Klage gegen Open-house-Vertrag

Verbandmittel: Apotheken bevorzugt? 12.02.2025 08:58 Uhr

Berlin - 

Verbandsstoffe gehören in den Apotheken nicht zu den großen Ertragsbringern, oftmals dienen sie eher der Kundenbindung als dem Geschäft. Dennoch war ein Spezialversorger aus Baden-Württemberg der Ansicht, dass hier im Vergleich zu sonstigen Leistungserbringern viel zu hohe Beträge abgerechnet werden können. Doch eine Klage auf neue Verhandlungen scheiterte vorerst.

Im April vergangenen Jahres war für die sonstigen Leistungserbringer ein neuer Vertrag über die Versorgung mit Verbandmitteln veröffentlicht worden. Wer weiter Versicherte der betreffenden Kassen beliefern wollte, musste der Open-house-Vereinbarung beitreten und Abschläge in Höhe von 12 Prozent (Preisgruppen A und C) beziehungsweise 3 Prozent (Preisgruppe B) auf den Apothekeneinkaufspreis (AEP) in Kauf nehmen.

Der Spezialversorger erklärte zwar den Beitritt zum Vertrag, allerdings unter Vorbehalt. Parallel machte er einen Verhandlungsanspruch geltend, den die Kasse allerdings zurückwies. Der Fall ging vor Gericht. Der Lieferant argumentierte, dass die Preise mit den Apotheken verhandelt worden seien und diese für die gleiche Leistung eine bis zu 30 Prozentpunkte höhere Vergütung erhielten. Dies sei ein Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot, zumal die Kasse weitere Vertragsverhandlungen verweigere und dadurch den sonstigen Leistungserbringern eine deutlich geringere Vergütung einseitig aufzwinge.

Paketlösung mit Apotheken

Die Kasse hielt dagegen, dass die vereinbarten Abrechnungspreise für Verbandmittel mit Apotheken als Paketlösung zusammen mit anderen Regelungen des Arzneiliefervertrages NRW zustande gekommen seien. Obendrein könnten die Dienstleistungen abweichen, etwa was die Belieferung am selben Tag oder auch am Wochenende angehe. Es handele sich daher um zwei vollkommen unterschiedliche Leistungserbringer mit unterschiedlichen Geschäftsmodellen, Betriebsabläufen, Abrechnungswegen und vertraglichen Ausgestaltungen. Diese seien daher auch unterschiedlich zu behandeln.

In den Apotheken machten Verbandmittel auch nur einen sehr geringen Anteil am Gesamtumsatz aus, bei den sonstigen Leistungserbringern sehe das anders aus. Daher hätten Spezialversorger aufgrund ihrer abweichenden Warenbezugsstrukturen oft günstigere Einkaufskonditionen, zum Beispiel höhere Lieferantenrabatte. Im Übrigen gebe es keinen Grund für das Eilverfahren, denn im konkreten Fall würde sich das Abrechnungsvolumen von rund sechs Millionen Euro pro Jahr nur auf 5,2 Millionen Euro reduzieren.

Verhandlungen sind Pflicht

Das sah nach dem Sozialgericht in Freiburg auch das Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) so: Zwar sei ein Rechtsschutzbedürfnis gegeben, denn laut § 127 Sozialgesetzbuch (SGB V) hätten Krankenkassen jedem Leistungserbringer – zumindest im Zusammenhang mit der Versorgung mit Hilfsmitteln – „Vertragsverhandlungen zu ermöglichen“, zitiert das Gericht. „Durch diese Ergänzung macht der Gesetzgeber deutlich, dass einseitige Vertragsvorgaben jedweder Art durch die Krankenkasse – einschließlich sogenannter Open-House-Modelle – für Hilfsmittelverträge nicht zulässig sind“, so das LSG. „Die Krankenkassen dürfen also die Aufnahme von Vertragsverhandlungen nicht ablehnen, weil sie meinen, bereits genügend Leistungserbringer unter Vertrag zu haben.“

Allerdings sei streitig, ob diese eben nur für Hilfsmittel formulierte Vorschrift auch bei Versorgungsverträgen über Verbandmittel greife. Das Bundessozialgericht (BSG) habe dies zwar für Harn- und Blutteststreifen bejaht. Dies sei aber nur der Nähe zum Hilfsmittelbereich geschuldet gewesen, denn leistungsrechtlich seien diese Produkte zusammen mit Arznei- und Verbandmitteln zu sehen.

Ob die Vorschrift also auch auf Verbandmittel anzuwenden ist, vermochte das OLG im Eilverfahren nicht zu entscheiden. Dafür spreche immerhin, dass im SGB V an anderer Stelle im Zusammenhang mit Datenübermittlungspflichten explizit auch für sonstige Hersteller von Verbandmitteln geregelt seien. Aber: „Eine eigenständige Regelung der Beziehungen der Krankenkassen zu den sonstigen Leistungserbringern von Verbandmitteln findet sich im [...] SGB V nicht.“

Keine Aussicht auf Verbesserung

Grundsätzlich könnten diese Fragen im Eilverfahren deswegen offenbleiben, da bereits kein konkreter erheblicher Nachteil dargelegt wurde, welcher bei Nichtaufnahme von Vertragsverhandlungen drohen würde. Denn diese würden ergebnisoffen geführt und hingen vom Verhandlungsgeschick der Beteiligten ab. Die für den einstweiligen Rechtsschutz notwendige „Nachteilsschwere“ fehle also von vornherein, worauf das Unternehmen sogar selbst hingewiesen habe: Es sei davon auszugehen, dass der Verhandlungsanspruch nicht zu einem höheren Vergütungsanspruch als aktuell noch bei den Apotheken führen werde, hieß es im Antrag.

„Vorliegend ist die Antragstellerin nicht vom Markt ausgeschlossen, sondern kann die von ihr hergestellten Verbandmittel zu den Konditionen des Open-House-Vertrages, dem sie beigetreten ist, abrechnen. Lediglich bezüglich einer etwaigen Mehrvergütung in unbekannter Höhe wäre sie auf eine nachträgliche Geltendmachung verwiesen.“

In diesem Zusammenhang sei allerdings mit dem Medizinprodukte-EU-Anpassungsgesetz (MPEUAnpG) ein Schiedsverfahren eingeführt worden – gerade für Fälle, in denen sich Krankenkassen durch die einseitige Formulierung von Vertragsbedingungen oder den grundlosen Abbruch von Vertragsverhandlungen entziehen wollen. „Vorgesehen ist, dass die Vertragspartner eine unabhängige Schiedsperson anrufen können, die den Inhalt des Vertrages stellvertretend für die Vertragsparteien festlegt.“