EuGH-Urteil

Rx-Versandverbot: „Zurück ins 20. Jahrhundert“ APOTHEKE ADHOC, 06.11.2016 10:20 Uhr

Berlin - 

Nicht nur die Apotheker schießen „aus allen Rohren“, sondern auch ihre Gegner. Nach dem Chef der Monopolkommission meldet sich deren Ex-Chef zu Wort: In der Welt am Sonntag bezeichnete Professor Dr. Daniel Zimmer das geplante Rx-Versandverbot als „rückwärtsgewandt“. Auch das Fremdbesitzverbot erinnert ihn an das Mittelalter.

„Den Internethandel mit rezeptpflichtigen Medikamenten zu verbieten, ist eine rückwärtsgewandte Politik“, so Zimmer. „Ein solches Verbot wäre nicht nur unzeitgemäß, sondern würde vor allem die medizinische Versorgung chronisch Kranker im ländlichen Raum deutlich verschlechtern. Das wäre ein Schritt zurück in das vergangene Jahrhundert.“

Medikamente seien ein heikles Gut, es gebe daher gute Gründe, die Apotheken nicht komplett zu deregulieren, sagte Zimmer der WamS. „Das darf allerdings nicht so weit gehen, dass man sinnvolle Errungenschaften wie den Online-Handel verbietet, nur um niedergelassenen Apothekern den Status quo zu sichern.“

Kritisch sieht Zimmer auch das Fremd- und Mehrbesitzverbot: „Diese Regelung lässt eher an das Zunftwesen im Mittelalter denken als an eine zeitgemäße Branche.“ Zimmer war von 2008 bis 2016 Mitglied der Monopolkommission, zwischen 2012 und 2016 deren Vorsitzender.

Zuletzt hatte sich der amtierende Chef der Monopolkommission, Professor Dr. Achim Wambach, gegen ein Rx-Versandverbot gestellt. „Durch eine solche Maßnahme wird der Wettbewerb mit Medikamenten im Versandhandel behindert, obwohl gerade dieser künftig an Bedeutung gewinnen wird“, sagte Wambach dem Mannheimer Morgen. Man sollte nicht übersehen, dass der Versandhandel für die wohnortnahe Versorgung der Bevölkerung eine wichtige Funktion erfülle.

Die bisherige Preisbindung bei verschreibungspflichtigen Medikamenten habe für die wohnortnahe Versorgung der Bevölkerung durchaus auch Nachteile, sagte Wambach. So hätten Apotheken derzeit Anreize, sich vor allem dort anzusiedeln, wo die Anzahl an Verschreibungen besonders hoch ist. „Deshalb ist in Deutschland auch die Apothekendichte in den Städten besonders hoch“, sagte Wambach.

Unter Professor Dr. Justus Haucap hatte die Monopolkommission mehrfach die Liberalisierung des Apothekenmarktes gefordert: Apothekenketten erlauben und das Apothekenhonorar zur Verhandlung freigeben. Man dürfe die Arzneimittelsicherheit nicht übertreiben, so sein Argument. Für die PR-Firma „Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft“ (INSM) hatte er 2011 ein Einsparpotenzial von fast 450 Millionen Euro im Apothekenmarkt errechnet. 1000 Apotheken müssten nach der Modellrechnung schließen.