Gesundheitsfonds

Von der Leyen rät zum Wechsel dpa/APOTHEKE ADHOC, 25.08.2008 15:50 Uhr

Berlin - 

Wenige Monate vor dem Start des Gesundheitsfonds hat Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen (CDU) die Bürger zum Boykott von Krankenkassen aufgerufen, die 2009 ihre Beiträge unangemessen erhöhen. Sie könne Familien „nur empfehlen: Schauen Sie Ihrer Krankenkasse genau auf die Finger und wechseln Sie die Kasse, wenn sie mehr Geld von Ihnen verlangt“, sagte von der Leyen der „Bild am Sonntag“. Vertreter der Krankenkassen und aus der Politik kritisierten die Äußerungen.

Deutschlands größte Ersatzkasse, die Barmer, reagierte auf von der Leyens Wechselvorschlag verärgert. Er sei „kontraproduktiv, weil er die Chancengleichheit unter den Krankenkassen aushöhlt“, sagte der Vorstandsvorsitzende Johannes Vöcking der „Financial Times Deutschland“. „Das bisherige System krankt doch daran, dass die Kassen nur noch darum konkurrieren, wer die meisten jungen, gesunden Patienten hat. Wer jetzt zum Kassenwechsel aus rein finanziellen Motiven aufruft, fördert diesen ungesunden Wettbewerb.“

Ein Aufruf zum Kassenwechsel sei verfrüht, sagte Thomas Ballast, Vorstandsvorsitzender der Ersatzkassenverbände VdAK/AEV: „Noch weiß kein Mensch, wie der Gesundheitsfonds wirken wird.“ Die Äußerung belege, dass viele Menschen die komplizierte und folgenschwere Konstruktion des Gesundheitsfonds und des Zusatzbeitrags überhaupt nicht verstehen würden. Ballast erneuerte zugleich seine Forderung, die Einführung des Gesundheitsfonds zunächst zu verschieben, um die neuen Mechanismen wie den Morbi-RSA zu testen. Außerdem müssten die gesetzlichen Regelungen so nachgebessert werden, dass alle Krankenkassen die gleichen Startchancen haben.

Auch eine Expertengruppe der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA) empfahl nach Informationen des „Spiegel“, die Einführung des Gesundheitsfonds um mindestens ein Jahr zu verschieben. In dieser Zeit solle die Bundesregierung überprüfen, ob die verschiedenen Bestandteile der Gesundheitsreform funktionierten. Auch die Vorsitzende des Spitzenverbandes der gesetzlichen Krankenkassen, Dr. Doris Pfeiffer, sprach sich für eine Verschiebung aus. „Der Gesundheitsfonds löst keine Probleme, sondern schafft neue Probleme», sagte sie im SWR. Für eine Verschiebung sehe sie aber keine politische Mehrheit.

Ministerin von der Leyen verteidigte den Gesundheitsfonds gegen Kritik: „Der Gesundheitsfonds macht nichts teurer. Er schafft Gerechtigkeit.“ Kassen, die gut wirtschafteten, würden ihren Versicherten Geld zurückgeben können. Kassen, die schlecht wirtschafteten, würden Zuschläge verlangen müssen. „Jede Kasse bekommt denselben Betrag pro Versicherten. Damit hört die Jagd nach den jungen Besserverdienenden auf. Und jede Kasse kann zeigen, was sie mit dem Geld ihrer Versicherten macht“, sagte die Ministerin.

Kritik für ihre Aussagen erntete von der Leyen auch vom Koalitionspartner: „Die Ministerin begibt sich mit ihrem Aufruf auf sehr dünnes Eis“, sagte die Bundestagsabgeordnete Dr. Marlies Volkmer (SPD). Sie müsste wissen, dass ab 2009 die Beiträge aller Krankenkassen gleich sein werden, so Volkmer. Höhere finanzielle Belastungen für die Versicherten würden nur dort fällig, wo eine Krankenkasse einen Zusatzbeitrag erheben müsse. Dies müsse nicht bedeuten, dass eine Krankenkasse unwirtschaftlich arbeite.