Ibuprofen, Paracetamol, Xylometazolin

Erkältungszeit mit Lieferengpässen: Hilfe aus der Rezeptur Alexandra Negt, 13.07.2022 08:52 Uhr

Ob Ibupfrofen, Paracetamol oder Xylometazolin – die erhöhte Nachfrage nach klassischen pädiatrischen Erkältungsmitteln steigt. Bei einem eintretenden Engpass kann die Rezeptur eine Übergangslösung darstellen.
Berlin - 

Der steigende Bedarf an Erkältungsmitteln kann vor allem im Pädiatriebereich bereits jetzt nicht vollumfänglich gedeckt werden. Während Fiebersäfte bereits seit längerem Mangelware sind, scheint es nun auch bei Nasensprays Schwierigkeiten zu geben. Zumindest Ratiopharm streicht einigen Apotheken die Winterbevorratung. Nicht immer sei dabei das Fehlen des Wirkstoffes der Grund, sondern ausbleibende Lieferungen von Primär- und Sekundärpackmitteln wie Filtern, Flaschen oder Papier für die Gebrauchsanweisung. Sind die Ausgangsstoffe lieferbar, kann im Einzelfall die Rezeptur helfen. Auch die Defektur könnte in diesem Winter wieder mehr an Bedeutung gewinnen.

Die Rezeptur kann immer dann einspringen, wenn es bei Fertigarzneimitteln zu Lieferproblemen kommt. Verzeichnet die Apotheke eine erhöhte Anfrage, so kann auch eine Defektur in Erwägung gezogen werden. Denn immer dann, wenn wiederholt Verordnungen zu ein und derselben Rezeptur vorgelegt werden, ist eine größere Herstellung in Chargen möglich. Natürlich müssen die Regeln zur Prüfung bedacht werden. Während die Anforderungen an eine Creme meist gering sind, steigen die Prüfanforderungen bei oral oder nasal anzuwendenden Formulierungen.

Paracetamol – zwei Optionen möglich

Paracetamol kann in einer Dosierung von 50 mg/ml ­in Syrspend verarbeitet werden. Die Rezeptur ist 90 Tage lang haltbar. Sie kann sowohl bei Raumtemperatur als auch im Kühlschrank gelagert werden. Auch eine Verarbeitung im SyrSpend SF pH4 Pulver ist möglich. SyrSpendSF Alka eignet sich demnach nicht zur Anfertigung einer Suspension.

Wer die Grundlage von Fagron nicht vorrätig hat, kann auch auf die „Grundlage für Suspensionen zum Einnehmen DAC” zurückgreifen. Sie eignet sich ebenfalls zur Herstellung einer Paracetamol-Suspension. Die Haltbarkeit der Suspension à 40 mg/ml wird mit vier Wochen angegeben.

Da die Aufschüttelbarkeit nicht optimal ist, sollte das verwendete Primärgefäß rund doppelt so viel Volumen fassen können, wie verordnet. Die Eltern sollten darauf hingewiesen werden, dass sie sehr stark schütteln müssen vor der Verabreichung. Bei einer Haltbarkeit von bis zu drei Monaten kann durchaus eine Defektur angedacht werden.

Wichtig: Da für die Prüfung einer Defektur je nach Gesamtrisikoscore verschiedene analytische Methoden zum Einsatz kommen müssen, sollte die Chargengröße nicht zu klein gewählt werden. Ansonsten prüft der/die PTA andauernd erneut den Paracetamol-Saft. Die Herstellung sollte wirtschaftlich sein. das heißt, dass die Ermittlung der potenziell abzugebenden Menge unerlässlich ist. Im Optimalfall warten Eltern nicht auf die Verfügbarkeit einer Defektur und die Apotheke hat gleichzeitig einen sehr geringen oder gar keinen Verfwurf.

Kurze Wiederholung: Gesamtrisikoscore

Der Gesamtrisikoscore zeigt auf, wie sensibel die Defektur in Herstellung und Anwendung ist. Je höher der Wert, desto intensiver und umfangreicher muss die Apotheke die Zubereitung prüfen. Cremes, Gele und sonstige dermal anzuwendende Rezepturen weisen zumeist einen niedrigen Score auf. Augentropfen weisen, als verpflichtend steriles Arzneimittel, einen hohen Score auf. Wirklich kompliziert wird es bei intravenös oder intrathekal anzuwendenden Zubereitungen. Oftmals müssen diese Defekturen dann auch von einem externen Labor auf Pyrogenfreiheit & Co. überprüft werden. Der Score setzt sich aus folgenden Faktoren zusammen:

  • Applikationsart und Darreichungsform
  • Jährliche Produktionsmenge
  • Risiken des Wirkstoffs
  • Herstellungsprozess
  • Abgabe

Die jeweiligen Punkte (1 bis 5) werden dann multipliziert. Anhand des Beispiels Paracetamol-Saft würde sich folgender Score ergeben:

  • Produktionsmenge bis 150 pro Jahr: 1
  • Enterale unsterile Darreichungsform: 3
  • Risiko des Wirkstoffes ist mittel: 3
  • Die Herstellung folgt dem Lösen und Mischen: 2
  • Ort der Abgabe ist hauptsächlich die Apotheke: 1

1 x 3 x 3 x2 x 1 = 18

Ein Gesamtrisikoscore von 18 entspricht immer noch einem niedrigen Risiko. Im Rahmen der Defekturprüfung muss der/die PTA nur die Basis-Überprüfungen durchführen. Die Apotheke sollte die Risikobeurteilung zum Zwecke der Nachvollziehbarkeit gegenüber Pharmazieräten & Co. dokumentieren.

Ibuprofen – auf die Dosierung achten

Für Ibuprofen liefert weder das NRF aktuell eine Herstellvorschrift, noch ist das NSAID in den Kompatibilitätstabellen von Syrspend (Fagron) zu finden. Das NRF geht davon aus, dass die „Grundlage für Suspensionen zum Einnehmen DAC” auch für Ibuprofen geeignet ist. Untersuchungen hierzu fehlen allerdings.

Auf Anfrage weist Fagron darauf hin, dass Ibuprofen in SyrSpend SF PH4 verarbeitet werden kann. Auf Grundlage einer Studie empfiehlt Fagron eine Haltbarkeit von 14 Tagen bei Lagerung im Kühlschrank. Dabei sollte der Wirkstoff am besten als Rohstoff eingesetzt werden. Steht dieser nicht zur Verfügung, könnten alternativ auch Tabletten verwendet werden, um die Suspension herzustellen. Daten für alle Syrspend Produkte liegen bisher nicht vor.

Wie bei allen Suspensionen muss ein Augenmerk auf die Aufschüttelbarkeit gelegt werden. Hochdisperses Siliciumdioxid oder mikrokristalline Cellulose könnten die Eigenschaften verbessern. Die Benetzung des Wirkstoffes kann durch Anreiben mit Tween verbessert werden. Hierdurch kann Ibuprofen besser in der Grundlage dispergieren. Zugaben wie Glukose erfüllen gleich zwei Aufgaben: Sie erhöhen die Viskosität und verbessern den Geschmack. Auch eine Herstellung aus Fertigarzneimitteln kann, sollte die Reinsubstanz nicht verfügbar sein, angedacht werden. Dadurch, dass die Tabletten zumeist hochdisperses Siliciumdioxid enthalten, muss dieser Stoff nicht mehr zusätzlich hinzugefügt werden. Für die Herstellung müssen unretardierte Formen benutzt werden.

Ibuprofen-Säfte sind sowohl mit 20 mg/ml als auch mit 40 mg/ml zugelassen. Aufgrund dessen, dass es mitunter schwer abzuschätzen ist, welche Dosierung häufiger verordnet wird, scheint bei einem Lieferengpass die Herstellung als Rezeptur sinnvoller.

Nasenspray aus der Rezeptur

Das Xylometazolin-HCl Nasengel NRF 8.7 wurde aufgrund einer ausreichenden Verfügbarkeit von fertigarzneimitteln mit der Ergänzungslieferung 2005 gestrichen. Seitdem bietet das NRF keine Vorschriften mehr. In den Apotheken kommt es immer wieder zu Anfragen von Ärzt:innen, die das Alpha-Sympathomimetikum mit anderen Wirkstoffen wie Silbereiweiß oder Menthol mischen möchten. Im niederländischen Formularium hingegen findet sich eine Vorschrift für 0,025-prozentige Nasentropfen. Diese Zusammensetzung könnte an eventuell nicht lieferbare 0,5-prozentige Nasentropfen oder -sprays angepasst werden. Fertigarzneimittel enthalten in der Regel neben dem Wirkstoff Xylometazolin das Konservierungsmittel Benzalkoniumchlorid sowie Natriumedetat und einen Phosphat- oder Citrat-Puffer.

Das NRF liefert aber Rezepturformeln für Augentropfen. Diese sind in ihrer Herstellung aufgrund der Sterilitätsvorgaben aufwendiger, bieten aber eine geprüfte Stabilität. Apotheken, die eine Nasenspray-Rezeptur planen, könnten sich an diesen Vorgaben orientieren. Es liegt sowohl eine Zusammensetzung für eine unkonservierte als auch für eine konservierte Variante vor. Nasenspray-Primärbehältnisse sind in verschiedenen Ausführungen erhältlich. Als Nasentropfen-Gefäß dienen Pipettenflaschen.