Interview Rolf Schwanitz

Pick up: Rechtswirklichkeit zur Kenntnis nehmen Alexander Müller, 27.03.2009 11:28 Uhr

Berlin - 

Der Versandhandel mit Arzneimitteln sowie Pick up-Stellen in Drogeriemärkten wurden in dieser Woche im Gesundheitsausschuss des Bundestages diskutiert. Auch im Rahmen der 15. Novelle des Arzneimittelgesetzes waren und sind Einschränkungen des Versandhandels im Gespräch. Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) lehnt dies ab. Mit den Verhandlungen für das Ministerium ist Rolf Schwanitz (SPD) betraut. APOTHEKE ADHOC sprach mit dem Parlamentarischen Staatssekretär über Pick up-Stellen, ein Rx-Versandverbot und sein Verhältnis zur ABDA.

ADHOC: Wie bewertet das BMG die Entwicklung der Pick up-Stellen?
Schwanitz: Wir beobachten die Entwicklung sehr aufmerksam. Das Bundesverwaltungsgericht hat entschieden, dass Bestell- und Abholservices für Arzneimittel in dm-Drogeriemärkten zulässig sind. Es hat betont, dass die Verantwortung für die Abgabe von Arzneimitteln auch dort beim versendenden Apotheker verbleibt und die Drogeriemärkte nur als reine Mittler einer Transportkette in Erscheinung treten.

ADHOC: Welche Grenzen sollten Pick up-Konzepten gesetzt werden? Sind für das BMG auch Abholstationen in Tankstellen, Kiosken etc. denkbar?
Schwanitz: Das Ministerium tritt gegen einen Wildwuchs von Bestell- und Abholservices für Arzneimittel ein. Kioske oder Tankstellen sind dafür ungeeignet. Gerade aus diesem Grund haben wir unlängst Vorschläge für präzisere Anforderungen an die Bestell- und Abholservices unterbreitet, die leider nicht auf die Zustimmung der ABDA gestoßen sind.

ADHOC: Wie könnten diese Anforderungen aussehen?
Schwanitz: Wir haben zum Beispiel vorgeschlagen, Bestell- und Abholservices für Arzneimittel nur dort zu erlauben, wo freiverkäufliche Arzneimittel verkauft werden können und eine sachverständige Aushändigung der Arzneimittel möglich ist. In einer solchen Umgebung ist Verbraucherinnen und Verbrauchern deutlich, dass es sich bei Arzneimitteln nicht um eine Konsumware handelt. Wir haben zudem eine Anzeigepflicht und Kontrolle durch die Aufsichtsbehörden vorgesehen. Dies setzt aber auch eine entsprechende Bereitschaft seitens der Länder voraus.

ADHOC: Wie wichtig ist dem BMG die Apothekenpflicht?
Schwanitz: Bei Arzneimitteln handelt es sich um Waren besonderer Art. Bei der Abgabe von Arzneimitteln durch Apotheken an die Patientinnen und Patienten ist die fachkundige Beratung durch qualifiziertes Personal von großer Bedeutung. Dies ist aus Sicht des BMG ein wichtiger Baustein der Arzneimitteltherapiesicherheit. Diese Beratung gewährleisten Präsenz- und Versandapotheken gleichermaßen.

ADHOC: Pick up-Gegner befürchten, dass durch schärfere Auflagen „Apotheken Light“ entstehen.
Schwanitz: Diese Gefahr sehe ich mit den von uns vorgeschlagenen Anforderungen nicht. Man sollte die Rechtswirklichkeit schlicht und einfach einmal zur Kenntnis nehmen. Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts gilt und sollte auch von allen akzeptiert werden. Danach ist der Bestell- und Abholservice keine Verkaufs- oder Abgabestelle für Arzneimittel. Arzneimittel werden dort lediglich ausgehändigt, während deren Abgabe und die Gesamtverantwortung beim versendenden Apotheker verbleibt. Das ist eindeutig.

ADHOC: Ein Rx-Versandverbot ist kein Thema?
Schwanitz: Der Europäische Gerichtshof hat es in das Ermessen der EU-Mitgliedsstaaten gestellt, den Versandhandel mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln zuzulassen. Dafür haben sich vor über fünf Jahren Bundestag und Bundesrat entschieden und dadurch insbesondere chronisch kranken und immobilen Menschen sowie Berufstätigen ermöglicht, Arzneimittel per Versand zu bestellen. Eine Beschränkung auf nicht-verschreibungspflichtige Arzneimittel würde diesen Zielen nicht hinreichend gerecht. Im übrigen verstieße das Verbot gegen Verfassungsrecht. Es wäre insbesondere ein Eingriff in die grundgesetzlich geschützte Berufsfreiheit.

ADHOC: Wie sieht es mit einem Pick up-Verbot aus?
Schwanitz: Was den Antrag der FDP-Fraktion anbetrifft, so wäre auch ein Verbot der Bestell- und Abholservices für Arzneimittel insbesondere wegen des Eingriffs in die Berufsfreiheit mit dem Verfassungsrecht nicht vereinbar.

ADHOC: In puncto Auflagen für Pick up-Stellen fühlte sich die ABDA in den Verhandlungen zur AMG-Novelle missverstanden. Wie kam es zu diesen Turbulenzen und wie schätzen Sie die Verhandlungen mit der ABDA ein?
Schwanitz: Es gab bei aller unterschiedlichen Bewertung eine gemeinsame Geschäftsgrundlage: Der Versandhandel bleibt in seiner jetzigen Form erhalten, Bestell- und Abholservices für Arzneimittel bleiben möglich, ein Wildwuchs dieser Services soll aber unterbunden werden. Auf dieser Grundlage hat das BMG Anforderungen für den Bestell- und Abholservice für Arzneimittel formuliert. Dem hat die ABDA nicht zugestimmt. Auf Basis der genannten Geschäftsgrundlage sind wir weiterhin gesprächsbereit.