Sterbehilfe: Welche Gesetze gelten in Deutschland? 26.11.2025 14:38 Uhr
Die Debatte um das Thema Sterbehilfe flammte mit dem selbst gewählten Tod der Kessler-Zwillinge Ellen und Alice erneut auf. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hatte 2020 ein wegweisendes Urteil dazu gesprochen: Das im Grundgesetz verankerte allgemeine Persönlichkeitsrecht umfasst laut dem höchsten deutschen Gericht als Ausdruck persönlicher Autonomie ein Recht auf selbstbestimmtes Sterben.
Wer darf in Deutschland Hilfe beim Sterben leisten? Nach einem wegweisenden Urteil aus Karlsruhe ringt die Politik weiter um klare Regeln. Die Zahl jener, die diesen Weg gehen, wächst derweil stetig. Hierzulande wird aber immer noch um rechtliche Regelungen zum sogenannten assistierten Suizid gerungen.
Aktive Sterbehilfe – also eine Tötung auf Verlangen, etwa durch eine Spritze – ist strafbar. Erlaubt ist aber der Abbruch lebenserhaltender Maßnahmen, wenn das dem Willen des Patienten entspricht. Gleiches gilt für indirekte Sterbehilfe. Davon wird gesprochen, wenn es um die Schmerzlinderung geht und Patienten infolge der Medikamente früher sterben. Auch die Beihilfe zur Selbsttötung ist mit dem Urteil wieder straffrei – sie kann in der Beschaffung oder Bereitstellung eines tödlichen Mittels bestehen, das der Patient allerdings selbst einnimmt.
Geschäftsmäßige Sterbehilfe
Die Karlsruher Richter und Richterinnen erklärten den Strafrechtsparagrafen 217, der seit Ende 2015 geschäftsmäßige Sterbehilfe verbot, für nichtig – weil er die Möglichkeiten einer assistierten Selbsttötung faktisch weitgehend entleere. „Geschäftsmäßig“ hat dabei nichts mit Geld zu tun, sondern bezieht sich darauf, dass das Angebot „auf Wiederholung angelegt“ ist.
Aus Sicht des Gerichts schließt das Recht auf selbstbestimmtes Sterben die Freiheit ein, sich das Leben zu nehmen und auf die freiwillige Hilfe Dritter zurückzugreifen. Das gelte ausdrücklich für jeden, nicht nur für unheilbar Kranke. Eine Regulierung sei aber möglich.
Das Urteil verpflichtet Mediziner und Medizinerinnen aber nicht, gegen ihre Überzeugungen Sterbehilfe zu leisten. Auch gibt es keinen Anspruch auf Hilfe.
Reform zur Sterbehilfe
Der Bundestag befasste sich in der vergangenen Legislaturperiode mit einer möglichen Reform. Dabei arbeiteten Abgeordnete verschiedener Parteien je nach persönlicher Überzeugung bei dem Thema zusammen.
Schließlich standen im Juli 2023 Initiativen zweier Abgeordnetengruppen zur Abstimmung. Doch keiner der beiden Vorschläge bekam eine Mehrheit. Beide abgelehnten Gesetzentwürfe sollten Voraussetzungen für eine Suizidhilfe nur für Volljährige festschreiben – auf unterschiedliche Weise. Unter anderem ging es um die Frage, ob Sanktionen im Strafrecht verankert werden sollen.
Neuregelung des assistierten Suizid
Eine neu konstituierte überfraktionelle Gruppe arbeitet nach Auskunft des SPD-Abgeordneten Lars Castellucci wieder an einem Gesetzesentwurf zur Neuregelung des assistierten Suizids. Aktuell würden unterschiedliche Ansätze geprüft und diskutiert, um „ein ausgewogenes Gesetz mit wirksamen Schutzmechanismen zu entwickeln“. Ziel sei, schnellstmöglich eine tragfähige, mehrheitsfähige Lösung vorzulegen. Ein konkreter Zeitpunkt, wann der Vorschlag in den Bundestag eingebracht werden kann, ist aber noch unklar.
„Suizide sind ansteckend“
Eugen Brysch von der Deutschen Stiftung Patientenschutz erklärt: „Suizide sind ansteckend. In organisierter, jederzeit verfügbarer Form entsolidarisieren sie die Gesellschaft.“ Das Karlsruher Urteil sei der erwartbare Startschuss für Sterbehilfeorganisationen und Netzwerke des assistierten Suizids gewesen, „ihr Todesangebot deutschlandweit auszurollen“.
Bei den Anläufen, die organisierte Suizidassistenz gesetzlich zu regeln, habe immer die Frage im Mittelpunkt gestanden, wie freiverantwortliches Handeln des Sterbewilligen überprüft werden könne. Doch es gebe keine Kriterien, die die Autonomie von Entscheidungen zweifelsfrei ermitteln lassen. „Deshalb muss der Bundestag endlich das Handeln des einzelnen Sterbehelfers strafrechtlich in den Blick nehmen“, fordert Vorstand Brysch. „Sein Tun erfordert höchste Sachkunde.“
Kein Geschäft mit Selbsttötung
Er habe zweifelsfrei sicherzustellen, dass der Suizid selbstbestimmt gewünscht werde. Ebenso dürfe die Entscheidung nur ohne Einfluss sowie Druck seitens Dritter zustande kommen. Eine gewerbsmäßige Förderung der Selbsttötung ist aus Bryschs Sicht in jedem Fall zu verbieten. „Denn wo Geld fließt, geht die Selbstbestimmung verloren.“
„Die katholische Kirche spricht sich nachdrücklich gegen alle Formen der aktiven Sterbehilfe und der Beihilfe zur Selbsttötung aus“, heißt es bei der Deutschen Bischofskonferenz. „Sie ist der Überzeugung, dass der Staat dann ein würdevolles Sterben ermöglicht, wenn er die flächendeckende medizinische und pflegerische Begleitung Schwerstkranker und Sterbender in den Mittelpunkt stellt und nach Kräften fördert.“
Suizidprävention stärken
Der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) möchte einem gesellschaftlichen Klima entgegenwirken, „in dem Suizidbeihilfe normalisiert wird“. Auch dürften Menschen nicht unter Druck gesetzt werden, durch Suizid oder Beihilfe zur Selbsttötung aus dem Leben zu scheiden, heißt es auf der Internetseite. Die Suizidprävention müsse daher dringend gestärkt werden.
Weg der Kessler-Zwillinge
Die beiden Frauen haben sich an die Deutsche Gesellschaft für Humanes Sterben (DGHS) gewandt, die wie andere Vereine Sterbebegleitung vermittelt. „Sie hatten uns beide zudem ausdrücklich gestattet, im Nachhinein über die Umstände zu sprechen“, sagt Sprecherin Wega Wetzel.
In Vorgesprächen kläre ein Jurist die sogenannte Freiverantwortlichkeit, also dass niemand beispielsweise aus einer psychischen Krise heraus entscheidet. Ein Arzt lege dann an einem gewählten Termin einen Zugang, über den der Mensch, der seinem Leben ein Ende setzen möchte, sich selbst ein hochdosiertes Narkosemittel spritze. Danach werde die Polizei verständigt.
Bei der DGHS hatten sich den Angaben zufolge 2022 noch 229 Menschen für eine solche Form des begleiteten Sterbens entschieden, in diesem Jahr schon rund 800. Der Großteil sei 80 bis 90 Jahren alt, sagt Wetzel.
Hilfe bei Suizidgedanken
Wer von Suizidgedanken betroffen ist, sollte sich schnellstmöglich Hilfe holen. Eine wichtige Anlaufstelle ist die Telefonseelsorge, die 24 Stunden an 365 Tagen im Jahr erreichbar ist. Unter den kostenlosen Rufnummern 0800-1110111 und 0800-1110222 bieten die geschulten Berater Unterstützung an.