Bundestag

Freier Zugang für Lobbyisten dpa/APOTHEKE ADHOC, 30.11.2015 18:40 Uhr

Berlin - 

Im monatelangen Streit um die Offenlegung der Zugänge von Lobbyisten zum Bundestag hat die Parlamentsverwaltung eine Liste mit rund 400 Firmen und Institutionen vorgelegt. Per Hausausweis ungehindert in die Bundestagsgebäude gelangen können nicht nur Körperschaften, Verbände und Gewerkschaften, sondern auch Waffen-, Versicherungs- und Pharmakonzerne.

Mit dem Hausausweis gelangen vor allem Vertreter von Verbänden aus dem Gesundheitswesen ins Gebäude – und zwar ohne offiziellen Termin. Das gilt allen voran für die Lobbyisten des GKV-Spitzenverbandes, denn sie verfügen über 21 Hausausweise. 13 davon haben CDU/CSU beantragt, acht gehen auf Initiative der SPD zurück.

Mehr Hausausweise als der GKV-Spitzenverband besitzt nur die KfW Bankengruppe – das Staatsunternehmen verfügt momentan über 22 solcher Dokumente. Permanenten Zugang zum Bundestagsgebäude haben auch 14 Vertreter der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV). Dafür haben Politiker von CDU, CSU und SPD gesorgt.

Darüber hinaus wurden aus dem Gesundheitswesen noch einige Krankenkassen von den Fraktionen mit einem Hausausweis ausgestattet. So haben die Barmer GEK, der BKK Landesverband Mitte, die BKK Mittelstandsoffensive und die Schwenniger Krankenkasse permanenten Zugang zu den Gebäuden des Bundestages.

Seitens der Apotheker hat sich die Kammer Niedersachsen über die SPD einen Ausweis verschafft. Der Verband forschender Arzneimittelhersteller (VFA) hat gleich zwei Ausweise, der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) sogar sechs. Auch einige Unternehmensvertreter verfügen über entsprechende Dokumente. Aus der Gesundheitswirtschaft gilt das etwa für Lobbyisten von Bayer. Sie verfügen über sieben Ausweise. Auf je zwei Hausweise kommen B. Braun Melsungen und Merck. Für Lobbyisten von Arvato, Boehringer-Ingelheim, GlaxoSmithKline, MSD Sharp & Dohme, Lilly, Meda, Novartis, Paul Hartmann sowie die deutschen Ableger von Roche und 3M gibt es jeweils ein Dokument.

Weitere Lobbyisten stammen aus den Reihen der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) beziehungsweise der Bayerischen Krankenhausgesellschaft, des Paritätischen Wohlfahrtsverbands, der Deutschen Rentenversicherung Bund, der Debeka, der Deutschen Diabetes Gesellschaft, des Deutschen Hausärzteverbands, der Stiftung für chronisch Kranke und des Aktionsbündnis gegen Aids.

Die Transparenzorganisation Abgeordnetenwatch.de begrüßte die Offenlegung der ausgegebenen Hausausweise. „Es ist überfällig, dass die Bundestagsverwaltung die Lobbykontakte der Fraktionen offenlegt.“ Bislang öffentlich war nur eine Liste mit Verbänden, die prinzipiell den Zugang zum Bundestag beantragen können.

Der Offenlegung gingen längere Auseinandersetzungen voraus. Bereits im April 2014 hatte Abgeordnetenwatch.de die Fraktionen gebeten, die Namen der Interessenverbände zu nennen. Später folgte eine Klage. Mit der aktuellen Veröffentlichung reagierte der Bundestag nun auf eine weitere Klage des Berliner „Tagesspiegels“.

Die Organisation LobbyControl findet besonders auffällig, „dass die Union vielen Lobbyagenturen Zugang zum Parlament verschaffte“. Es handele sich um bestimmte, in der Regel besonders verschwiegene Agenturen und Kanzleien, die Lobbyarbeit im Auftrag von Unternehmen machen. Intransparente Lobbyarbeit habe im Bundestag nichts zu suchen. Mit dabei sind unter anderem FischerAppelt, Steltemeier & Rawe, MSL und Brunswick.

Die Parlamentarische Geschäftsführerin Grünen, Britta Haßelmann, sagte, die Union habe erst aufgrund einer Gerichtsentscheidung ihre Lobbykontakte veröffentlicht. „Das zeigt, wir brauchen ein gesetzliches Lobbyregister und klar definierte Verhaltensregeln für Lobbyisten.“ Dafür müsse die Union den Weg freimachen.