Dienstaufsichtsbeschwerde wegen Regressen

Siemens-BKK: Ärzte zeigen Kasse an Patrick Hollstein, 11.11.2022 08:07 Uhr

Dermatologen nehmen jetzt die Siemens-BKK wegen Regressen in Regress. Foto: APOTHEKE ADHOC
Berlin - 

Die Siemens-Betriebskrankenkasse (SBK) hat Regressforderungen gegen zahlreiche Ärzt:innen gestellt. Es geht um den Einsatz von teuren Biologika. Der Berufsverband der Deutschen Dermatologen (BVDD) spricht von unrechtmäßigen Regressen für korrekte Verordnungen und hat Dienstaufsichtsbeschwerde eingereicht – mit einer Begründung, die es in sich hat.

Laut BVDD erhalten Dermatologinnen und Dermatologen bundesweit derzeit Post von der jeweils zuständigen Prüfstelle auf Landesebene. Der Grund: Die SBK behauptet, dass moderne Biologikatherapien bei Psoriasis ohne eine angeblich erforderliche Vortherapie erfolgt seien. Doch die betroffenen Arzneimittel haben laut BVDD aber eine Zulassung als Firstline-Therapie. Präsident Dr. Ralph von Kiedrowski sieht im Verhalten der Kasse daher den bewussten Versuch, Ärztinnen und Ärzte bei der Verordnung von hochpreisigen Therapien zu verunsichern. Der Verband hat daher beim Bundesamt für Soziale Sicherung (BAS) eine Dienstaufsichtsbeschwerde eingereicht.

Die SBK bestätigt den Sachverhalt: Im Rahmen des gesetzlichen Auftrags zur Wirtschaftlichkeitsprüfung ärztlich verordneter Leistungen habe man 96 Ärztinnen und Ärzte aus Dermatologie und Allgemeinmedizin angeschrieben, die Biologika aus der Wirkstoffgruppe der TNF-alpha Inhibitoren sowie der Interleukine verordnet hatten. Diese seien zwar auch als Firstline-Therapie zugelassen. Nach aktueller S3-Leitlinie müssten hierfür allerdings weitere Voraussetzungen gegeben sein. „In den Fällen, in denen uns keine Information vorlag, dass diese Voraussetzungen erfüllt wurden, haben wir Regressanträge an die Prüfstellen versandt“, so eine Sprecherin. „Dies ist ein reguläres Vorgehen in der gesetzlichen Krankenversicherung.“ Im Durchschnitt gehe es um rund 3000 Euro pro Antrag.

Hundertausende Euro

Laut BVDD belaufen sich die Regressbeträge dagegen durchweg auf hohe vier- bis fünfstellige Eurobeträge, eine hohe zweistellige Anzahl an Prüfverfahren sei eingeleitet worden. In Summe gehe es daher um mehrere hunderttausend Euro. Der Verband unterstellt der Kasse grobe Fahrlässigkeit oder gar Vorsatz: „Eine sorgfältige Sachverhaltsprüfung hätte ergeben, dass in allen Fällen nicht der geringste Verdacht bestand, der die Einleitung einer Wirtschaftlichkeitsprüfung und die Festlegung eines Regressbetrages gerechtfertigt hätte“, so von Kiedrowski.

In allen Fällen sei die gleiche und pauschalierte Antragsbegründung einer fehlenden Firstline-Therapie bei der Verordnung verschiedener Antikörpertherapien bei Psoriasis aufgeführt worden. „Auf Nachfrage musste die SBK einräumen, Patientenunterlagen zur angeblich nicht erfolgten Einstiegstherapie gar nicht mehr vorliegen zu haben, da man diese nur zehn Jahre aufbewahren würde“, berichtet der BVDD-Präsident aus persönlicher Erfahrung.

Spieß umgedreht

Bei seiner Dienstaufsichtsbeschwerde dreht der BVDD den Spieß um – und begründet diese seinerseits mit einem angeblichen Verstoß gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot: „Die Einleitung solcher unrechtmäßigen und unprofessionellen Prüfverfahren verursacht unnötige Kosten sowohl für die gesetzlich versicherten Beitragszahler als auch für die Ärzteschaft, da die Gemeinsamen Prüfeinrichtungen hälftig finanziert werden.“ Der Verbandschef kündigt zudem an, dass die betroffenen Dermatologinnen und Dermatologen den für sie entstandenen Schaden – Arbeitszeit für ungerechtfertigte Stellungnahmeverfahren – zivilrechtlich geltend machen werden.

„Wir können nur unsere Fassungslosigkeit über diesen Vorgang kundtun, der aber wohl die derzeit vorherrschende mangelhafte Wertschätzung der Ärzteschaft seitens der Kostenträger widerspiegelt. Ärztinnen und Ärzte könnten sich eine solche Fahrlässigkeit in ihrer täglichen Arbeit nicht leisten“, betont der BVDD-Präsident.