeben, sie müssten mit spitzem Bleistift rechnen, um über die Runden kommen zu können.

Die Apothekerverbände zeigten sich mit der heutigen Resonanz zufrieden. „Es läuft sehr gut“, sagte der Geschäftsführer des Apothekerverbandes Schleswig-Holstein und des Hamburger Apothekervereins, Georg Zwenke. Die Motivation der angesichts hoher Kostenbelastungen frustrierten Apotheker sei sehr hoch. Zugleich gebe es ein großes Verständnis bei vielen Kunden für die
Aktion. Zahlreiche Apotheker suchten auch das Gespräch mit den Kunden, um diese über die Situation aufzuklären. „Wir gewährleisten selbstverständlich den Notdienst“, betonte Zwenke.

Inhaberin bedauert fehlenden Zusammenhalt

In Hamburg wurden heute in der Löwen Apotheke Bergedorf zwei von drei Arbeitsplätzen mit Flatterband verhängt. Dazu wurde ein Zettel gehängt – mit der Aufschrift: „Achtung! Mitarbeiter fehlt dank Sparmaßnahmen der Politik.“ Inhaberin Katja Hinz hätte gerne komplett geschlossen. Doch eine Umfrage unter den Kolleg:innen im Umkreis habe ergeben, dass sich ein Inhaber mit zwei Apotheken, die zu einem Franchisekonzept gehörten, nicht beteiligen werde.

Die Apothekerin bedauert den fehlenden Zusammenhalt. „Ein Streik macht nur Sinn, wenn alle mitmachen.“ Auf den Protest will sie aber nicht verzichten. „Wir wollen mit unseren Kunden ins Gespräch kommen und ihnen die Situation erklären.“