Nur zwei Defektnachweise pro Tag

Engpässe: Abgaberangfolge beachten! Patrick Hollstein, 04.05.2023 08:14 Uhr

Auch bei Engpässen muss eine Abgaberangfolge beachtet werden. Foto: APOTHEKE ADHOC
Berlin - 

Bei Lieferengpässen dürfen Apotheken die verordneten Arzneimittel austauschen, diese Regelung soll verstetigt werden. Aber sind dabei alle Vorgaben hinfällig? In Nordrhein-Westfalen haben sich die beiden Apothekerverbände mit den Primärkassen auf eine Abgaberangfolge für solche Fälle geeinigt.

Im Arzneilieferungsvertrag (ALV) mit den Primärkassen wurde eine Regelung zur Versorgung bei Lieferengpässen in einem neuen § 8 Absatz 6 aufgenommen. Dadurch werden die Ausnahmeregelungen der Sars-CoV-2-Arzneimittelversorgungsverordnung übertragen, die am 7. April ausgelaufen war und deren Verlängerung im UPD-Gesetz nach wie vor auf sich warten lässt.

Rangfolge beachten

Während mit dem Arzneimittel-Lieferengpassbekämpfungs- und Versorgungsverbesserungsgesetz (ALBVVG) der Austausch bei Engpässen erlaubt wird abweichend von § 129 Sozialgesetzbuch (SGB V) Absatz 1 Satz 1 bis 5 und 8 und dem Rahmenvertrag, soll in NRW eine „erleichterte Arzneimittelabgabe in klar geregelter Reihenfolge“ gelten. Konkret gilt laut Apothekerverband Nordrhein (AVNR) folgende Abgaberangfolge:

  1. Abgabe nach Rahmenvertrag
  2. Abgabe bis zur verordneten Gesamtwirkstoffmenge
    • Ausweichen auf andere Packungsgröße
    • Änderung der Packungsanzahl
    • Variation über die Wirkstärke
    Nach Arztrücksprache sind auch folgende Möglichkeiten eröffnet:
    • Auflösen des Aut-idem-Kreuzes
    • Austausch zu einem pharmakologisch-therapeutisch vergleichbaren Arzneimittel
    Ergänzend sind sich die Vertragspartner einig, dass ebenfalls Arzneimittel der Substitutionsausschlussliste nach Rücksprache mit dem Arzt ausgetauscht werden dürfen.
  3. Abgabe nach folgenden Möglichkeiten:
    • Verzicht auf Abgabe von Rabattarzneimitteln bzw. Zulassen der Ausweitung des Auswahlbereiches der Apotheke, ggf. unter Berücksichtigung des gültigen Festbetrages innerhalb der Festbetragsgruppe
    • Belieferung von Arzneimitteln oberhalb des Festbetrages, wenn kein Arzneimittel auf oder unter Festbetrag kurzfristig durch die Apotheke beschafft werden kann. Die Mehrkosten trägt die Krankenkasse.
    • Versorgung mit gestatteter Ware nach § 79 Absatz 5 des Arzneimittelgesetzes
    • Rezepturherstellung bei Vorlage von Fertigarzneimittel-Verordnungen nach Arztrücksprache.

Import als letzte Option

Erst wenn die Abgabe nach diesen Kriterien nicht möglich, besteht die Option des Einzelimportes nach § 73 Arzneimittelgesetz (AMG). Bis zu einem Einkaufspreis des verordneten und zu importierenden Arzneimittels von 60 Euro bedarf es keiner Genehmigung. Die Preisberechnung erfolgt nach der Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV).

Keine Teilmengen

Der Abgabe von Teilmengen wollten die Primärkassen laut AVNR nicht zustimmen. „Insoweit können nur komplette Packungen eines Fertigarzneimittels abgegeben werden. In diesem Fall ist eine neue Verordnung über die nächstgrößere Packung durch den Arzt erforderlich.“

Zwei Abfragen – pro Tag

Dass ein Lieferengpass vorliegt, müssen die Apotheken durch zwei Verfügbarkeitsabfragen beim Großhandel oder Hersteller in einem angemessenen Zeitraum nachweisen. Mit den Primärkrankenkassen in NRW wurde vereinbart, dass eine Verfügbarkeitsanfrage beim Großhandel, welche mehrere Arzneimittel als nicht verfügbar ausweist, dann auch bereits als mehrere Verfügbarkeitsanfragen je abgebildeter Position gilt. „Dies bedeutet, dass Sie keine zweite Verfügbarkeitsanfrage zu diesem Präparat am Abgabetag stellen müssen“, so der AVNR gegenüber seinen Mitgliedern.