Konfliktmanagement

Zusatzverkäufe und Kniffe in den Rücken Maria Hendrischke, 24.08.2016 09:55 Uhr

Berlin - 

Der Kollege mischt sich ins Kundengespräch ein, nie gibt es ein „Danke“ vom Chef: Der Arbeitsalltag in der Apotheke hat Konfliktpotenzial. Wirtschaftspsychologe Michel Eggebrecht hat sich auf Konfliktkommunikation spezialisiert. Aus Gesprächen mit Apothekenmitarbeitern hat er diese Tipps für ein besseres Miteinander gewonnen und ein Coaching für Inhaber entwickelt.

Eggebrecht hat für sein Projekt „Miteinander in Apotheken“ insgesamt 20 Apothekenangestellte intensiv befragt. Vertreten waren unterschiedliche Altersklassen und verschiedene pharmazeutische Berufe: vom Filialleiter über PTA zum PKA war alles dabei.

Der Coach ließ sich in den Interviews typische Stresssituationen schildern – und fragte auch, wie in den Apotheken diese Konflikte entschärft werden. In einem Projektbericht gibt Eggebrecht zehn Tipps aus seinen Interviews weiter. Den Bericht stellt er auf seiner Webseite harmoniekultur.de gratis zum Download bereit.

Ein Thema, das in Apotheken häufig für Unstimmigkeiten sorge, seien die Zusatzverkäufe, so Eggebrecht. Zunächst wäre da bei einigen Angestellten ein innerer Konflikt; nicht jeder ist von dem zusätzlichen „Aufschwatzen“ überzeugt.

Apotheken regeln Zusatzverkäufe laut Eggebrecht unterschiedlich: In manchen sind sie nicht notwendig, andere wiederum machen das Monatsgehalt der Mitarbeiter an ihrem Verkaufserfolg aus. Das kann dazu führen, dass kein Angestellter mehr im Back-Office arbeiten will und Mitarbeiter gegeneinander konkurrieren, um sich keine Chance auf Verkäufe entgehen zu lassen.

Positiv habe es eine Apotheke gelöst, in der die Mitarbeiter ein gemeinsames Teamziel festlegen, beschreibt Eggebrecht. Um innere Konflikte nicht aufkommen zu lassen, habe sich außerdem eine Liste mit Empfehlungen angeboten. Dort werden sinnvolle Ergänzungen zu Produkten gelistet, die im Team abgestimmt wurden.

Ein weiterer Stressfaktor: Ein Apothekenmitarbeiter ist im Kundengespräch. Plötzlich mischt sich der Kollege ein und korrigiert. Der erste Mitarbeiter fühle sich vorgeführt, sagt Eggebrecht. Bevor Fehler gemacht werden, sollte der Kollege zwar einschreiten. Doch das kann diskreter geschehen. Eggebrecht beschreibt dazu den „genialen Trick“, der in einer Apotheke angewandt wird: Ohne dass der Patient es merkt, kneift ein Mitarbeiter dem Kollegen im Kundengespräch kurz in den Rücken. Der Angestellte könne daraufhin sagen: „Ich möchte da nochmal kurz etwas mit meinem Kollegen besprechen.“ Auf diese Weise werde niemand bloßgestellt, so Eggebrecht.

Der Umgang mit Fehlern ist ebenfalls entscheidend. Während einige Apotheken Fehler kaum ernst nehmen und die Mitarbeiter wenig daraus lernen, führt es in anderen zu schweren Schuldzuweisungen und einem Klima der Angst. Ein Mittelweg wäre optimal, so Eggebrecht. Fehler sollten aufgezeigt und ihre negativen Folgen erklärt werden. Zugleich sollte gemeinsam nach Wegen gesucht werden, den Fehler künftig zu verhindern. „Hierbei geht es nicht um Schuld oder Unschuld, sondern vor allem um Lösungen“, fasst Eggebrecht zusammen.

Um Fehler zu vermeiden, sollten gerade neue Mitarbeiter ermutigt werden, bei Unsicherheit Fragen zu stellen. Doch wenn Kollegen irgendwann genervt reagierten, traue sich der Mitarbeiter unter Umständen nicht mehr, weitere Fragen zu stellen. Eher riskiere er Fehler, als die anderen zu nerven, erklärt Eggebrecht. Er nennt es das Gesetz des Effekts, mit dem sich viele Handlungsmotivationen begründen ließen: „Wenn ich merke, dass es sich lohnt, bestimmte Dinge zu tun, tue ich sie und wenn nicht, dann nicht.“ Chefs könnten diesen Leitsatz für sich nutzen.

Ein respektvolleres Miteinander lässt sich zudem über den Umgangston erreichen. Manchmal sei dieser in den Apotheken „sehr rau“, schreibt Eggebrecht. „PTA werden aus der Rezeptur nach vorne ‚gebrüllt‘.“ Das müsse nicht sein. Eine der interviewten Filialleitungen habe Wörter wie „ey“ und „scheiße“ komplett verboten. Das Klima in der Apotheke sei daraufhin wertschätzender geworden, habe die Filialleitung berichtet.

Die interviewten Apothekenangestellten wollten von ihrem Chef, dass dieser im Streitfall unter Kollegen reagiert – und sich nicht heraushält. „Mitarbeiter wünschen sich manchmal sehr, dass Chefs Dinge einfach regeln“, so Eggebrecht. Das falle nicht jeder Führungskraft leicht, lasse sich aber in einem Coaching gut trainieren.

Ein nicht seltener Konflikt, in dem der Chef reagieren sollte, sind etwa Streitereien zwischen einer erfahrenen PTA und einem jungen, approbierten Kollegen. Nicht immer sei Uneinigkeit in fachlichen Fragen der eigentliche Konflikt, weiß Eggebrecht. Dann bringe es nichts, allein den Streit über die Sache zu klären.

Die Ursache für den Zwist könnte stattdessen auf der Beziehungsebene liegen: Beide fühlen sich vom jeweils anderen in ihrer Kompetenz nicht ausreichend gewürdigt. Erst wenn dieses tieferliegende Problem erkannt und angegangen werde, könne der Konflikt langfristig gelöst werden, sagt Eggebrecht.

Inhaber sollten sich bewusst sein, dass schon ein einziger Mitarbeiter das Klima im Team belasten könne, sagt der Konfliktberater. In Interviews sei etwa berichtet worden, dass sich die Atmosphäre augenblicklich gebessert habe, wenn dieser Kollege im Urlaub sei. Eggebrecht rät Inhabern daher dazu, bei der Personalauswahl „ganz genau hinzuschauen“. Zudem sollte der Chef im Problemfall eingreifen.

Manchmal sind es auch vermeintlich kleine Dinge, die sich negativ auf das Betriebsklima auswirken. Ein Problem könnte beispielsweise ein baubedingt hoher Geräuschpegel in der Apotheke sein. Nicht funktionierende Geräte oder fehlende Sitzplätze für eine kurze Pause drückten ebenfalls auf die Stimmung. Solche Konfliktquellen ließen sich leicht beseitigen, sagt Eggebrecht.

Eine weitere simple Maßnahme ist laut Eggebrecht ebenfalls höchst effektiv, um das Arbeitsklima zu verbessern: Wertschätzung zeigen. „Trauen Sie sich, Ihren Kollegen mal ein paar nette Worte zu geben“, rät der Wirtschaftspsychologe. Das müsse nicht gleich positives Feedback sein: Schon ein kleines Danke wirke Wunder.

Michel Eggebrecht hat einen Bachelor in Wirtschaftspsychologie von der privaten Hochschule Fresenius in Hamburg. Im Master studiert er an der Leuphana Universität Lüneburg Management und Human Resources. Über Jugendarbeit in seinem Zivildienst kam er zur Konfliktberatung. Eggebrecht lässt sich zum Mediator ausbilden und ist Trainer für Teams.