Besuch in Linda-Apotheke

Ulla Schmidt (SPD): Versandhandel gehört zur Realität Lothar Klein, 20.09.2018 14:50 Uhr

Berlin - 

2004 hat die damalige Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) mit dem Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GMG) den Apothekenmarkt umgekrempelt: Eine neue Honorarordnung wurde eingeführt, das Mehrbesitzverbot gelockert und der Versandhandel mit Arzneimitteln zugelassen. 14 Jahre später besucht die SPD-Politikerin in ihrer Heimatstadt Aachen eine Apotheke. Zwei Stunden lang hat sich Schmidt die Sorgen des Apothekers und seiner PTA angehört.

Die Elisenbrunnen Apotheke von Dr. Holger Kaupp liegt im historischen Stadtkern Aachens unweit der Theaters und des weltberühmten Doms und gehört zur Linda-Kooperation. Wie es nicht anders sein könnte, ging es im Gespräch auch um die anstehende politische Entscheidung von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) zum Rx-Versandverbot. Der Versandhandel sei eine Vertriebsform, die man angesichts der Realitäten nicht ausschließen könne, sagte Schmidt nach Angaben von Teilnehmern. Er dürfe aber die Versorgung durch Vor-Ort-Apotheken in der Flächen nicht gefährden. Eine Lösung für den schwierigen politischen Spagat konnte und wollte Schmidt naturgemäß nicht anbieten.

Die frühere Bundesgesundheitsministerin berichtete über ihre Erfahrungen mit schwierigen politischen Entscheidungen aus ihrer Amtszeit und versprach, ihre Eindrücke vom Besuch in der Elisenbrunnen Apotheke mit nach Berlin zu nehmen. Ausführlich informierte Kaupp die Ex-Ministerin übe die Erfordernisse und Probleme bei der Heimversorgung durch Apotheken. In diesem Kontext wurde auch über die Verblisterung gesprochen. Schmidt hatte das Thema seinerzeit ebenfalls positiv begleitet und unter anderem das Kohl-Projekt 7x4 gefördert.

Auch eine PTA der Elisenbrunnen Apotheke nahm am Treffen teil: Sie schilderte die aktuellen Probleme in der PTA-Ausbildung. Laut Teilnehmern vertrat Schmidt die Position, dass apothekerliche Leistungen in Gesundheitsversorgung eine größere Rolle spielen sollten.

Eingefädelt hat den Besuch der MVDA als Dachorganisation im Rahmen seiner „MVDA on Tour“. Georg Kippels (CDU) besuchte heute die zur Linda-Kooperation gehörende Mohren Apotheke in Bergheim. Demnächst kommen Tino Sorge (CDU), Roy Kühne (CDU), Karin Maag (CDU), Sylvia Gabelmann (Linke) und SPD-Politikerin Gabriele Kaczmarek in Linda-Apotheken vorbei.

Mit dem GMG sorgte Schmidt 2003 für erheblichen Unruhe unter den Apothekern. Mit dem Gesetz verfolgte die rot-grüne Regierungskoalition unter Bundeskanzler Gerhard Schröder das Ziel, die Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung und damit die Lohnnebenkosten dauerhaft zu senken. Daraus wurde bekanntermaßen nichts. Allerdings wurde eine neue Arzneimittelpreisverordnung eingeführt, die die bisherigen gestaffelten Aufschläge auf Arzneimittel durch einen pauschalen Aufschlag ersetzte.

Das strikte Mehrbesitzverbot wurde gelockert. Vor dem Inkrafttreten des GMG am 1. Januar 2004 durfte ein Apotheker nur eine Apotheke besitzen. Seitdem sind zu vier Apotheken erlaubt. Das Fremdbesitzverbot blieb weiter bestehen. Mit dem GMG wurde aber vor allem der Versandhandels mit Arzneimitteln zugelassen – im Vorgriff auf die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zu DocMorris. Die Preise für OTC-Arzneimittel wurden freigegeben und OTC-Arzneimittel werde seitdem in der Regel nicht mehr von den Krankenkassen erstattet.

Schmidt war von Januar 2001 bis zum Oktober 2009 als Ministerin im Amt. Dies ist die bislang längste Amtszeit in diesem Ressort. Nach der Bundestagswahl 2009 übernahm die FDP das Gesundheitsministerium. Schmidt wurde stellvertretende Präsidentin des Deutschen Bundestages. Seit der letzten Wahl vor einem Jahr ist Schmidt „einfache“ Abgeordnete.

Nur einmal noch wurde sie mit ihrer früheren Politik im Plenum persönlich konfrontiert: Ausgerechnet als das Parlament im November 2016 über das Pharmadialog-Gesetz diskutierte, hatte Schmidt auf dem Präsidentenstuhl Platz genommen. Diese Gelegenheit ließ sich CDU-Gesundheitsexperte Michael Hennrich nicht entgehen.

Als frühere Gesundheitsministerin trage sie die Verantwortung für das aktuelle Dilemma nach dem EuGH-Urteil zur Rx-Preisbindung, sprach Hennrich die hinter ihm sitzende SPD-Frau direkt an. „Ich möchte mit dem Thema Apotheken beginnen, da hinter mir Frau Ulla Schmidt als Präsidentin sitzt, denke ich an den Sündenfall im Jahr 2003, als wir im vorauseilenden Gehorsam unter einer grün-roten Bundesregierung das Versandhandelsverbot [gemeint: dessen Aufhebung, Anm. d. Red.] beschlossen haben“, hob Hennrich an. „Mit der CDU“, ruft Schmidt vom Präsidentensessel in den Saal.

„Ja“, erwidert Hennrich, „aber das war Ihre Initiative. Denn Sie haben uns falsch informiert.“ „Sie haben nämlich gesagt, wenn das Verbot des Versandhandels [s.o.] nicht umgesetzt würde, würde uns der EuGH zurechtweisen“, so Hennrich weiter. Aber der EuGH habe anders entschieden. „Das war eine Fehleinschätzung Ihres Hauses. Deswegen müssen wir uns heute damit auseinandersetzen.“