Zyto-Ausschreibungen

VZA: AOK Hessen betreibt Selbstjustiz APOTHEKE ADHOC, 30.03.2014 21:17 Uhr

Krieg gegen die Versicherten: Der VZA-Vorsitzende Dr. Klaus Petersheim hat das Vorgehen der AOK Hessen scharf kritisiert. Foto: VZA
Berlin - 

Im Streit um die Zytostatika-Ausschreibung der AOK Hessen wird der Ton rauer: Der Chef des Verbands Zytostatika herstellender Apothekerinnen und Apotheker (VZA), Dr. Klaus Peterseim, hat die Kasse mit drastischen Worten für ihre Retaxationen kritisiert. Die AOK führe „Krieg gegen ihre Versicherten“ und betreibe „Selbstjustiz“, die Apotheken und ihre Mitarbeiter würden von der Kasse „in Geiselhaft“ genommen, so Petersheim bei der VZA-Jahrestagung Ende der vergangenen Woche.

Seit Dezember laufen in Hessen Selektivverträge über parenterale Rezepturen. Doch mehrere Onkologen haben ihre Patienten weiterhin über die gewohnte Apotheke versorgt. Diese Apotheken hat die Kasse retaxiert. Laut dem VZA wurden schon mindestens 800.000 Euro von der Kasse abgesetzt.

Die Zyto-Ausschreibung der AOK Hessen untergrabe die freie Entscheidung der Versicherten für eine Apotheke ihres Vertrauens, setze die bewährte Zusammenarbeit zwischen Arzt und Apotheker zum Wohl der Patienten aufs Spiel und gefährde die wohnortnahe und rasche Versorgung mit Arzneimitteln, moniert Peterseim. „Die AOK Hessen führt Krieg gegen ihre Versicherten“, so der VZA-Chef.

Besonders kritisch bewertet der Verband, dass die Kasse trotz einer Stellungnahme des Regierungspräsidiums (RP) gegen Apotheker vorgeht. Das RP hatte auf Nachfrage erklärt, dass der Kontrahierungszwang für Apotheken ohne Ausnahme gelte. Demnach wären die Apotheker sogar verpflichtet, die Rezepturen auch ohne AOK-Vertrag zu liefern.

Durch das Vorgehen der AOK werde die Existenz der Apotheken aufs Spiel gesetzt, die nichts anderes täten, als ihrer gesetzlichen Versorgungspflicht nachzukommen, so Peterseim. Der Hessische Apothekerverband hatte sich beim Sozialministeriums des Landes über das Vorgehen der Kasse beschwert. Das Ministerium müsse jetzt zumindest klarzustellen, wie es sich die Versorgung der Patienten vorstelle, wenn es sich schon nicht in der Lage sehe, öffentlich zum Kontrahierungszwang der Apotheken zu stehen, fordert PEterseim.

„Es kann nicht sein, dass die Apotheken, die Patienten pflichtgemäß versorgen, bei der AOK komplett leer ausgehen“, so Peterseim. Was die AOK derzeit in Hessen betreibe, sei „keine Retaxation, sondern Selbstjustiz. Hier werden Apotheker, ihre Mitarbeiter und Familien in Geiselhaft genommen“, so der VZA-Chef.

Peterseim befürchtet, dass ähnliche Verdrängungsmechanismen auf Kosten öffentlicher Apotheken auch in anderen Bereichen um sich greifen könnten, etwa bei der Versorgung chronisch Kranker wie Diabetes- oder Parkinsonpatienten. Laut dem VZA hat ABDA-Präsident Friedemann Schmidt Grund den VZA-Mitgliedern die volle Solidarität und Unterstützung des gesamten Berufsstandes versichert. Schmidt war erstmals Gast einer VZA-Jahrestagung.

Der VZA will mit niedergelassen Onkologen die Betreuung von Krebspatienten in einem gemeinsamen Versorgungskonzept festschreiben. Eine solche Vereinbarung befinde sich auf der Zielgeraden, so Peterseim.

Doch es ging nicht nur um Ausschreibungen und Retaxationen. Unter den Nägeln brennt den VZA-Verantwortlichen auch die „Überinterpretation der Apothekenbetriebsordnung“. Einige Aufsichtsbehörden neigten bei Zytostatika herstellenden Apotheken hierzu. Es sei für die Versorgung weder erforderlich noch beabsichtigt, in betriebsblindem Behördeneifer einfach GMP-Industriestandards auf die Apotheke anzuwenden.

Die Zyto-Apotheker goutieren einen Vorsitzenden, der notfalls klare Worte findet: Apotheker Peterseim (Dom-Apotheke Essen) wurde für drei weitere Jahre an die Spitze des VZA gewählt.

Ebenfalls wiedergewählt wurden die Vizepräsidenten Dr. Michael Heinisch (Germania-Apotheke in Erfurt) und Michael Marxen (Kronen-Apotheke in Wesseling), Schatzmeister Max Eberwein (Hohenzollern-Apotheke im Marktkauf in Münster) und Schriftführerin Kerstin Harder (Mühlen-Apotheke in Oststeinbek). Als Beisitzer wurde Hannelore Mosthaf (Margareten-Apotheke in Karlsruhe) bestätigt und Christiane König (Marien-Apotheke in Neuss) erstmals gewählt. Geschäftsführer ist Dr. Rötger von Dellingshausen.