Zyto-Skandal

Bild: Protzbau des „Todes-Apothekers“ Silvia Meixner, 29.06.2017 13:12 Uhr

Berlin - 

„Wie viele Menschen hat dieser Mann auf dem Gewissen?“ Dies fragt die Bild-Zeitung in ihrem heutigen Aufmacher. „Der Todes-Apotheker“ steht in riesigen Buchstaben auf Seite 1. In dem Beitrag über Peter S. aus Bottrop geht es um seine mutmaßlich gepanschten Zyto-Rezepturen – und um sein zu Hause: „1000-Quadratmeter-Protz-Bau für sich und seinen Hund. Für sein Luxus-Leben ließ er Krebskranke sterben.“

Wer sich wie S. für ein „Artstyle Haus“ entscheidet, möchte nicht diskret und möglichst unerkannt wohnen. Er möchte auffallen. Eines der Highlights ist die Wasserrutsche. Wie im Erlebnispark können die Bewohner vom Badezimmer im ersten Stock via Rutsche ins Erdgeschoss sausen. Platsch – und schon sind sie im Pool! Kostenpunkt: 500.000 Euro.

Der Kamin ist nicht etwa fest in der Wandmauer verankert, sondern schwebt im XXL-Wohnzimmer. Wer so protzig wohnt, hat natürlich auch gern den Überblick darüber, wer möglicherweise gerade vor seinem Anwesen steht und staunt. Kein Problem, dafür hat der Anbieter ein Turmzimmer im Angebot. Hier kann man einen gemütliche Sessel installieren, der auf einem 40 qm großen, elektrisch verstellbaren Drehboden steht. S., so Bild, wohnte in diesem Haus ohne menschliche Gesellschaft, nur mit seinem Hund. Insgesamt soll die Villa zehn Millionen Euro gekostet haben.

Fast schon bescheiden mutet da der kleine Seerosenteich auf der riesigen Terrasse an. Allesamt Insignien des Reichtums für Menschen, die das auf diese Weise genießen mögen. Hier liegt der Fall aber anders, denn das Geld wurde mutmaßlich nicht auf ehrliche Weise verdient: Die Staatsanwaltschaft beschuldigt den Apotheker, in mehr als 50.000 Fällen Sterilrezepturen gepanscht zu haben.

Er soll gewerbsmäßig Arzneimittel oder Wirkstoffe hergestellt und in Verkehr gebracht haben, die durch Abweichung von den anerkannten pharmazeutischen Regeln in ihrer Qualität nicht unerheblich gemindert gewesen sein sollen. „Für seine Patienten war er die allerletzte Hoffnung“, schreibt Bild, „doch anstatt zu helfen, soll ihnen Apotheker Peter S. (46) nur Schein-Medikamente gegeben haben.“ Und: „Für sein Luxus-Leben ließ er Krebskranke sterben.“

Neben den genannten Vorwürfen soll S. – ebenfalls gewerbsmäßig – in 59 Fällen Betrugstaten zum Nachteil der Krankenkassen begangen haben, indem er die minderwertigen Präparate so abgerechnet haben soll, als habe der Wirkstoffgehalt eines Präparats der Verschreibung entsprochen.

Dringend tatverdächtig, Fluchtgefahr, das Oberlandesgericht Hamm gab im November 2016 dem Antrag der Staatsanwaltschaft statt und verlängerte die U-Haft. Den ursprünglichen Haftbefehl hatte das Amtsgericht Essen am 5. April erweitert und die Fortdauer der Untersuchungshaft angeordnet.

Der Fall soll aufgeflogen sein, nachdem der kaufmännische Leiter der „Alten Apotheke“ in Bottrop Gerüchten nachging, denen zufolge etwas nicht mit rechten Dingen zugehen würde. Gegenüber Bild sagt er: „Ich habe mir angeschaut, was auf den Rezepten an Wirkstoff für die Patienten verordnet wurde und was wir tatsächlich in dem Zeitraum eingekauft haben. Das hat mich schockiert: Nur 30 bis 40 Prozent der angeblich ausgegebenen Wirkstoffe hatten wir eingekauft.“ Dennoch soll S. für 100 Prozent kassiert haben.

Was ihm zur Last gelegt wird, lässt einen beim Lesen schon den Atem stocken. „Womöglich ist er dafür verantwortlich, dass hunderte Menschen starben“, schreibt Bild. „Die Staatsanwaltschaft Essen geht davon aus, dass er seit 2012 bei mindestens 50.000 Infusionen die Patienten und Kassen betrog.“

Besonders perfide – zu Kollegen im Labor soll er gesagt haben: „Die sterben doch sowieso.“ S. organisierte Spendenläufe und förderte das Bottroper Hospiz. Es ist ein Ort, an dem er davon ausgehen konnte, dass er auf Menschen traf, die aufgrund seiner Handlungen nicht gerettet werden konnten.