Warnung vor Imageschaden

MwSt-Senkung: Treuhand appelliert an Apotheken APOTHEKE ADHOC, 15.06.2020 10:14 Uhr

Preise anpassen! Die Treuhand warnt die Apotheker vor einem Imageschaden. Foto: Marcus Witte
Berlin - 

In dieser Woche beschließt der Bundestag die Senkung der Mehrwertsteuer auf 16 beziehungsweise 5 Prozent. Die Steuerberatungsgesellschaft Treuhand Hannover empfiehlt den Apotheken, die Entlastung an die Kunden weiterzugeben. Sonst drohe ein „immenser“ Imageschaden, wenn die Kunden herausfänden, dass die Inhaber das Steuergeschenk zur Ankurbelung der Konjunktur nach der Corona-Krise in die eigene Tasche steckten. Bei der Umstellung sieht die Treuhand für die meisten Apotheken keine Probleme, das dies automatisch von modernen Warenwirtschaftssystemen vorgenommen werde.

Immer dort, wo die Apotheke Preise frei kalkulieren könne, müsse sie sich überlegen, ob sie die Umsatzsteuersenkung an Patienten weitergeben wolle oder „den Vorteil durch den höheren Netto-Verkaufspreis für sich selbst vereinnahmt“. Bei einem Absatz von mehreren tausend Packungen und einem Vorteil von rund 20 Cent pro Packung käme „ein respektabler Betrag zusammen“, schreibt die Treuhand. „Erfahrungsgemäß ist der Imageverlust immens, wenn der Kunde ‚dahinterkommt‘, dass die Apotheke die Senkung nicht weitergibt“. Es ist damit zu rechnen, dass vor allem bei Indikatorprodukten eine hohe Preissensibilität beim Kunden herrsche. „Daher sollte bei diesen Artikeln mit Bedacht gehandelt werden. Das Gerücht von den ‚Apothekenpreisen‘ dürfte sich sonst wieder verfestigen.“

Um „krumme“ Preise zu vermeiden, sollten die Apothekenleiter die im Rechner hinterlegte Rundungssystematik checken, empfiehlt die Treuhand. Sei diese sauber hinterlegt, dürften auch die neuen Preise marketinggerecht ausfallen. Nach Einschätzung der Treuhand überlegen manche Apotheker, die „alten“ Preise beizubehalten und nur an der Kasse auf den Abzug der geringeren Umsatzsteuer hinzuweisen. „Ob dies im Rahmen der Preisangabenverordnung zulässig ist, bezweifeln wir“, so die Treuhand und rät dazu, den Aufwand einer Preisänderung in Kauf zu nehmen. Wer ein elektronisches Auszeichnungssystem habe, sei „hier fein raus – alle anderen sollten zeitliche Ressourcen fürs Umetikettieren einplanen“.

In ihren Empfehlungen erinnert die Treuhand an die letzte große Umsatzsteueränderung am 1. Ja­nu­ar 2007: „Die Umsatzsteuererhöhung mach­te eine Menge Arbeit in der Apo­the­ke: kal­ku­lie­ren, Lis­ten dru­cken, Eti­ket­ten ent­fer­nen, neu aus­zeich­nen.“ Zwi­schen­zeit­lich seien durch die mo­der­nen POS-Wa­ren­wirt­schafts­sys­te­me viele Da­ten­än­de­run­gen ein­fa­cher ge­wor­den. Den­noch werde die kom­men­de Um­satz­steu­er­sen­kung am 1. Juli ei­ni­ges an Ar­beit in den Apo­the­ken ver­ur­sa­chen. „Das wichtigste vorweg: eine EDV-technisch modern organisierte Apotheke mit guter Datenpflege wird mit der Umstellung wenig Probleme haben. POR-Betriebe mit Papieretiketten, Handtaxation, Schreibmaschinenrechnungen etc. werden in den nächsten Wochen viel Zeit und Nerven benötigen“, so die Treuhand.

Die Arzneimittelpreisverordnung ziele auf Nettowerte ab und verweise auf die jeweils geltende Umsatzsteuer. Somit verbilligten sich bei automatischer Preisberechnung die Verkaufspreise der Arzneimittel. Die fixen Honorare der Apotheke – 8,35 Euro Fixhonorar, 16 Cent Notdienstfonds, 5 Euro Botendienst – seien ohne Umsatzsteuer und änderten sich nicht. Der 3-Prozent-Aufschlag werde auf den Apothekeneinkaufspreis berechnet, der sich durch die Umsatzsteuersenkung nicht verändere, solange die Hersteller ihre Abgabepreise nicht neu kalkulierten.

Da der Abschlag von 1,77 Euro als Bruttobetrag definiert sei, erhöhe sich der Abzugsbetrag bei den Apotheken. Dadurch entstünden wie bereits berichtet Einbußen von 4 Cent pro Packung. „Aufs Halbjahr gerechnet kämen im Durchschnitt 650 Euro Mehrrabatt an die Krankenkasse zusammen. Nach aktuellen Meldungen arbeitet der Gesundheitsminister aber an einer Nachbesserung mit dem Ziel, Verluste der Apotheke zu vermeiden.“

Welcher Umsatzsteuersatz – voll, ermäßigt, ohne – für ein Produkt gilt, definiert laut Treuhand – neben allen anderen Produktkennzeichen – der Hersteller, wenn er das Produkt erstmalig bei der Informationsstelle für Arzneispezialitäten (IfA) anmeldet. Dessen Datenbestand speise zentral die Datenbanken der Softwarehäuser der Gesundheitsbranche. Diese speisten dann mit den Preisänderungsdiensten die Umstellung der Prozentwerte ein. Im Artikelstamm jedes Produktes werde in den Basisdaten der Preisinfo auf den Steuersatz verwiesen, so dass eine automatisierte Umstellung der Preise erfolge. Sofern die Rechnungserstellung für Privatpatienten, Ärzte über die Warenwirtschaft erfolge, würden diese ebenfalls mit den neuen Preisen fakturiert. Auch die Programme zur Rezepturtaxation werden laut Treuhand mit der Änderung keine Probleme haben.

Der Thüringer Apothekerverband e.V. (ThAV) begrüßt grundsätzlich die Ergebnisse des Koalitionsausschusses vom 3. Juni 2020 zur Bekämpfung der Corona-Folgen. Die zentrale Maßnahme der Mehrwertsteuersenkung, mit dem die Bundesregierung die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie abfedern wolle, sei aber trotz der Entlastung der Verbraucher mit nicht verhältnismäßigem bürokratischen Aufwand und spürbaren Kosten für Unternehmen verbunden.

Stefan Fink, Vorsitzender des Thüringer Apothekerverbandes, gibt Folgendes zu bedenken: „Der Umstellungsaufwand bei der Rechnungslegung beziehungsweise Buchführung sowie in der Preisbildung der Apotheken in Thüringen und im gesamten Bundesgebiet sei nicht absehbar.“ Dadurch seien aufwendige Preisauszeichnungen in vielen Apotheken erforderlich sind. Zusätzlich müssen die Kassensysteme innerhalb kurzer Zeit zweimal neu programmiert werden. Dies könne bei Apotheken den erhofften positiven Konjunktureffekt zunichtemachen. „Am Ende wird das erklärte Ziel mit dieser Maßnahme also nicht erreicht. Verbraucher werden kaum entlastet und die Unternehmen dafür mehr belastet“, so Fink.