Pflege: Finanzlage angespannt, Pflegereform ohne Strukturreform 02.12.2025 13:19 Uhr
Die Finanzlage der Pflegeversicherung bleibt akut angespannt. Die ersten drei Quartale des laufenden Jahres seien mit einem Defizit in Höhe von 550 Millionen Euro abgeschlossen worden, teilte der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV), der auch die Pflegekassen vertritt, in einer Stellungnahme für den Bundestag mit. Durch ein Bundes-Darlehen von 500 Millionen Euro, das im Oktober geflossen ist, dürfte sich der Mittelbestand zum Jahresende dann „ungefähr wieder auf dem Vorjahresniveau“ befinden.
Die Ausgaben lägen weiterhin über den Einnahmen, heißt es in der Stellungnahme für eine Anhörung im Gesundheitsausschuss an diesem Mittwoch. Für die Folgejahre seien „weitere Milliardendefizite“ zu erwarten, erläutert der GKV-Verband und warnt: „Diese durch immer weitere Darlehen auszugleichen, verschiebt die Probleme nur in die Zukunft.“ Ende 2024 lagen die Reserven (Mittelbestand) der Pflegeversicherung den Angaben zufolge bei 5,34 Milliarden Euro, was einer Monatsausgabe der Pflegekassen entspricht.
Chronische Finanznöte
Die Finanznöte in der Pflege sind schon chronisch geworden, auch nach einer erneuten Beitragsanhebung Anfang 2025. Zur Stabilisierung schießt der Bund in diesem Jahr ein Darlehen von 500 Millionen Euro zu. Im nächsten Jahr sollen nochmals 3,2 Milliarden Euro über Darlehen kommen. Damit hält die Regierung den Beitrag Anfang 2026 stabil.
Vorschläge einer eingesetzten Bund-Länder-Arbeitsgruppe für eine große Finanzreform werden noch im Dezember erwartet. Der Entwurf zu den Beschlüssen der Arbeitsgruppe kursiert bereits. Darin sind die „Eckpunkte für eine nachhaltige Struktur- und Finanzierungsreform in der Pflegeversicherung“ enthalten. Es geht darum, Pflegebedürftigkeit vorab zu vermeiden und zu verzögern; der Entwurf spricht beispielsweise Angebote an, um die häusliche Pflegesituation nachhaltig zu stabilisieren, um unnötige Umzüge in vollstationäre Pflegeeinrichtungen zu vermeiden. Auch Bürokratie soll abgebaut; die Ausgabendynamik gebremst werden.
Thomas Knieling, Bundesgeschäftsführer des Verbands Deutscher Alten- und Behindertenhilfe (VDAB), sieht jedoch nach wie vor Verbesserungspotenzial: „Der Entwurf zu den Beschlüssen der Bund-Länder-Arbeitsgruppe ‚Zukunftspakt Pflege‘ gibt die Richtung für die anstehende Pflegereform vor. Sieht man sich das elfseitige Beschlusspapier an, fällt auf, dass es wohl zu keiner grundlegenden Strukturreform kommen wird. Die Bund-Länder-Arbeitsgruppe adressiert stattdessen durchaus wichtige Einzelthemen und schlägt Maßnahmen vor, die in die richtige Richtung weisen.“
Als positive Maßnahmen seien beispielsweise die Überwindung der Sektorengrenzen, die Harmonisierung von Ordnungs- und Leistungsrecht bei gleichzeitiger Prüfung von Deregulierungspotenzial, schnellere Verfahren in der Hilfe zur Pflege, die Finanzierung der Ausbildungskosten in der Pflege durch Steuermittel sowie praktikablere Verfahren bei der Umsetzung der Tarifpflicht zu nennen. „Die Arbeitsgruppe bleibt allerdings die Antwort auf die Frage schuldig, wie der Zielkonflikt zwischen Ausgabendämpfung im System und der Vermeidung der finanziellen Überforderung von Pflegebedürftigen gelöst werden soll.“
Auf der Ausgabenseite stehe lediglich die Neujustierung der Schwellenwerte zur Einstufung in die Pflegegrade und mehr Prävention, „während der finanzielle Druck für Pflegebedürftige dennoch schnell steigen wird“ – „es wird teuer für die Kassen und für die gesamte Gesellschaft“, ist sich Knieling sicher.