„Realitätsfremde Blockadehaltung der Kassen“

Tarifplus an Kliniken: Praxen fürchten Abwanderungswelle Patrick Hollstein, 31.05.2023 11:12 Uhr

Die Tarifrunde von 8 Prozent an Kliniken können die Praxen sich nicht leisten – und fürchten eine Abwanderungswelle. Foto: APOTHEKE ADHOC
Berlin - 

Nicht nur den Apotheken macht die Abwanderung von Personal in andere Bereiche große Probleme, sondern auch den Arztpraxen. Die jüngste Tariferhöhung für Ärztinnen und Ärzte an kommunalen Kliniken kommt bei den niedergelassenen Medizinern nicht gut an: Da die Honorare in der ambulanten Versorgung kaum stiegen, könne man kaum mithalten, so der Vorstand der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Berlin.

Folge ist laut KV eine weitere Wettbewerbsverzerrung zwischen ambulantem und stationärem Sektor: „Der Konkurrenzdruck wird weiter zunehmen und es ist zu befürchten, dass die Praxen ihre angestellten Ärztinnen und Ärzte nicht mehr angemessen bezahlen können und damit an zum Beispiel Kliniken verlieren. Außerdem werden noch weniger Kolleginnen und Kollegen bereit sein, in der Niederlassung selbstständig zu arbeiten“, so der Vorstand.

Eine Gehaltserhöhung von mehr als 8 Prozent, um mit den Kliniken mithalten zu können, könnten sich die Praxen schlichtweg nicht leisten: „Wir brauchen eine faire Ausgangssituation beim Werben um qualifiziertes ärztliches Personal. Die ist so lange nicht gegeben, wie die Krankenkassen nicht bereit sind, Honorarerhöhungen zu akzeptieren, die es den Praxen unter anderem ermöglichen, ihr Personal zu halten beziehungsweise neu zu akquirieren.“

Grundsätzlich müsse die Frage gestellt werden, ob „ein Honorarsystem, in dem regelmäßig das Ringen um angemessene und notwendige Honorarerhöhungen einer realitätsfremden Blockadehaltung der Kassen gegenübersteht“, nicht grundsätzlich reformbedürftig sei. „Wir brauchen in den Praxen Stabilität, Planbarkeit und Verlässlichkeit – vor allem aber finanzielle Spielräume, die sich an der Versorgungsrealität orientieren“, heißt es abschließend. Alles andere führe in der Konsequenz zu einem „Ausbluten“ des ambulanten Systems und damit zu einer deutlichen Verschlechterung des Versorgungsangebots für die Patient:innen.