Bundessozialgericht

Nach Urteil droht die Retaxwelle Alexander Müller, 02.12.2013 12:43 Uhr

Musterprozess gewonnen: Nach dem Urteil des Bundessozialgerichts können die Ersatzkassen Retaxationen nachholen. Foto: APOTHEKE ADHOC
Berlin - 

Auf die Apotheken rollt nach dem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) eine Retaxationswelle zu. Die Kasseler Richter haben Null-Retaxationen grundsätzlich erlaubt. Die an dem Musterverfahren beteiligten Ersatzkassen können daher jetzt alle teilweise ausgesetzten Retaxationen seit 2009 nachholen. Um welche Summen es sich im einzelnen handelt, ist bislang nicht bekannt.

Der Deutsche Apothekerverband (DAV) wollte mit den Kassen gerichtlich klären lassen, ob diese „auf Null“ retaxieren dürfen, wenn ein Apotheker sich bei der Abgabe von Rabattarzneimitteln nicht korrekt verhalten hat. Im Musterprozess hatte ein Apotheker gegen die Techniker Krankenkasse (TK) gestritten. Auf Kassenseite waren die Mitglieder des Verbands der Ersatzkassen (vdek) mit Ausnahme der Barmer GEK beteiligt.

Die Vertragspartner hatten sich darauf verständigt, dass die Kassen vorerst die Hälfte des Taxbetrages erlassen, maximal jedoch 25 Euro. Nach Abschluss des Verfahrens sollten die Rechnungen entsprechend korrigiert werden. Die Apothekerverbände hatten den Apotheken daher geraten, Rückstellungen zu bilden.

Die TK bestätigte, dass die Retaxationen bis zur schriftlichen Urteilsbegründung wie vereinbart weiter durchgeführt wurden. „Die TK wird in den nächsten Monaten die ausstehenden Beträge mit den Apothekenabrechnungen verrechnen“, so ein Sprecher der Kasse. Die anderen Ersatzkassen werden vermutlich ähnlich reagieren.

Retaxiert wird, wenn die Apotheke den Rabattvertrag ohne Angabe von Gründen nicht erfüllt hat. Ausgenommen sind damit alle Fälle, in denen eine Sonder-PZN auf dem Rezept vermerkt wurde. Um welche Beträge es exakt geht, wissen derzeit nur die beteiligten Kassen. Neben der TK sind dies DAK, KKH, HEK und HKK.

Im Apothekerhaus will man sich noch nicht geschlagen geben: „Mit dem BSG-Urteil ist der DAV nicht zufrieden. Die Urteilsbegründung wird derzeit noch geprüft – insbesondere daraufhin, ob und welche rechtlichen und politischen Reaktionen möglich und sinnvoll sind“, sagte ein Sprecher.

Theoretisch können die Apotheker gegen das BSG-Urteil noch Verfassungsbeschwerde in Karlsruhe einlegen. Ob das eine sinnvolle Option ist, wird Geschäftsführende Vorstand des DAV entscheiden. Dieser trifft sich morgen in Berlin, um das weitere Vorgehen zu besprechen.

Die Apotheker werden vermutlich auch bei der Politik einen neuen Anlauf nehmen. In der Hochphase der „Form-Retaxationen“ der Novitas BKK und weiterer Betriebskrankenkassen war der Gesetzgeber schon kurz davor, diese zu verbieten. Doch dann hatten die Kassen eingelenkt und die Gesetzesänderung blieb aus.

In Berlin könnte das Thema wieder auf die Agenda rücken: „Wenn es ohne gesetzliche Regelung nicht geht, streben wir eine entsprechende Klarstellung an“, sagte der CDU-Gesundheitsexperte Jens Spahn. „Bisher waren die Signale aber die, dass sich die Dinge auch so normalisiert hätten.“