Arzneimittelausgaben

BPI: Was nix ist, kost' auch nix Lothar Klein, 22.09.2016 14:31 Uhr

Berlin - 

Alle Jahre wieder ärgern sich die Pharmahersteller über den seit 1986 erscheinenden Arzneiverordnungsreport (AVR). Nicht darüber, dass Herausgeber Professor Dr. Ulrich Schwabe die Arzneimittelpreise unter die Lupe nimmt. Aber darüber, dass dabei immer mal wieder Fehler unterlaufen, die nicht offiziell korrigiert werden. Mal wird die Mehrwertsteuer falsch gerechnet, mal stimmt der internationale Preisvergleich nicht. „Wir haben viele Jahre versäumt, genauer reinzuschauen“, bekennt Dr. Norbert Gerbsch, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Pharmazeutischen Industrie (BPI).

Nächsten Montag ist es wieder soweit. Schwab legt den aktuellen AVR vor. Der BPI erwartet das jährliche Ritual – das „Zwei-Milliarden-Euro-Mantra“. Stets wird im AVR darauf verwiesen, dass das mit dem AMNOG anvisierte Sparziel nicht erreicht wird. „Seit Jahren ärgern wir uns darüber maßlos“, räumt Gerbsch ein. Schließlich werde die Pharmaindustrie in den Medien, aber auch von der Politik mit den Aussagen des AVR konfrontiert.

Auch in diesem Jahr geht der BPI wieder vorab in die Gegenoffensive. Die Experten haben gerechnet – und wenig überraschend ermittelt, dass das AMNOG-Sparziel von zwei Milliarden Euro längst übererfüllt ist. Unstrittig ist aus Sicht des BPI, dass sich die Rabatte aus den AMNOG-Erstattungsbeträgen für neue Arzneimittel inzwischen auf 800 Millionen Euro summieren. „2016 kommen wir klar über eine Milliarde Euro“, so Gerbsch.

Aber es gibt noch eine unsichtbare, unbezifferte Seite der AMNOG-Medaille: nämlich der vermiedene Umsatz der Arzneimittel, die im AMNOG-Verfahren durchgefallen oder aus anderen Gründen nicht am deutschen Markt sind. Der BPI hat nachgezählt: 18 Arzneimittel wurden nach BPI-Angaben vom deutschen Markt zurückgezogen. Und 28 Arzneimittel erst gar nicht eingeführt.

Diese hat der BPI mit dem halben GKV-Durchschnittumsatz der im AVR aufgeführten 250 führenden patentgeschützten Arzneimittel bewertet. „Das ist keine exakte Zahl“, räumt Gerbsch selbstkritisch ein – aber immerhin eine statistische „Abschätzung“. Das Ergebnis überrascht nicht: Die spekulativen Minderausgaben für Marktrückzüge summieren sich auf gut 500 Millionen Euro und die Minderausgaben aus Nicht-Einführungen nochmals auf gut 800 Millionen Euro.

Unter dem Strich kommt der BPI auf „Minderausgaben durch AMNOG unter diesen Annahmen“ in Höhe von 2,16 Milliarden Euro. „Das ständige Klagen, das Einsparziel werde verfehlt, geht an der Realität vorbei“, lautet das Fazit der BPI-Hochrechnung.

Auch einen zweiten immer wiederkehrenden Aspekt des AVR hat sich der BPI genauer angeschaut – den Ländervergleich. Jedes Jahr sucht sich der AVR ein anderes Land aus, mit dem er die deutschen Arzneimittelpreise vergleicht. Jedes Jahr kommt der AVR zu dem Ergebnis, die deutschen Preise seien zu hoch und es gebe erhebliches Sparpotential zugunsten von Krankenkassen und Beitragszahlern. Und jedes Jahr kritisiert der BPI die methodischen Fehler.

Am Beispiel der Niederlande hat der Pharmaverband nachgerechnet: Verglichen hat der BPI 52 im AMNOG-Verfahren bewertete und verhandelte Präparate zum Apothekenverkaufspreis (AVP). Nach Anzug der Mehrwertsteuer (in Deutschland 19 Prozent, in den Niederlanden 6 Prozent) kommt der BPI zu dem Ergebnis, dass der Preisunterschied nur 2,9 Prozent beträgt. Wie mit dem AMNOG beabsichtigt, habe sich das Preisniveau in Deutschland dem europäischen Durchschnitt angenähert, vermeldet der BPI.

Und damit auch die letzten Zweifel ausgeräumt werden, hat der BPI die Gesundheitsausgaben seit dem Jahr 2000 zu Rate gezogen: Der Anteil am Bruttoinlandsprodukt ist von 10,1 auf 11,2 Prozent gestiegen – keine Kostenexplosion also.

Vor allem aber bietet der Kostenanteil der Hersteller an den Gesamtausgaben keinen Grund zur Klage: Nach Abzug von gesetzlichen Abschlägen, den Margen des Großhandels und der Apotheken und nach Abzug der Mehrwertsteuer beläuft sich der tatsächliche Anteil der Arzneimittelhersteller an den gesamten GKV-Ausgaben auf 9,7 Prozent. Seit 1997 ist dieser Anteil von knapp unter 8 Prozent gestiegen. BPI: „Der Anteil der Pharmazeutischen Industrie an den Ausgaben der GKV liegt seit Jahren nahezu konstant bei rund 10 Prozent.“