Versandhandel

Stamm-Fibich: Keiner darf privilegiert werden Franziska Gerhardt, 22.05.2014 11:46 Uhr

Gleiche Bedingungen: Die SPD-Gesundheitspolitikerin Martina Stamm-Fibich ist für eine Gleichberechtigung von Vor-Ort- uns Versandapotheken. Foto: SPD-Fraktion/Susie Knoll/Florian Jaenicke
Berlin - 

Die SPD-Gesundheitspolitikerin Martina Stamm-Fibich spricht sich für die Gleichberechtigung von Vor-Ort-Apotheken und Versandapotheken aus. In Deutschland dürfe kein Vertriebsweg für Arzneimittel privilegiert werden, sagte sie heute beim Kongress des Bundesverbandes Deutscher Versandapotheken (BVDVA). Dessen Chef Christian Buse bezeichnete die aktuelle pharmazeutische Versorgung als „überwiegend unstrukturiert“. Er will die Apotheken in der Versorgung stärken und hält die Versender beim Thema Interaktionscheck für überlegen.

Stamm-Fibich lieferte zum zehnjährigen Bestehen des Arzneimittelversands zunächst einen Überblick über die Branche. Es gebe heute 3000 zugelassene Versandapotheken in Deutschland, die Mehrheit betreibe den Versandhandel jedoch nebenbei. Daneben gebe es 170 bis 180 wirkliche „Internetapotheken“. Der Versandhandel sei ein innovativer und dynamischer Wirtschaftszweig, der sich gut entwickle, so Stamm-Fibich, die im Gesundheitsausschuss Berichterstatterin der SPD für Arzneimitteln und Medizinprodukten ist.

Zu kritisieren sei zum Teil die Beratung und Betreuung der Kunden bei Versandapotheken, sagte die SPD-Politikerin. Andererseits mangele es daran auch in manchen Vor-Ort-Apotheken. Stamm-Fibich warnte zudem vor gefälschten Arzneimitteln, die zum Teil drastische Nebenwirkungen hätten. Hier wies die Moderatorin, die ehemalige Grünen-Abgeordnete Biggi Bender, jedoch darauf hin, dass Arzneimittelfälschungen kein spezifisches Problem der Versandapotheken seien.

Buse findet es problematisch, dass jeder stationär behandelte Versicherte im Durchschnitt von sieben Ärzten ambulant betreut werde und Verordnungen für rund neun Wirkstoffe pro Jahr erhalte. Die Versandapotheken könnten aus seiner Sicht eine kontinuierliche Dokumentation aller Bestellungen leisten und so Probleme der Multimedikation verhindern. Dabei würden auch routinemäßige Interaktionschecks erfolgen. „Zur Erkennung von Wechselwirkungen haben wir einfach das überlegene System“, so Buse.

Der BVDVA hat Buse zufolge eine Initiative zur Höchstmengenabgabe mit harten Kriterien gestartet. Er sprach sich zudem für die stärkere Nutzung der Verblisterung und für die Erstellung von detaillierten Medikationsplänen aus. Der Apotheker könne als „pharmazeutische Kontrollinstanz“ Haus- und Fachärzte entlasten und die Therapiesicherheit für Patienten erhöhen.

Als intransparentes Feld mit extrem geringen Handlungsdruck und einem hohen Beharrungsvermögen beschrieb Professor Dr. Volker Eric Amelung, Vorstandsvorsitzender des Bundesverbandes Managed Care, das deutsche Gesundheitssystem. Amelung wies zudem auf das Risiko der Multimedikation hin. 2010 seien 5,5 Millionen Menschen über 65 Jahren Risiken durch Polypharmazie ausgesetzt, 4 Millionen Menschen über 65 Jahren sei mindestens ein ungeeignetes Medikament verschrieben worden.

Ein großes Thema für Versandapotheken seien in Zukunft die schwer zu versorgenden Regionen auf dem Land. Außerdem würden in Deutschland viele Aufgaben unnötigerweise vom Arzt erledigt, die auch von anderen Berufsgruppen übernommen werden könnten, so Amelung, der auch Geschäftsführer des privaten Instituts für angewandte Versorgungsforschung (Inav) ist.