Wirtschaftlichkeitsprüfung

AOK will Polizei für Generika Franziska Gerhardt, 05.06.2014 15:25 Uhr

Berlin - 

Dass die Politik auf die Wirtschaftlichkeitsprüfung verzichten will, finden die Kassen schlecht. AOK-Chef Uwe Deh findet, dass Generika profitieren, solange Ärzte für die Verordnung teurer Präparate bestraft werden können. Bei der Jubiläumsveranstaltung des Branchenverbands Pro Generika in Berlin konstatierte Deh, die geplante Abschaffung der Regresse bis Ende 2014 sei eine Gefahr für die Akzeptanz von Generika. Die Prüfung habe einen „Polizeieffekt“ und motiviere zum vermehrten Einsatz von Generika.

Außerdem kritisierte Deh die Substitutionsliste des gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA). Sie erschwere die Durchdringung des Marktes mit Generika nach dem Patentablauf, da in der bisherigen Liste noch patentgeschützte Arzneimittel enthalten seien. Wolfgang Späth, Vorsitzender von Pro Generika, stimmte dem nicht zu: Er sehe die Situation nicht so dramatisch und glaube nicht, dass die Liste so groß werden, dass es wirtschaftliche Folgen haben werde, sagte Späth.

Deh konstatierte insgesamt eine kontinuierliche Zunahme der Generikaquote. Heute liege der Anteil bei rund 94 Prozent. Dies seit auch mit der Hilfe der Krankenkassen zustande gekommen, sagte Deh: „Die regulierenden Marktmechanismen in der gesetzlichen Krankenversicherung sind ein Verstärker für den Markterfolg der Generika in Deutschland.“

In der PKV hingegen liege die Generikaquote derzeit bei rund 57 Prozent, sagte Deh. Er kritisierte ein „mangelndes Preisbewusstsein“ sowohl bei Ärzten als auch bei Patienten: Es gebe in der PKV keine Strategie, um Einsparpotenziale zu erschließen.

Insgesamt hätten die Kassen 2013 mit Rabattverträgen 2,9 Milliarden Euro gespart, sagte Späth. Allerdings steige der Kostendruck für die Industrie weiter: Dies sei einerseits der Umsetzung der Maßnahmen aus dem EU-Pharmapaket geschuldet, das eine Umstellung des Pharmakovigilanz-Systems und neue Gebühren der europäischen Arzneimittelagentur EMA mit sich bringe. Andererseits müssten auf fast allen Packungen ab 2017/2018 aufwändige Sicherheitsmerkmale angebracht werden.

15 bis 30 Prozent der generischen Produkte würden 2013 und 2014 aus dem Vertrieb genommen, sagte Späth. Eine Marktverengung sei die Folge. „Bei vielen wichtigen Produkten sichern lediglich drei Unternehmen die Versorgung“, so Späth. Die Krankenkassen schrieben Rabattverträge für einzelne Wirkstoffe europaweit aus. Durch die Vorgaben sei die richtige Verordnung für Ärzte und Patienten inzwischen sehr schwierig geworden.

Dass Rabattverträge keinesfalls Verursacher von Lieferengpässen bei Generika seien, findet Harald Möhlmann, Geschäftsführer Versorgungsmanagement der AOK Nordost. Zunächst führe der Lieferengpass eines Rabattarzneimittels nicht zu einem Versorgungsengpass, da dann die Substitution greife und Apotheker ein Alternativarzneimittel abgeben könnten, argumentierte Möhlmann.

Die verbreitete öffentliche Wahrnehmung, dass Rabattverträge die Hersteller zur Senkung der Produktionskosten zwingen und dadurch Produktionsstätten ins Ausland verlagert würden, sei falsch. Auch ohne Rabattverträge würden Produktionskosten optimiert, und die Verlagerung ins Ausland sei in globalisierten Märkten üblich, sagte Möhlmann. Diese veränderte Angebotssituation könne zu Engpässen führen – unabhängig davon, ob Rabattverträge bestünden oder nicht.

Die Schwierigkeiten bei der Ausrichtung von Produktionskapazitäten und der Beschaffung von Rohstoffen und Materialen beschrieb Stada-Geschäftsführer Lothar Guske. Unsicherheiten bei Lieferzyklen führten zu Über- oder Unterbeständen. Das habe einen direkten Einfluss auf die Liefersituation, so Guske. Das Ausschreibungssystem sorge für Pflichtlieferanten im System. So sei kein spontaner Austausch vor Ort möglich, das führe zu einem erhöhen Aufwand.

„Werden Produkte für einen Zeitraum von zwei Jahren nicht vermarktet und sind zudem exklusiv auf Produktionslinien geplant, hat das zwangsläufig Auswirkungen auf Produktionsstätten und Personal“, sagte Guske. Die Kassen müssten erkennen, dass bei der derzeitigen Vorgehensweise die Leistungsfähigkeit des Systems in seiner Vielseitigkeit stark gefährdet sei. Die Zahl der Anbieter nehme schon jetzt erkennbar ab. Neue notwendige und günstige Generika könnten seltener eingeführt werden.