Rx-Boni

Gröhe will Apotheken schützen Lothar Klein, 19.10.2016 10:17 Uhr

Berlin - 

Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) hat mit einer knappen Aussage auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) zu Rx-Boni reagiert: „Für die Bundesregierung hat die Sicherstellung der flächendeckenden und wohnortnahen Arzneimittelversorgung oberste Priorität“, teilte das BMG als erste Reaktion mit. Man müsse zunächst die Urteilsbegründung abwarten und werde diese „sorgfältig prüfen“. Keine Aussagen wollte das BMG zu möglichen Maßnahmen wie einem Rx-Versandhandelsverbot treffen.

Der Europäische Gerichtshof stufe das Rx-Boni-Verbot in seinem Urteil als eine nicht gerechtfertigte Beschränkung des grenzüberschreitenden Warenverkehrs ein. „Die deutsche Regelung zum einheitlichen Apothekenabgabepreis bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln ist damit auf Versandapotheken mit Sitz im EU-Ausland nicht mehr anwendbar“, so das BMG.

Der einheitliche Apothekenabgabepreis diene dem Ziel, für die Verbraucher in ganz Deutschland – auf dem Land ebenso wie in der Großstadt – gleiche Preise für verschreibungspflichtige Arzneimittel sicherzustellen. „Kranke sollen in ihrer besonderen Bedarfssituation nicht auch noch Preise zwischen Apotheken vergleichen müssen“, so das BMG. Auch die Apotheken erhielten damit für diesen Bereich der Arzneimittelabgabe flächendeckend gleiche Wettbewerbsbedingungen. Dies gewährleiste eine flächendeckende, wohnortnahen Arzneimittelversorgung durch öffentliche Apotheken.



Gröhe: „Wir werden das heutige Urteil des EuGH sorgfältig auswerten und die Urteilsbegründung auf die sich daraus ergebenden Konsequenzen für das deutsche Arzneimittelpreisrecht prüfen. Ich bin fest entschlossen, das Notwendige und das uns Mögliche zu tun, damit die flächendeckende Arzneimittel­versorgung auf hohem Niveau durch ortsnahe Apotheken weiterhin gesichert bleibt. Für die Menschen in unserem Land ist Qualität und Sicherheit in der Arzneimittelversorgung unabdingbar mit einem flächendeckenden Netz wohnortnaher Apotheken verbunden. Der Versandhandel kann die wohnortnahe Versorgung durch Präsenzapotheken nicht ersetzen. Bewährte Strukturen gilt es deshalb weiter zu erhalten. Hierzu gehört die inhabergeführte Apotheke. Die pharmazeutische Tätigkeit steht bei ihr eindeutig stärker im Fokus. Und die unmittelbare persönliche Verantwortung der freiberuflich tätigen Apothekerinnen und Apotheker ist ein Garant dafür, dass sich die Menschen vor Ort kompetent sowie vertrauensvoll beraten und versorgt fühlen.“

Der EuGH hat die Rx-Festpreisbindung als nicht gerechtfertigte Beschränkung des freien Warenverkehrs für unzulässig erklärt. Zur Begründung führen die Richter aus, dass sich die Festlegung einheitlicher Abgabepreise auf in anderen Mitgliedstaaten ansässige Apotheken stärker auswirkt, sodass der Zugang zum deutschen Markt für Erzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten stärker behindert werden könnte als für inländische Erzeugnisse.

Der Versandhandel stelle für ausländische Apotheken ein wichtigeres beziehungsweise sogar das einzige Mittel dar, um einen unmittelbaren Zugang zum deutschen Markt zu erhalten. Der Preiswettbewerb könne für Versandapotheken ein wichtigerer Wettbewerbsfaktor sein als für traditionelle Apotheken, die besser in der Lage seien, Patienten durch Personal vor Ort individuell zu beraten und eine Notfallversorgung mit Arzneimitteln sicherzustellen.

Grundsätzlich könne zwar eine Beschränkung des freien Warenverkehrs mit dem Schutz der Gesundheit und des Lebens gerechtfertigt werden, doch ist laut EuGH die Preisbindung zur Erreichung dieser Ziele nicht geeignet. „Es wurde insbesondere nicht nachgewiesen, inwiefern durch die Festlegung einheitlicher Preise eine bessere geografische Verteilung der traditionellen Apotheken in Deutschland sichergestellt werden kann.“

Laut EuGH legen im einige eingereichte Unterlagen nahe, „dass mehr Preiswettbewerb unter den Apotheken die gleichmäßige Versorgung mit Arzneimitteln fördern würde, da Anreize zur Niederlassung in Gegenden gesetzt würden, in denen wegen der geringeren Zahl an Apotheken höhere Preise verlangt werden könnten“.

Zudem lägen keine Belege dafür vor, dass durch Preiswettbewerb wichtige Leistungen wie die Notfallversorgung in Deutschland nicht mehr zu gewährleisten wären, weil sich die Zahl der Präsenzapotheken in der Folge verringern würde. „Andere Wettbewerbsfaktoren wie die individuelle Beratung der Patienten durch Personal vor Ort könnten den traditionellen Apotheken nämlich eventuell dabei helfen, konkurrenzfähig zu bleiben.“

Es könnte sich auch herausstellen, dass für die traditionellen Apotheken, wenn sie sich einem Preiswettbewerb der Versandapotheken gegenübersehen, sogar ein Anreiz dazu bestünde, mehr Leistungen im Allgemeininteresse wie die Herstellung von Rezepturarzneimitteln anzubieten. „Ein Preiswettbewerb könnte auch den Patienten Vorteile bringen, da er es gegebenenfalls ermöglichen würde, verschreibungspflichtige Arzneimittel in Deutschland zu günstigeren Preisen anzubieten als sie derzeit festgelegt werden.“