Versandapotheken

Pille rezeptfrei – Rechtsverstöße inklusive Isaac Bah, 24.04.2012 10:32 Uhr

Berlin - 

Kontrazeptiva gibt es in Deutschland nur auf Rezept, in England genügt dafür ein virtueller Besuch beim Internetarzt. Mit diesem Angebot werben britische Online-Händler auch um deutsche Kunden. Zwar sind derartige Online-Rezepte laut Bundesgesundheitsministerium (BMG) hierzulande unzulässig, dennoch sind den deutschen Behörden die Hände gebunden.

 

Der Internet-Anbieter „Pille-rezeptfrei“ trägt das umstrittene Geschäftsmodell sogar im Namen. Auf der Homepage des Versenders heißt es: „Online rezeptfrei bestellen – Kein Arztbesuch notwendig“. Die Versandapotheke hat ihren Sitz in London. Genau genommen sind Kontrazeptiva auch in Großbritannien nicht ohne ärztliche Verordnung verfügbar, doch zumindest der Gang zum Gynäkologen entfällt.

Um ein Rezept zu erhalten, genügt es, sich bei „Pille-rezeptfrei“ zu registrieren und einen Fragebogen auszufüllen. Darin werden unter anderem Angaben zum allgemeinen Gesundheitszustand, zum Alter, Gewicht und zu früheren Medikationen abgefragt. Ein Online-Arzt überprüft die Informationen und stellt das angeforderte Rezept aus. Anschließend leitet er es an die britische Versandapotheke weiter.

Die Versender berufen sich auf EU-Recht: Laut einer Richtlinie zur grenzüberschreitenden Gesundheitsversorgung dürfen Patienten jeden Arzt in der EU aufsuchen. Da Online-Ärzte in Großbritannien zugelassen sind, dürfen sich auch Patienten aus anderen EU-Staaten an sie wenden, so das Argument.

 

 

Das Ausstellen von Rezepten per Ferndiagnose ist in Deutschland aber ebenso unzulässig wie die Zuweisung von Rezepten durch Ärzte an Apotheker. Somit verstoßen britische Versender wie „Pille-Rezeptfrei“ zum einen gegen die in Deutschland geltende ärztliche Musterberufsordnung, zum anderen gegen das Apothekengesetz.

Die Kontrolle und Einhaltung der Rechtsvorschriften gestaltet sich jedoch schwierig. Laut BMG sind die Bundesländer für die Überwachung des Versandhandels mit Arzneimitteln zuständig. Diese Aufgabe übernimmt die Zentralstelle der Länder für Gesundheitsschutz (ZLG). Die Behörde darf die Versender aber lediglich kontrollieren und kann gegenüber den Bundesländern Empfehlungen aussprechen.

Die wiederum haben gegenüber Versandapotheken mit Sitz im Ausland keine Befugnisse. Eine ZLG-Sprecherin erklärte, dass bei grenzübergreifenden Fragen das BMG hinzugezogen werde, um Amtshilfe der zuständigen ausländischen Behörden anzufordern.

 

 

„Pille-Rezeptfrei“ ist dem BMG wohlbekannt. Ein Apotheker aus Baden-Württemberg hatte Ende März in der Friedrichstraße nachgefragt, was das Ministerium gegen derartige Auswüchse des Arzneimittelversandhandels unternehme.

In einer Stellungnahme verwies das Ministerium daraufhin auf die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) aus dem Jahr 2003, nach dem es im Ermessen der EU-Mitgliedsstaaten liege, den Versandhandel mit verschreibungspflichtigen Medikamenten zuzulassen.

Bei der britischen Aufsichtsbehörde hieß es auf Nachfrage, dass über ein Amtshilfegesuch seitens des BMG in diesem Fall nichts bekannt sei.