Nicht nur Beruhigungsmittel

Einfluss auf Reaktionsvermögen: Medikamente und Straßenverkehr Cynthia Wegner/Sandra Piontek, 24.02.2023 10:02 Uhr

Verschiedene Wirkstoffe können das Reaktionsvermögen beeinflussen: Dadurch kann es zu Gefahren kommen – beispielsweise im Straßenverkehr oder auf der Arbeit, wenn Maschinen bedient werden müssen. Foto: marekbidzinski/AdobeStock
Berlin - 

Die Einnahme von Medikamenten geht nicht immer ohne unerwünschte Begleiterscheinungen einher. Viele Wirkstoffe bergen besondere Risiken, wie beispielsweise einen Einfluss auf das Reaktionsvermögen. Darunter befinden sich auch gängige Wirkstoffe, bei denen dies zunächst nicht vermutet wird.

Bei einigen Wirkstoffgruppen wie Schlaf- oder Beruhigungsmitteln liegt nahe, dass sie Einfluss auf die Psyche und das Reaktionsvermögen nehmen können. Doch auch andere Arzneimittel können ein Risiko darstellen, wenn unmittelbar danach eine Maschine bedient oder Auto gefahren wird. Im Beipackzettel finden sich entsprechende Hinweise – doch nicht alle Patient:innen lesen ihn aufmerksam durch. In der Beratung sollte daher auf jeden Fall ein kurzer Hinweis gegeben werden.

Achtung im Straßenverkehr

Die betroffenen Wirkstoffe müssen nicht zwingend mit eindeutigen Symptomen einhergehen, um das Reaktionsvermögen einzuschränken. Das bedeutet, Betroffene müssen nicht unbedingt unter Müdigkeit oder Schläfrigkeit leiden. Dennoch kann im Ernstfall verzögert reagiert werden. Dadurch kann es zu Gefahren kommen – beispielsweise im Straßenverkehr oder auf der Arbeit, wenn Maschinen bedient werden müssen. Doch auch im Haushalt oder im Garten kann das Klettern auf eine Leiter oder das Heckeschneiden mit Gefahren verbunden sein.

In Kombination mit Alkohol kann sich die Wirkung der betroffenen Arzneistoffe sogar noch verstärken. Deshalb sollte bei jeglicher Medikamenteneinnahme unbedingt auf den Konsum von Alkohol verzichtet werden. Ansonsten können sich mögliche Nebenwirkungen verstärken und auch das Reaktionsvermögen noch stärker eingeschränkt sein.

Wirkstoffe, die Risiken bergen

  • Benzodiazepine: Eine Nebenwirkung der Arzneimittelgruppe ist die geminderte Fahrtüchtigkeit. Benzodiazepine gehören zu den Medikamenten, die im Straßenverkehr eine hohe Unfallgefahr bergen können. Daher sollten sie keinesfalls vor einer Autofahrt eingenommen werden.
  • Schlafmittel: Da die Einnahme von Schlafmitteln die Reaktionszeit beeinträchtigt, ist vom Bedienen schwerer Maschinen und Autofahren abzuraten. Vorsicht ist zudem bei einem sogenannten „Hangover“ geboten. Wird das Schlafmittel erst in der Nacht eingenommen und bekommen Betroffene anschließend nicht genug Schlaf, kann das die Fahrtüchtigkeit deutlich verschlechtern.
  • Schmerzmittel: Novaminsulfon oder Tilidin können in höheren Dosierungen den Kreislauf beeinflussen und zu einem niedrigen Blutdruck führen. Empfindliche Personen können das Gefühl haben, sich nicht mehr gut konzentrieren zu können. Vorsichtshalber sollte auf das Bedienen von Maschinen, das Führen von Fahrzeugen und sonstige gefahrvolle Tätigkeiten verzichtet werden. Dies gilt insbesondere, wenn zusätzlich Alkohol konsumiert wurde. Nach der Einnahme von Tilidin sollte mindestens 72 Stunden kein Kraftfahrzeug geführt werden. Da Tilidin zu den Opioiden zählt und es zu Sehstörungen und Schwindel kommen kann, ist das Mittel im Straßenverkehr verboten.
  • Blutdrucksenker: Neueinstellungen mit blutdrucksenkenden Mitteln können Schwindel, Benommenheit und Kopfschmerzen zur Folge haben – denkbar schlechte Begleiter im Straßenverkehr. Dabei beeinträchtigen beispielsweise ACE-Hemmer und Betablocker das Fahrverhalten und erhöhen das Unfallrisiko. Sind Patient:innen schlecht eingestellt und oder weisen auch ohne Medikation einen dauerhaft erhöhten Blutdruck auf, sollte dringend ärztliche Rücksprache gehalten werden, bevor wieder selbst gefahren wird.
  • Antiepileptika: Gabapentin beispielsweise kann gerade in der Anfangszeit der Therapie Schwindel, Benommenheit und Müdigkeit hervorrufen. Patient:innen sollten nicht Auto fahren, komplizierte Maschinen bedienen oder andere möglicherweise gefährliche Tätigkeiten ausüben. Es sollte solange auf diese Tätigkeiten verzichtet werden, bis Betroffene gut auf das Arzneimittel eingestellt sind und dessen Wirkungen abschätzen können.
  • Psychopharmaka: Diese Arzneimittel können eine dämpfende Wirkung haben und somit die Reaktionszeit verlängern, was wiederum die Fahrtauglichkeit einschränkt. Gerade in der Einstellungsphase mit trizyklischen Antidepressiva wird davon abgeraten aktiv Auto zu fahren. Allerdings lässt sich zumindest unter Amitriptylin, Dothiepin und Doxepin eine Toleranzentwicklung beobachten, was die unerwünschten Nebenwirkungen reduzieren kann. Auch Schlafstörungen, die durch Einnahme von Psychopharmaka hervorgerufen werden, können die Konzentrationsfähigkeit tagsüber herabsetzen. Die Arbeit an schweren Maschinen ist daher bei Therapiebeginn nicht zu empfehlen.
  • Allergiemittel: Einige Antihistaminika, vor allem solche der ersten Generation, machen Patient:innen sehr schläfrig – darunter leidet die Konzentrationsfähigkeit. Autofahrer:innen und Berufstätige sollten daher besser auf Wirkstoffe der zweiten Generation, wie Loratadin zurückgreifen.
  • Erkältungsmittel: Einige freiverkäufliche Kombi-Präparate gegen Erkältung, Grippe und Fieber enthalten Schmerzmittel und zusätzlich einen ganzen Cocktail an weiteren Wirkstoffen. Für kurze Zeit fühlen sich Betroffene fit. Sobald die Wirkung nachlässt, setzt schlagartig Müdigkeit ein. Deshalb raten einige Hersteller dazu, weder Auto zu fahren noch Maschinen zu bedienen. Erkältungsmittel können also das Reaktionsvermögen beeinträchtigen. Dieses Risiko kann durch Alkoholkonsum deutlich verstärkt werden.