Versandapotheken

Kassenchef kämpft um sein Erbe Alexander Müller, 01.03.2017 11:21 Uhr

Berlin - 

Franz Knieps war Abteilungsleiter* unter Ulla Schmidt, als die damalige Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) 2004 den Versandhandel mit Arzneimitteln zugelassen hat. Schmidt ist heute Vizepräsidentin im Bundestag, Knieps Chef des Dachverbands der Betriebskrankenkassen (BKK). In dieser Funktion kämpft er mit fast befremdlicher Leidenschaft um sein politisches Erbe und gegen das geplante Rx-Versandverbot.

Der Versandhandel für Medikamente sei „unverzichtbar“, so der BKK-Dachverband, die Drohkulisse Apothekensterben sei mit Blick auf die Umsätze „absurd“. Der „Siegeszug von Smartphone & Co.“ mache auch vor Apotheken nicht halt, so der BKK-Dachverband. „Gerade chronisch Kranke, oft multimorbide und nicht mobil, sind auf den Versandhandel mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln angewiesen“, sind die Kassen überzeugt. Dies lasse sich auch „per Ministerdekret“ nicht zurückdrehen. „Schon gar nicht in ländlichen Gebieten, relativ weit entfernt von der nächsten Apotheke.“

Beim BKK-Dachverband geht man nicht davon aus, dass in Apotheken vor Ort besser beraten wird als im Versandhandel. „Die Anforderungen an eine fachlich qualifizierte Beratung sind für alle gleich hoch: Egal ob Apotheker vor Ort oder Pharmakologe an der Info-Hotline des Versandhändlers“, heißt es beim Verband.

„Unstrittig ist, dass liberale Regelungen zum Versandhandel den Patienten nützen. Ein kreativer Wettbewerb um die beste pharmazeutische Beratung statt der Beschwörung der Aufrechterhaltung des Status quo würde auch Standesvertretern der Apothekerschaft gut zu Gesicht stehen“, so Franz Knieps, Vorstand des BKK Dachverbandes.

Der ehemalige Staatssekretär setzt sich für eine Liberalisierung des Apothekenmarktes ein. Die Politik sollte mit allen an der Versorgung Beteiligten darüber diskutieren, „wieviel Öffnung der Arzneimittelvertrieb benötigt“. Knieps: „Heutzutage kann man nicht eine ganze Branche vom Online-Versandhandel abklemmen. Es geht um faire Wettbewerbsbedingungen für alle, die sich für eine zeitgemäße Versorgung für die 70 Millionen gesetzlich Versicherten engagieren“, so Knieps.

Das von Bundesgesundheitsminister geplante Rx-Versandverbot hält Knieps für den vollkommen falschen Weg. „Gerade einmal 1,73 Prozent der BKK-Arzneimittelausgaben entfallen auf Versandapotheken“, so Knieps. In der gesamten gesetzlichen Krankenversicherung liege der Anteil bei 0,95 Prozent. „Eine Gefährdung der flächendeckenden wohnortnahen Versorgung mit Arzneimitteln zu beschwören ist bei diesen marginalen Größenordnungen geradezu absurd“, ergänzt Knieps.

Der BKK-Chef geht in seinem Statement nicht auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zu Rx-Boni und die möglichen Folgen ein. Entsprechend liefern die BKKen auch keinen Lösungsvorschlag, wie die Politik auf das Urteil aus Luxemburg reagieren soll.

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* Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version dieses Artikels hatte es geheißen, Franz Knieps sei Staatssekretär im BMG gewesen, tatsächlich war er nur Abteilungsleiter. Wir bitten, diesen Fehler zu entschuldigen.