Verteilungsvorgaben für Großhandel

Ministerium will „Hortungsbevorratungen“ unterbinden Patrick Hollstein, 19.12.2022 16:34 Uhr

Das Sozialministerium in Baden-Württemberg will „Hortungsbevorratungen“ unterbinden. Foto: Elke Hinkelbein
Berlin - 

Baden-Württemberg fordert vom Bund deshalb eine schnelle Reaktion auf die Engpässe von Arzneimitteln für Kinder. Die
Bundesregierung müsse nun „umgehend geeignete Abhilfemaßnahmen“ ergreifen, heißt es in einem Brief der Amtschefin des
Gesundheitsministeriums, Leonie Dirks, an das Bundesgesundheitsministerium (BMG). Die Mär von hamsternden Apotheken scheint bei ihr verfangen zu haben.

Bei einer Besprechung des baden-württembergischen Ministeriums mit den Gesundheitsämtern im Land sei die weitere Zuspitzung der Lage als „in Teilen dramatisch“ beschrieben worden, heißt es in dem Brief. Dirks kritisiert unter anderem eine Ungleichverteilung bestimmter Arzneimittel in Deutschland: Laut letzten Meldungen des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) scheine zumindest ein Teil der aktuellen Problematik darauf zurückzuführen zu sein.

„Um einer Ungleichverteilung kurativ beziehungsweise prophylaktisch entgegenzuwirken, sollten auf Basis der bereits nach § 52b Arzneimittelgesetz (AMG) zur Verfügung stehenden Mittel, den Großhändlern Vorgaben für eine Bevorratung gemacht werden, die entsprechend des regionalen Bedarfs eine angemessene Versorgung sicherstellen“, heißt es weiter. „Zudem sollten Maßnahmen geprüft werden, um ‚Hortungsbevorratungen‘ zu unterbinden.“

Das Ministerium warnt gleichzeitig davor, auf Arzneimittel für Erwachsene auszuweichen, „da wir darin eine Gefahr von Überdosierungen durch die anwendenden Eltern sehen“. „Auf diese Option sollte nur in Einzelfällen und unter fachkundiger Anleitung durch Apothekerinnen und Apotheker zurückgegriffen werden.“

Rezeptur ohne Nachteile

Apotheken müsse daher die Möglichkeit gegeben werden, im Bedarfsfall anstelle eines nicht verfügbaren Fertigarzneimittels selbst Arzneimittel herzustellen und diese unbürokratisch abzurechnen. „Es muss sichergestellt werden, dass weder den verschreibenden Ärztinnen und Ärzten noch den abgebenden Apothekerinnen und Apothekern dadurch vergütungsrechtliche Nachteile entstehen.“ Dabei sollte ebenfalls sichergestellt werden, dass „Informationen über die regionale Belieferungssituation mit Wirkstoffen (hier vornehmlich Paracetamol und Ibuprofen) offengelegt werden müssen, um eine Ungleichverteilungsproblematik zu vermeiden“.

Auch die Beschaffung dringend erforderlicher Medikamente aus dem Ausland sollte ermöglicht werden, ohne allerdings die Lage in den Herkunftsländern zu verschärfen.

Kammer in Besorgnis

Die Landesapothekerkammer sprach am Montag von einem „besorgniserregenden Versorgungsproblem“, insbesondere bei Kindern mit teilweiseschweren Atemwegsinfekten. „Es stehen weder fiebersenkende Fertigarzneimittel noch bestimmte Antibiotika in ausreichender Menge zur Verfügung.“ Der Aufwand sei kaum mehr zu bewältigen, „da im Schnitt bei jedem zweiten Rezept, das in den Apotheken vor Ort eingereicht wird, ein Problem mit der Lieferbarkeit zumindest bei einem der verschriebenen Medikamente besteht“. Als Grund nannte die Kammer die aktuelle Erkrankungswelle, die Corona-Pandemie sowie der Ukraine-Krieg und die damit einhergehende Energiekrise. Die globalen Produktionsstätten und Lieferketten würden durch die Krisen erheblich beeinträchtigt.

Wenig hält die Landesregierung von der Idee von Nachbarschafts-Flohmärkten im Kampf gegen den Medikamenten-Mangel. Bei so sensiblen Produkten dürfe man keine Abstriche bei der Sicherheit machen, sagte Minister Manne Lucha (Grüne). „Es ist ausschließlich den Apotheken vorbehalten, apothekenpflichtiger Arzneimittel ab- und weiterzugeben. Im privaten Bereich ist keine pharmazeutisch ordnungsgemäße Lagerung sichergestellt.“ Denkbar wäre aber eine digitale Austauschplattform zwischen den Apotheken, falls mancherorts Medikamente vorrätig sind, die anderswo gebraucht würden, schlug Lucha vor.

Die Bundesärztekammer hatte am Montag erläutert, angesichts der aktuellen Infektionswelle sollten sich Menschen im Familien- und Freundeskreis mit nicht-verschreibungspflichtigen, originalverpackten Arzneimitteln aushelfen. „Ein solcher Vorschlag ist fahrlässig, verantwortungslos und heilberuflich nicht zu vertreten! Ich bin wirklich absolut entsetzt“, reagierte Tatjana Zambo, Präsidentin des Landesapothekerverbands, auf den Vorschlag. Der Präsident der Landesapothekerkammer, Dr. Martin Braun, sagte, der Vorschlag könne nicht ernst gemeint sein.