Interview Frank Spieth

„Menschen in den Fängen von Konzernen“ Alexander Müller, 26.08.2009 15:36 Uhr

Berlin - 

Der gesundheitspolitische Sprecher der Linksfraktion, Frank Spieth, befürchtet einen Durchgriff der Konzerne im Gesundheitswesen. Der Politiker ist ein Verfechter der niedergelassenen Apotheke und setzt sich gegen Pick up-Stellen ein. Mit APOTHEKE ADHOC sprach Spieth über die Kommerzialisierung des Systems, die künftige Rolle der Apotheker und die Situation der Angestellten in Apotheken.

ADHOC: Herr Spieth, warum sollten Apotheker „Die Linke“ wählen?
SPIETH: Weil Die Linke die einzige Partei ist, die sich in der zurückliegenden Legislaturperiode für den Erhalt der inhabergeführten Präsenzapotheke eingesetzt hat. Die anderen Fraktionen haben ziemlich rumgeeiert und hätten gerne Apothekenketten zugelassen.

ADHOC: Welche Gefahr sehen Sie in einer Liberalisierung des Gesundheitsmarktes?
SPIETH: Die Kommerzialisierung im Gesundheitswesen ist eine sehr schlechte Entwicklung. Immer mehr Finanzkonzerne steigen in den Markt ein, insbesondere im Krankenhaussektor, aber mittlerweile auch bei medizinischen Versorgungszentren. Das gleiche drohte bei den Apothekenketten. Die Folge wird sein, dass die Menschen in den Fängen von wenigen Finanzkonzernen sind, die dann quasi aus einer Hand die ambulante und stationäre Versorgung und dann auch noch die Arzneimittelversorgung machen. Das birgt nach meiner Auffassung mehr Nachteile als Vorteile. Insofern bin ich kategorisch gegen eine Kommerzialisierung.

ADHOC: Ist der europäische Binnenmarkt also eine Bedrohung?
SPIETH: Ich persönlich bin ein überzeugter Europäer. Der Linken wird gemeinhin vorgeworfen, dass sie gegen Europa sei. Das ist Quatsch. Aber wir sind dafür, dass Europa sozial ist und nicht nur ausgerichtet nach Finanz- und Wirtschaftsinteressen. Wir hatten eine heftige Auseinandersetzung um die europäische Dienstleistungsrichtlinie, wir haben eine Debatte um die Gesundheitsrichtlinie. Es besteht die Gefahr, dass am Ende immer nur kommerzielle und weniger soziale Interessen berücksichtigt werden. Diese Herausforderung im Binnenmarkt müssen wir lösen, sonst wird Europa an sich selbst scheitern.

ADHOC: Wie könnte die Rolle des Apothekers weiterentwickelt werden?
SPIETH: Es gibt leider immer noch zu viele Apotheker, die im wesentlichen Geschäftsleute, Einzelhändler sind und nicht Gesundheitsberufler. Aber es geht nicht nur um den Apotheker als Heilberufler, sondern auch um den qualifizierten Berater der Patienten und auch der Ärzte. Auch neben den stationären Einrichtungen können sich die Apotheken zu Gesundheitszentren entwickeln. Ich glaube, dass dieser strategische Ansatz noch zu kurz kommt.

ADHOC: Was haben Sie gegen Pick up-Stellen?
SPIETH: Arzneimittel sind Waren besonderer Art, die nur über qualifizierte Beratung bereit gestellt werden dürfen. Die Abgabe durch Drogeriemärkte hat mit Arzneimittelsicherheit und qualifizierter Beratung nichts zu tun, deshalb bin ich dagegen. Das Gleiche gilt für den Versanhandel, dort sehe ich die qualifizierte Beratung der Patienten nicht gewährleistet.

ADHOC: Sind Arbeitnehmer in Apotheken gut vertreten?
SPIETH: Den Eindruck habe ich nicht. Bei meinen Besuchen in Apotheken in den unterschiedlichsten Ländern habe ich nicht einmal einen Betriebsrat kennengelernt. Und ich kann mir nicht vorstellen, dass in einer Apotheke alles konfliktfrei abläuft zwischen Inhabern und Arbeitnehmern. In der Regel sind die Apotheken allerdings auch sehr klein.

ADHOC: Wird Die Linke nach der Wahl um das Gesundheitsministerium streiten?
SPIETH: Wenn es nach mir geht ja, aber die Weisheit meiner Fraktion erschließt sich mir an der Stelle noch nicht. Alle Welt sagt, sie sei mit uns nicht koalitionsfähig. Wir sagen, wir sind unter den Bedingungen, die heute in der Politik gestellt werden, auch überhaupt nicht koalitionsbereit, es sei denn, die anderen würden auf wesentliche Kernpositionen von uns eingehen. Insofern vermute ich, dass die Regierungsbeteiligung im Herbst ohne Die Linke stattfinden wird.