Abgabe von Chemikalien

Sachkunde verfällt nicht – muss aber aufgefrischt werden Alexandra Negt, 06.06.2020 09:23 Uhr

Nur mit Sachkundenachweis und Dokumentationspflicht: Laut ChemVerbotsV muss die Abgabe von Stoffen aus der Anlage 2 in einem Abgabebuch dokumentiert werden. Foto: APOTHEKE ADHOC
Berlin - 

Eine Erlaubnis zur Chemikalienabgabe erhält, wer die Sachkunde nach § 11 ChemVerbotsV besitzt. Apotheker, Apothekerassistenten, Pharmazieingenieure, PTA und Apothekenassistenten gelten mit Abschluss der Berufsausbildung grundsätzlich als sachkundig – vorausgesetzt sie sind mindestens 18 Jahre alt. Wer Chemikalien nach Anlage 2 in der Apotheke abgeben möchte, der muss seine Sachkunde auffrischen – so sieht es die Chemikalienverbotsverordnung seit Ende Januar 2017 vor. Bei Alkohol gelten Ausnahmen – momentan von der Apotheke selbst hergestelltes Desinfektionsmittel darf generell von pharmazeutischem Personal abgegeben werden.

Die Übergangsregelungen der Verordnung galten bis zum letzten Jahr. In diesem Jahr müssen Apotheker und PTA die Chemikalien nach Anlage 2 ChemVerbotsV abgeben wollen eine aktuell gültige Sachkunde nachweisen. Der alleinige Abschluss reicht hierfür nach sechs Jahren nicht mehr aus. Liegt die Gefahrstoffprüfung bei PTA und das dritte Staatsexamen bei Apothekern länger als sechs Jahre zurück, so heißt es: auffrischen. Dazu muss eine eintägige Fortbildung besucht werden. Eine erneute Prüfung muss nicht abgelegt, sondern lediglich an der Fortbildungsveranstaltung teilgenommen werden. Denn Sachkunde „verfällt“ nicht. Wer allerdings die Sachkunde nicht rechtzeitig auffrischt, darf keine Chemikalien der Anlage 2 mehr abgeben. Alternativ kann nach drei Jahren eine halbtägige Fortbildung von vier Stunden besucht werden, um den Nachweis der Sachkunde zu erlangen und regelmäßig zu erneuern.

Ausnahmen

Gefahrstoffe sind generell Stoffe, die für den Menschen akut oder chronisch gefährlich werden können. Einige Substanzen, die als Gefahrstoff eingestuft sind, dürfen dennoch weiterhin von Apothekern und PTA – unabhängig vom Sachkundenachweis – abgegeben werden. Hierzu zählen beispielsweise Ethanol, Ammoniak oder verschiedene Säuren. Bei Substanzen wie Ammoniak gelten Höchstkonzentrationen. Der amphotere Stoff darf bis zu einer Konzentration von 35 Prozent für gewisse Verwendungszwecke verkauft werden. Ein möglicher Einsatz ist die Waffenreinigung.

Wasserstoffperoxid darf für die Abgabe an Endkunden durch eine nicht sachkundige Person eine maximale Konzentration von 12 Prozent haben. In dieser Konzentration wird es beispielsweise für die Poolreinigung eingesetzt. Weiter verdünnt findet es Anwendung als Wunddesinfektionsmittel. In 3-prozentiger Konzentration kann es zur Mundschleimhautdesinfektion genutzt werden. So niedrig konzentriert handelt es sich nicht mehr um einen Gefahrstoff.

Nur mit Sachkundenachweis und Dokumentationspflicht

Der Sachkundenachweis nach § 11 ChemVerbotsV ist notwendig, insofern Stoffe oder Gemische abgegeben werden sollen, die mit folgenden Hinweisen versehen sind:

  • Totenkopf (GHS06)
  • Torso „Gesundheitsgefahr (GHS08) und dem Signalwort Gefahr und einem der Gefahrenhinweise H340, H350, H350i, H360, H360F, H360D, H360FD, H360Fd, H360Df, H370 oder H372
  • Flamme über einem Kreis (GHS03)
  • Flamme (GHS02) (Flamme) mit einem der folgenden Gefahrenhinweise:
    • H224 (Flüssigkeit und Dampf extrem entzündbar)
    • H241 (Erwärmung kann Brand oder Explosion verursachen)
    • H242 (Erwärmung kann Brand verursachen)

Laut § 9 Abs. 2 Nr. 2 ChemVerbotsV muss die Abgabe von Stoffen aus der Anlage 2 in einem Abgabebuch dokumentiert werden. Diese Dokumentation dient der Rückverfolgung des Käufers im Falle einer unsachgemäßen Anwendung. Der Empfang der Substanz muss vom Käufer mittels Unterschrift bestätigt werden. Im Abgabebuch festzuhalten sind:

  • Datum der Abgabe
  • Name des Erwerbers
  • Anschrift des Erwerbers
  • Art und Menge des abgegebenen Stoffes oder Gemisches
  • den Verwendungszweck
  • Name der abgebenden Person
  • bei Entgegennahme durch eine Empfangsperson zusätzlich den Namen und die Anschrift der Empfangsperson
  • bei der Abgabe an öffentliche Forschungs-, Untersuchungs- oder Lehranstalten zusätzlich die Angabe, ob die Abgabe zu Forschungs-, Analyse- oder Lehrzwecken erfolgt

Nicht mehr abgabefähig

Bereits zum 31. Dezember 2018 endete die Übergangsfrist für folgende vier Substanzen: Kaliumpermanganat, Kaliumnitrat, Ammoniumnitrat und Natriumnitrat. Sie dürfen nicht mehr an Endverbraucher abgegeben werden und können zur Herstellung von Sprengstoffen missbräuchlich verwendet werden. Insbesondere Kaliumpermanganat wird immer noch häufig in der Apotheke nachgefragt. Früher wurde das reine Pulver, oder eine fertig angemischte Lösung zur Desinfektion und Wundheilung bei Kindern abgegeben. Die intensiv violette Substanz wurde aufgrund der bakteriziden, fungiziden und adstringierenden Wirkung bei Windeldermatitis in stark verdünnter Form eingesetzt.

Auch das Inverkehrbringen von Wasserstoffperoxid-Lösungen über 12 Prozent an private Endverbraucher ist verboten. Hintergrund die missbräuchliche Verwendung von Wasserstoffperoxid für die Herstellung von Triacetontriperoxid (TATP), hierbei handelt es sich um einen Sprengstoff. Die Abgabe von höher konzentrierten Wasserstoffperoxid-Lösungen an berufliche Verwender ist zulässig. Paradox: Die berufliche oder gewerbliche Verwendung muss im jeweiligen Einzelfall plausibel gemacht werden – spezielle Regelungen über den Nachweis der beruflichen oder gewerblichen Verwendung bestehen nicht. Das Bleichen von Geweihen kann nach Auskunft des Bundesministeriums des Innern eine berufliche Tätigkeit im Rahmen des Jägerberufs sein, wenn der Jäger diese Tätigkeit für den Dienstherren ausführt. Jedoch sollte in der Apotheke die Abgabe überdacht werden, da die meisten privat tätigen Jäger keinen Gewerbeschein besitzen, sodass maximale Wasserstoffperoxid-Konzentration von 12 Prozent abgegeben werden dürfen.

Isopropanol und Ethanol

Isopropanol und Ethanol besitzen beide die Gefahrenpiktogramme GHS02 (Flamme) und GHS07 (Ausrufezeichen). Für Isopropanol gelten folgende H-Sätze: H225 - Flüssigkeit und Dampf leicht entzündbar, H319 - Verursacht schwere Augenreizung, H336 - Kann Schläfrigkeit und Benommenheit verursachen. Es gelten folgende P-Sätze: P210 - Von Hitze, heißen Oberflächen, Funken, offenen Flammen und anderen Zündquellen fernhalten. Nicht rauchen, P233 - Behälter dicht verschlossen halten, P305+P351+P338 - BEI KONTAKT MIT DEN AUGEN: Einige Minuten lang behutsam mit Wasser spülen. Vorhandene Kontaktlinsen nach Möglichkeit entfernen. Weiter spülen. Ethanol muss mit folgenden H- und P-Sätzen gekennzeichnet werden: H225 - Flüssigkeit und Dampf leicht entzündbar und P210 - Von Hitze, Funken, offener Flamme, heißen Oberflächen fernhalten. Nicht rauchen. Bei beiden Stoffen wird ersichtlich, dass sie auch ohne Sachkundenachweis in jeglichen Konzentrationen abgegeben werden können.