Unabhängig von der Indikation

Warnhinweise für alle Analgetika Patrick Hollstein, 11.10.2022 13:37 Uhr

Auch Grippemittel müssen künftig einen Warnhinweis tragen. Foto: APOTHEKE ADHOC
Berlin - 

Seit 2018 müssen Präparate mit den Wirkstoffen Acetylsalicylsäure, Diclofenac, Ibuprofen, Naproxen, Paracetamol, Phenazon und Propyphenazon mit besonderen Warnhinweisen gekennzeichnet werden – allerdings gilt dies in Abhängigkeit von der Indikation. Diese Einschränkung wird nun gestrichen, bis 2024 gilt die Pflicht für alle OTC-Medikamente mit den genannten Wirkstoffen. Neu hinzu gekommen ist außerdem Dexibuprofen.

Die bisherigen Vorgaben gelten seit 2018 für Humanarzneimittel, die „ausschließlich zur Behandlung leichter bis mäßig starker Schmerzen oder von Fieber“ zugelassen sind. Für diese Präparate wird ein entsprechender Hinweis gefordert. Eingeschlossen sind Arzneimittel zur oralen oder rektalen Applikation, die nicht der Verschreibungspflicht unterliegen.

Das Problem: Präparate, die zusätzliche oder gänzlich andere Indikationen hatten, waren bislang von der Analgetika-Warnhinweisverordnung (AnalgetikaWarnHV) nicht erfasst. Das betrifft insbesondere Erkältungsmittel, aber auch Medikamente gegen Migräne. Laut Bundesgesundheitsministerium (BMG) sind im Bereich der Fertigarzneimittel rund 265 Arzneimittel zusätzlich betroffen.

Mit Änderung der Verordnung wird die Einschränkung nun gestrichen, sodass die Vorgabe künftig für alle Präparate mit den genannten Wirkstoffen sowie dem kürzlich aus der Rezeptfplicht entlassenen Dexibuprofen gilt. Ziel ist es laut Bundesgesundheitsministerium (BMG), „eine Gleichbehandlung für die Arzneimittel sicher zu stellen, die nach Sinn und Zweck der AnalgetikaWarnHV von dieser erfasst werden sollen“.

Ausgenommen sind Präparate, die „ausschließlich zur Thrombozytenaggregationshemmung vorgesehen sind“ sowie Präparate für klinische Prüfungen.

Warnhinweis je nach Produktgruppe

Konkret vorgesehen ist für Präparate, die ausschließlich zur Behandlung von leichten bis mäßig starken Schmerzen oder Fieber vorgesehen sind, der Warnhinweis: „Bei Schmerzenoder Fieber ohne ärztlichen Rat nicht länger anwenden als in der Packungsbeilage vorgegeben!“

Präparate mit anderen oder zusätzlichen Indikationen dürfen nur mit dem Hinweis in Verkehr gebracht werden: „Ohne ärztlichen Rat nicht länger anwenden als in der Packungsbeilage vorgegeben!“

Für Rezepturen und Defekturen gilt der Warnhinweis: „Ohne ärztlichen Rat nicht länger anwenden als von der Apothekerin oder vom Apotheker empfohlen!“

Die Warnhinweise sind in gut lesbarer Schrift dauerhaft auf der Vorderseite der äußeren Umhüllung oder, sofern nur ein Behältnis vorhanden ist, auf dem Behältnis anzubringen.

Übergangsfristen für Hersteller und Apotheken

Am Freitag hat der Bundesrat die Änderung durchgewunken, sodass sie nun in Kraft treten kann. Für die Pharmafirmen gilt eine Übergangsfrist von 24 Monaten nach Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt. Großhändler und Apotheken dürfen Restbestände allerdings auch danach noch abverkaufen. Bei Rezepturen und Defekturen müssen Apotheken die neuen Vorgaben nach zwölf Monaten beachten.

Chaos in der Sichtwahl

Die bisherige Regelung hatte nicht nur zwischen den unterschiedlichen Produktgruppen für Verwirrung gesorgt. Bei großen Marken wie Dolormin, Thomapyrin oder Aspirin gibt es zahlreiche Varianten, die bei unterschiedlichen Beschwerdebildern eingesetzt werden. Aspirin Migräne unterscheidet sich in der Zusammensetzung vom Klassiker nicht, musste aber wegen der Indikation im Beipackzettel nicht mit einem Warnhinweis versehen werden. Dasselbe galt für Dolormin – auch hier mussten die Varianten gegen Migräne sowie gegen Regelschmerzen nicht deklariert werden, die identisch zusammengesetzten Schwesterprodukte Dolormin extra und Dolormin GS dagegen schon. Thomapyrin intensiv war ebenfalls ausgenommen, Thomapyrin classic nicht.

Noch verwirrender war es bei Ibuprofen Ratiopharm: Das Direktgranulat hatte 2018 einen Hinweis bekommen, die Tabletten mit Lysinat dagegen wegen einer zusätzlichen Indikation „Migräne“ nicht. Damit war das Generikum auch im Vergleich zu den Markenprodukten wie Dolormin extra im Vorteil, die identisch zusammengesetzt sind, aber den Warnhinweis tragen mussten. Bei Phenazon griff die Neuregelung komplett ins Leere: Die beiden einzigen OTC-Präparate auf dem Markt waren Migräne Kranit (Hermes) und Eumed (Strathmann), die bei Migräne eingesetzt werden und daher nicht betroffen waren.

Gar nicht betroffen waren auch Kombinationsarzneimittel zur symptomatischen Behandlung grippaler Infekte wie beispielsweise Boxagrippal (Ibuprofen/Pseudoephedrin, Angelini) und Wick Daymed Erkältungskapseln (Paracetamol/Phenylpropanol/Dextromethorphan, P&G). Denn die Arzneimittel sind für weitere Indikationen zugelassen und waren deshalb nicht vom Anwendungsbereich der Verordnung umfasst.