Nebenjobs

44, PTA-Schüler, Hartz-IV-Empfänger Carolin Bauer, 07.05.2018 10:30 Uhr

Berlin - 

Daniel Gutjahr wollte schon immer in der Apotheke arbeiten. Das Pharmaziestudium musste der heute 44-Jährige abbrechen. Als angehender PTA steht er jetzt kurz davor, seinen Traum umzusetzen. Doch die finanzielle Situation zwingt ihn fast in die Knie – das Arbeitslosengeld II reicht kaum. Nur mit der Unterstützung eines Apotheker-Ehepaares kann er die Ausbildung stemmen.

Nach dem Abitur schrieb sich Gutjahr fürs Pharmaziestudium ein. Doch bereits im dritten Semester zeichnete sich ab, dass er den Stoff womöglich nicht schaffen würde. Gutjahr hielt trotzdem bis zum 8. Semester durch – doch dann musste er kurz vor dem Ziel aufgeben. Er vermutet, dass seine Lernschwäche einen medizinischen Hintergrund hat: „Ich habe ADHS.“

Plan B war das Studium der Ernährungswissenschaften. Doch nach dem Abschluss flogen ihm als Ökotrophologen die Jobs mit mittlerweile Ende 30 nicht zu. Also entschied sich Gutjahr, ein drittes Mal von vorn zu starten: „Ich habe einen Ausbildungsplatz gesucht, wurde jedoch bei Brauereien, Lebensmitteltechnikern und Laboren wegen meines Alters abgewiesen“, sagt er. Über eine Bekannte wurde er auf die PTA-Ausbildung aufmerksam und entscheid sich für den zweijährigen Lehrgang an der Fachschule Niederrhein in Duisburg. „Die schulische Ausbildung ist meine letzte Chance.“

Der Erfolg seiner PTA-Karriere hängt jedoch von seinen finanziellen Mitteln ab. Gutjahr ist auf Hartz-IV angewiesen und erhält monatlich 800 Euro. Abzüglich Miete und Essen bleibt wenig übrig: Jeden Monat fehlen 100 Euro. Die staatliche Unterstützung reiche nicht einmal für Schulbücher, das Fahrticket oder plötzlich anfallende Kosten wie einen neuen Drucker, sagt er. Die Agentur für Arbeit verweigere weitere Mittel: Schule sei Schule und keine förderungswürdige Maßnahme, habe es bei der Behörde geheißen.

Ohne Hilfe von den Eltern und dem Inhaber der Barbara-Apotheke in Voerde könnte er die Ausbildung nicht meistern. Inhaber Hans-Ulrich Zipfel und seine Frau Christina zahlen für Gutjahr das Schulgeld in Höhe von 230 Euro pro Monat. „Ich habe privat als Kunde mit meiner heutigen Chefin gesprochen und sie hat es mir angeboten. Ich bin dafür sehr dankbar“, sagt der PTA-Schüler. Als Gegenleistung ist er samstags und in den Ferien in der Offizin tätig.

Von seinen Eltern wird Gutjahr ebenfalls unterstützt. Sie zahlten etwa die Fahrkarte in Höhe von knapp 60 Euro monatlich. Ohne das Ticket sei die PTA-Ausbildung nicht möglich, sagt er. Zudem schenkten sie ihm Kleidung. „Mir ist es schon peinlich, mit Mitte 40 noch Geld von meinen Eltern zu erhalten.“ Mit der jetzigen Situation komme er trotzdem gut zurecht. „Ich habe mit der Zeit gelernt, damit umzugehen, kaum Geld zu haben.“

Auf die kommende Tätigkeit als PTA freut sich Gutjahr. Dennoch: Die Ausbildung und späteren Lohnaussichten als PTA seien „völlig unattraktiv“ und „das Gehalt eine Frechheit“ – das Einstiegsgehalt von 2000 Euro brutto „ein Witz“. Die Anforderungen an Schulabgänger seien gleichzeitig extrem hoch. „Ich komme als Akademiker klar und habe im Schnitt die Note 2“. Der Lehrstoff sei jedoch zu komprimiert für zwei Jahre.

Gutjahr ist verärgert, dass sich trotz des Fachkräftemangels nichts an den Rahmenbedingungen ändert. „PTA werden schlecht bezahlt und müssen selbst für ihre Ausbildung aufkommen. Wen will man damit eigentlich noch locken?“ Seiner Ansicht nach müsste die Politik einspringen.

In der PTA-Schule ist Gutjahr als 44-jähriger Akademiker ein Exot: „Ich bin hier der Papa-Bär“, sagt er. Mit seinem Nebenjob steht er jedoch nicht alleine da: „Ich schätze, dass ein Drittel der Mitschüler nebenher in der Apotheke arbeiten.“

In Voerde fühlt sich Gutjahr angekommen. In der Barbara-Apotheke fühlt er sich wohl. Die Apotheker und das Team unterstützen den Schüler, er lernt die Praxis kennen und erledigt beispielsweise Botendienste. Zipfel hat ihm bereits in Aussicht gestellt, dass er nach der Ausbildung übernommen wird. Der 44-Jährige hat seinen festen Platz in der Apotheke gefunden.