Rezepturtipp

Händedesinfektion: Gel statt Lösung Alexandra Negt, 07.05.2020 09:41 Uhr

Um aus Lösungen mit einem hohen Gehalt an Alkohol Gele herzustellen müssen Apotheker und PTA einiges beachten – die Auswahl des passenden Gelbildners beispielsweise. Foto: BezirksApotheke
Berlin - 

Apotheken dürfen vorübergehend selbst Desinfektionsmittel herstellen. Hierfür wurden bisher ausschließlich Lösungen als Rezeptur veröffentlicht. Die Anwendung eines Gels als Alternative kann unterschiedliche Vorteile haben. Wochenlang waren jegliche Primärpackmittel für alkoholische Lösungen nicht lieferbar. Zum Teil wurde seitens der Packmittellieferanten kontingentiert. Ein Gel könnte auch in Tuben abgefüllt werden – dieses Primärpackmittel ist in den meisten Apotheken dauerhaft ausreichend vorhanden gewesen.

Alkoholische Desinfektionsmittel gibt es als Lösung oder Gel. Gerade für unterwegs eignet sich diese Darreichungsform mitunter besser, da es nicht zum Verschütten kommen kann. Alkohol kann auf Leder Flecken hinterlassen – Spritzer auf Schuhen, Jacken und Taschen sind ärgerlich. Viele Gele aus der Drogerie sind jedoch nur antibakteriell und wirken somit nicht gegen Sars-CoV-2 – sie enthalten zwischen 40 und 60 Prozent Alkohol. Ein möglicher Grund: Nicht alle Gelbildner können die Viskosität in Anwesenheit von Alkohol aufrechterhalten. Je nachdem welcher Gelbildner bei welcher Konzentration eingesetzt wird, kommt es zu Verflüssigung des Produktes. Um Händedesinfektions-Gel in der Apotheke selbst herzustellen, sollten einige Punkte beachtet werden.

Hydrogele sind einphasige, fettfreie Systeme, die aus Alkohol-Wasser-Mischungen und dem quellfähigen organischen oder anorganischen Gelbildner bestehen können. Die unterschiedlichen Typen der Gelbildner haben spezifische Eigenschaften, das heißt nicht alle diese Stoffe tolerieren Alkohole gleich gut. Bei einigen kann es bereits bei geringen Konzentrationen an Isopropanol oder Ethanol zur Viskositätsherabsetzung kommen. Alle Celluloseether und Carbomere besitzen eine nachgestellte Zahl – diese gibt die Nominalviskosität gemäß Arzneibuchmonographie an. In der Praxis werden häufig Synonyme und Warenzeichen anstatt der eigentlichen Stoffbezeichnung genutzt.

Gelbildner in Kombination mit Alkohol

Nicht alle Gelbildner eignen sich für die Verarbeitung mit Alkoholen. Je nach Konzentration kann es zur sofortigen Verflüssigung der Rezeptur kommen. Das fertige Gel kann auch mit der Zeit an Konsistenz verlieren. Für einige Gelbildner liegen Stabilitätsdaten vor:

  • Carmellose-Natrium 600 / 1600 – toleriert nur geringe Alkoholkonzentrationen
  • Hydroxyethylcellulose 250 / 5000 / 10.000 – inkompatibel mit Alkoholkonzentration über 20 Prozent
  • Hydroxypropylcellulose – Kann Gele mit einer Konzentration mit bis zu 90 Prozent Alkohol bilden
  • Hypromellose 4000 – Kann Gele mit einer Konzentration mit bis zu 50 Prozent Alkohol bilden
  • Methylcellulose 400 – Kann Gele mit einer Konzentration mit bis zu 20 Prozent Alkohol bilden
  • Poloxamere – nicht gut für aliphatische Alkohole geeignet, mischbar mit mehrwertigen Alkoholen wie Glycerin, Propylenglykol oder Ethylenglykol
  • Carbomer 35.000 / 50.000 – verringerte Konsistenz bei Isopropanol-Konzentrationen von über 35 Prozent

Neben der Auswahl des richtigen Gelbildners sollte auch die Quellzeit beachtet werden. Diese ist für jeden Stoff unterschiedlich lang. Um Verdunstungsverluste zu vermeiden, sollten die Herstellungsgefäße abgedeckt werden. Mitunter kann eine Restquellung im Primärgefäß stattfinden. Eine Ergänzung von Verdunstungsverlusten ist nur bedingt sinnvoll, da Alkohol und Wasser unterschiedlich schnell verdunsten und die Anteile unbekannt sind.

Dennoch gilt weiterhin: Bisher wurden nur bestimmte Rezepturen für die Herstellung von Desinfektionsmitteln im Rahmen der Lockerung der Biozidverordnung in der Apotheke freigegeben. Zu den möglichen Formulierungen gehören folgende: Ethanol-Wasser-Gemisch 80 % (V/V), Ethanol-Wasser-Gemisch 70 % (V/V), 1-Propanol-Wasser-Gemisch 70 % (V/V), 2-Propanol-Wasser-Gemisch 70 % (V/V)WHO-Formulierung mit 2-Propanol 75 % (V/V), modifizierte WHO-Formulierung mit 2-Propanol 81,3 % (V/V), 2-Propanol 99,8 % (V/V), WHO-Formulierung mit Ethanol 80 % (V/V), Modifizierte WHO-Formulierung mit Ethanol 85,5 % (V/V). Die Genehmigung gilt vorerst bis zum 9. September.

Ringversuch zu alkoholischen Lösungen

Vier der freigegebenen Rezepturen können Apotheken aktuell im Rahmen eines Ringversuches durch das Zentrallaboratorium (ZL) prüfen lassen. „Die gegenwärtige Ausnahmesituation zeigt, wie wichtig und unverzichtbar die Herstellung von qualitativ hochwertigen Zubereitungen in der Apotheke ist“, heißt es in der Information des ZL. Eingesendet werden können insgesamt fünf unterschiedliche Rezepturen. Darunter sind zulassungsfreie und von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfohlene Mischungen.

Folgende Rezepturen können eingesendet werden:

  • Ethanol (70 Vol.-%) zur Desinfektion SR
  • Ethanol (80 Vol.-%) zur Desinfektion SR
  • 2-Propanolische Händedesinfektionslösungen (FIP-/WHO-Empfehlung)
  • 2-Propanol-Wasser-Gemisch 70% (V/V)

Geprüft wird ab sofort bis August. Der Einsendungszeitpunkt ist beliebig und richtet sich nach dem Zeitpunkt der Online-Buchung. Die Mitteilung der Ergebnisse und die damit einhergehende Zertifikatsvergabe soll innerhalb von fünf bis zehn Werktagen nach Erhalt der Probe erfolgen. Das erhaltene Zertifikat ist für ein Jahr gültig. Die Kosten belaufen sich auf 75 Euro, das zertifikatsrelevante Prüfparameter ist die Dichte.

Aloe Vera & Co.

Auf die Zugabe von rückfettenden Substanzen sollte bei der Herstellung von Desinfektionsmittelgelen verzichtet werden. Außer Glycerol sollten keine zusätzlichen Substanzen eingearbeitet werden. Auch auf Duft- und Farbstoffe sollte verzichtet werden. Aloe Vera geriet vor drei Jahren in den Verruf krebserregend zu sein – diese Eigenschaft trifft nur auf ganze Blätter zu. Die Anthranoide, die als canzerogen eingestuft sind, sind nur in der äußeren Blattschicht der verschiedenen Aloe-Arten enthalten. Lebensmittel und Kosmetika, die nur aus der innersten Blattschicht hergestelltes Gel enthalten, sind daher nicht betroffen.

Die Abfüllung sollte in Tuben erfolgen – diese lassen sich gut verschließen und es kommt nicht zum Austritt von Gel. Auch Quetschflaschen sind geeignete Primärgefäße. Einfache Kruken sollten aufgrund der großen Öffnung nicht verwendet werden – hier sind die Verdunstungsverluste höher und es besteht beim Entnehmen Handkontakt zum Produkt.