Trotz massiver Lieferengpässe

Nichts gelernt: AOK schließt Antibiotika-Verträge Patrick Hollstein, 20.01.2023 10:24 Uhr

Die AOK startet eine neue Rabattrunde, mit dabei sind ausgerechnet Antibiotika. Foto: Elke Hinkelbein
Berlin - 

Vollkommen unbeeindruckt von den allgegenwärtigen Lieferengpässen hat die AOK ihre mittlerweile 27. Ausschreibung durchgezogen. Ab Juni sollen damit neue Rabattverträge gelten, und zwar für zwei Jahre. Mit dabei sind ausgerechnet Antibiotika und Blutdruckmedikamente.

Ausgeschrieben waren 122 Wirkstoffe; pro Fachlos gab es acht Gebietslose für die unterschiedlichen AOKen. Laut Ausschreibung sollten Rabattverträge mit einem oder – bei ausreichender Anzahl an Angeboten – mit bis zu drei Herstellern geschlossen werden. Tatsächlich gibt es knapp 40 Zuschläge im Mehrpartnermodell, aber mehr als 80 mit Exklusivstatus. Erschwerend für die Apotheken hinzu kommt, dass nicht alle Rabattpartner bundesweit abgegeben werden können. Je nach AOK gibt es teilweise unterschiedliche Anbieter.

Antibiotika und Schnelldreher

Mit dabei sind zahlreiche Schnelldreher wie Amlodipin, Enalapril, Metformin und Metoprolol, Omeprazol, Ramipril, Simvastatin und Valsartan. Aber auch für zahlreiche Antibiotika gibt es neue Verträge.

Dabei zeigt schon ein Blick in die Liste des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), dass es bei mehreren Wirkstoffen einen offiziellen Engpass gibt. Dazu gehören die Antibiotika Amoxicillin, Penicillin, Cefaclor, Cefpodoxim, Cefuroxim und Clarithromycin, aber auch Bisoprolol, Bisoprolol/HCT, HCT und Valsartan. Die Apothekenteams werden in der Liste zahlreiche weitere Wirkstoffe entdecken, die derzeit nur schwer zu beschaffen sind.

Dabei war gerade wegen der schwierigen Liefersituation bei Antibiotika eine Debatte darüber entbrannt, welche Rolle die Rabattverträge und andere Sparinstrumente mit Blick auf die Abwanderung der Produktion in Billilländer und damit die fragilen Lieferketten spielen. Die Kassen argumentieren stets, dass die Ausschreibungen sogar zu einer Stabilisierung beitragen, weil die Hersteller sich zur Bereitstellung ausreichender Liefermengen verpflichten. Allgemein wird eher ein gegenteiliger Effekt gesehen. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) bereitet gerade ein Gesetz vor, mit dem bei Rabattverträgen künftig ein zusätzliches Los auszuschreiben ist, bei dem ergänzend zum Preis das Kriterium „Anteil der Wirkstoffproduktion in der EU“ berücksichtigt wird. „Diese Regelung bezieht sich zunächst auf Arzneimittel zur Behandlung onkologischer Erkrankungen und auf Antibiotika.“ Der Beirat soll aber bei Bedarf weitere Wirkstoffe und Indikationen empfehlen können, die das Bundesgesundheitsministerium (BMG) dann der neuen Regelung unterstellen kann.

AOK wollte Z-Ausschreibung

Allerdings muss man der federführenden AOK Baden-Württemberg zugutehalten, dass sie fünf Antibiotika – Cefaclor, Cefuroxim, Ciprofloxacin, Clarithromycin und Roxithromycin – eigentlich gesondert ausschreiben wollte. Nicht nur der Preis sollte eine Rolle spielen, sondern auch die Lieferkette sowie Umwelt- und Arbeitsschutz. Um 8 Prozent konnten die Bieter gemäß der Ausschreibung „AOK Z1“ („Zukunft Standort/Umwelt) ihre Gesamtwirtschaftlichkeitszahl aufbessern, wenn der gesamte Herstellungs- und Verarbeitungsprozess – beginnend mit der Herstellung aus Grundstoffen bis Verblisterung und Abfüllung – die Anforderungen erfüllt.

Doch mehrere Hersteller versuchten, die Ausschreibung per Nachprüfungsverfahren zu stoppen, darunter solche wie Accord, die ihre Ware vom indischen Mutterkonzern beziehen. Sie erhielten Ende 2020 vor der Vergabekammer des Bundes Recht.

Alle Zuschläge im Überblick

Mehrfachvergabe

Für Antibiotika und zahlreiche weitere Wirkstoffe werden bis zu drei Anbieter unter Vertrag genommen:

  • Amlodipin: AbZ, Dexcel, Hexal
  • Amoxicillin: Micro Labs, 1A, Aristo
  • Amoxicillin/Clavulansäure: Zentiva sowie Puren, Basics, Micro Labs (nur bestimmte Gebietslose)
  • Azithromycin: HEC, Hexal, Ratiopharm
  • Cefaclor: Basics, Aliud
  • Cefpodoxim: Hexal, Aliud, Ratiopharm
  • Cefuroxim: Sun, Aristo sowie Puren, Ascend (nur bestimmte Gebietslose)
  • Ciprofloxacin: Basics, Hexal, HEC
  • Clarithromycin: Basics, HEC sowie Accord, Micro Labs (nur bestimmte Gebietslose)
  • Clindamycin: Aristo, Hexal, CNP
  • Efavirenz/Emtricitabin/Tenofovir: Heumann, Viatris, Glenmark
  • Escitalopram: Micro Labs sowie Glenmark, Heumann, Ratiopharm (nur bestimmte Gebietslose)
  • Fosfomycin: Aristo, Hexal, Eberth
  • Irbesartan: Micro Labs, Zentiva, Hexal
  • Lamotrigin: Puren, Aristo, Heumann
  • Levodopa/Carbidopa (nur Tabletten und Retardtabletten): Neuraxpharm, Viatris, Hexal
  • Levofloxacin: HEC, Heumann sowie Puren, Ratiopharm (nur bestimmte Gebietslose)
  • Linezolid: Ascend, Glenmark, Accord
  • Lisinopril/HCT: Zentiva, Hexal sowie Ratiopharm, Dexcel (nur bestimmte Gebietslose)
  • Losartan: Medical Valley, Ratiopharm sowie Heumann, Hexal (nur bestimmte Gebietslose)
  • Losartan/HCT: Ratiopharm, TAD sowie Medical Valley, Heumann (nur bestimmte Gebietslose)
  • Metformin: Heumann, Hexal, Juta
  • Metoprolol: Viatris sowie Ratiopharm (nur bestimmte Gebietslose)
  • Metronidazol: Aristo
  • Mirtazapin: TAD, Heumann sowie Zentiva, Puren (nur bestimmte Gebietslose)
  • Moxifloxacin: Micro Labs, Heumann sowie Holsten, Hexal (nur bestimmte Gebietslose)
  • Ofloxacin: Dr. Winzer, Stulln, Omnivision
  • Omeprazol: Heumann, Aliud sowie Viatris, Basics (nur bestimmte Gebietslose)
  • Pregabalin: Neuraxpharm, Puren sowie Micro Labs, Betapharm (nur bestimmte Gebietslose)
  • Propiverin (nicht auf Hartkapseln mit veränderter Wirkstofffreisetzung): Apogepha, Aristo, Aliud
  • Risperidon fest/flüssig (nur Filmtabletten/Schmelzfilm/Schmelztabletten und Lösungen zum Einnehmen): Puren, Heumann, Hexal
  • Roxithromycin: Aristo, Heumann, Hexal
  • Simvastatin: Basics, Aristo, Hexal
  • Sumatriptan: Puren sowie Betapharm, Viatris, Hexal (nur bestimmte Gebietslose)
  • Telmisartan/HCT: Micro Labs, Medical Valley sowie Zentiva, Heumann (nur bestimmte Gebietslose)
  • Tramadol: Libra, Hexal, Aliud
  • Valsartan (nur Filmtabletten): Basics, Aliud, Medical Valley

Exklusivvergabe

Nur einen Zuschlag gab es für folgende Wirkstoffe:

  • Acarbose: Aliud
  • Alfuzosin: Zentiva sowie Puren (nur bestimmte Gebietslose)
  • Allopurinol: Ratiopharm sowie HEC (nur bestimmte Gebietslose)
  • Amiodaron: Zentiva sowie Heumann (nur bestimmte Gebietslose)
  • Amisulprid: Puren sowie AAA (nur bestimmte Gebietslose)
  • Amlodipin/Valsartan/HCT: Heumann
  • Anagrelid: Ratiopharm sowie Heumann (nur bestimmte Gebietslose)
  • Atazanavir: Aliud sowie Ratiopharm sowie Viatris (nur bestimmte Gebietslose)
  • Atenolol+Chlortalidon: Hexal
  • Azathioprin: Aliud
  • Bisoprolol: Zentiva sowie Accord (nur bestimmte Gebietslose)
  • Bisoprolol/HCT: Ratiopharm sowie Hexal (nur bestimmte Gebietslose)
  • Bosentan: Heumann sowie Basics (nur bestimmte Gebietslose)
  • Budesonid/Formoterol: Orion
  • Carbimazol: Aristo
  • Carvedilol: Hexal sowie TAD (nur bestimmte Gebietslose)
  • Cinnarizin/Dimenhydrinat: Neuraxpharm
  • Citalopram: Aristo
  • Colestyramin (nicht auf Kautabletten): Hexal
  • Deferasirox: Puren
  • Diclofenac (nicht auf topische Darreichungsformen): Micro Labs
  • Doxazosin: AAA
  • Doxepin: Neuraxpharm
  • Efavirenz (nur auf Filmtabletten mit der Wirkstoffstärke 600 mg): Ratiopharm sowie Puren (nur bestimmte Gebietslose)
  • Enalapril: Aliud
  • Enalapril/HCT: Hexal
  • Entacapon: Orion sowie HEC (nur bestimmte Gebietslose)
  • Ezetimib/Atorvastatin (nur Tabletten/Filmtabletten): Elpen sowie Ratiopharm (nur bestimmte Gebietslose)
  • Felodipin: Heumann sowie Ratiopharm (nur bestimmte Gebietslose)
  • Fexofenadin: Zentiva
  • Finasterid (nicht auf 1 mg-Wirkstoffstärke zur Behandlung der Alopezie): Puren
  • Furosemid: Ratiopharm
  • Gabapentin: Micro Labs
  • Glimepirid: Zentiva
  • HCT: Dexcel
  • Hydroxychloroquin: Heumann
  • Ibandronsäure: Bluefish
  • Icatibant: Glenmark
  • Indapamid: Heumann
  • Isotretinoin: Galen
  • Ivabradin: Medical Valley
  • Lamivudin/Zidovudin: Viatris
  • Lenalidomid: Basics sowie Viatris (nur bestimmte Gebietslose)
  • Lercanidipin: Recordati
  • Levodopa/Benserazid (Mindestindikation: Morbus Parkinson): Devatis
  • Levodopa/Carbidopa/Entacapon: Orion
  • Lisinopril: Ratiopharm sowie Zentiva (nur bestimmte Gebietslose)
  • Melperon: Ratiopharm sowie Aristo (nur bestimmte Gebietslose)
  • Methocarbamol (nur Filmtabletten/Tabletten mit 750 mg und 1500 mg): Aliud
  • Moclobemid: Hexal
  • Modafinil: Heumann
  • Molsidomin: Aliud
  • Moxonidin: Aliud
  • Naltrexon: Accord
  • Nitrendipin: Aristo
  • Paricalcitol: Accord
  • Paroxetin: Hexal
  • Posaconazol: Zentiva sowie Heumann (nur bestimmte Gebietslose)
  • Prucaloprid: Dexcel
  • Ramipril: Zentiva
  • Ramipril/HCT: Zentiva
  • Risperidon parenterale Depotform (nur Pulver und Lösungsmittel zur Herstellung einer Injektionslösung): Ratiopharm
  • Rivastigmin: Heumann
  • Rosuvastatin: Medical Valley
  • Sertralin: Basics sowie Accord (nur bestimmte Gebietslose)
  • Solifenacin: Micro Labs
  • Spironolacton: Accord
  • Sunitinib: Ratiopharm
  • Tadalafil (nur Indikation pulmonale arterielle Hypertonie): Micro Labs
  • Tamsulosin: Sun
  • Terazosin: Aristo
  • Tetrabenazin: Neuraxpharm
  • Tiotropium-Kation (nur auf Hartkapseln mit Pulver zur Inhalation): Ratiopharm
  • Tolterodin: Aristo
  • Topiramat (Mindestindikation: Epilepsie): Puren sowie Heumann (nur bestimmte Gebietslose)
  • Torasemid: Aliud
  • Travoprost: Heumann
  • Trazodon: Glenmark
  • Trimipramin: Neuraxpharm
  • Valaciclovir: Puren
  • Vancomycin: Eberth
  • Verapamil: Viatris
  • Zonisamid: Glenmark

Abgesagte Lose

Keine Zuschläge erteilt wurden bei:

  • Fingolimod (nur Hartkapseln mit 0,5 mg Wirkstoffstärke)
  • Isosorbidmononitrat