Apothekensterben in Rheinland-Pfalz

LAV-Chef: „Man kommt sich als Trottel des Systems vor“ Hanna Meiertöns, 02.02.2023 14:32 Uhr

Andreas Hott, Vorsitzender des Apothekerverbandes Rheinland-Pfalz, berichtete über die Situation der Apotheken in seinem Bundesland. Foto: LAV Rheinland-Pfalz
Berlin - 

Der Rückgang der Apotheken in Rheinland-Pfalz erreichte 2022 den bundesweit prozentual höchsten Wert, wie der Vorsitzende des Landesapothekerverbandes (LAV), Andreas Hott, berichtete. Das habe vor allem gesundheitspolitische Gründe, der LAV fordert unter anderem Honorarerhöhungen.

Die Zahl der Apotheken in Rheinland-Pfalz ist 2022 erneut zurückgegangen – prozentual knapp 3 Prozent und damit noch stärker als im Bundesdurchschnitt. 889 Apotheken seien im ganzen Land übrig, 27 weniger als im Vorjahr, berichteten Hott und weitere Vorstandsmitglieder. Vor zehn Jahren habe es in Rheinland-Pfalz noch 1084 Apotheken gegeben, so Hott.

Inhaber:innen immer älter

Diese Entwicklung werde sich in den nächsten Jahren noch beschleunigen, weil mehr als ein Drittel der Apothekeninhaber und Apothekeninhaberinnen in Rheinland-Pfalz älter als 60 Jahre seien. Fast 9 Prozent seien bereits 70 Jahre alt, und Nachfolger nur schwer zu finden, sagte Hott.

Die Abda zählt Ende vergangenen Jahres bundesweit 18.068 Betriebsstätten. Der Rückgang um 393 sei der größte jährliche Verlust in der Geschichte der Bundesrepublik.

„Apotheken sind eine versorgungsrelevante Einheit, damit Menschen nachts nicht 30, 50 oder 100 Kilometer zwischen der notärztlichen Versorgung und den Medikamenten fahren müssen“, sagte der zweite Vorsitzende des Landesverbands, Jan Francke. Im Mittelrheintal seien die Apotheken bereits bis zu 30 Kilometer voneinander entfernt und an der Mittelmosel sehe es ähnlich aus.

Eingefrorenes Honorar und Nachwuchsprobleme

Von den 78 Pharmazie-Studenten in Rheinland-Pfalz wollten nach einer Umfrage nur noch drei in einer öffentlichen Apotheke arbeiten, früher sei es mindestens die Hälfte gewesen, sagte Hott. Statt 78 Studienplätzen im Land würden mindestens 100 bis 120 gebraucht. Attraktive Arbeitgeber für die Studierenden wie beispielsweise Boehringer Ingelheim, die Universität oder das Unternehmen Biontech verschärften das Nachwuchsproblem noch.

Der Beruf sei aber vor allem aufgrund einer Reihe von gesundheitspolitischen Vorgaben des Bundes unattraktiver geworden, kritisierten Hott und Francke. Seit zehn Jahren eingefrorene Honorare, 23 Cent weniger Vergütung pro verkaufter Packung bei höherem Aufwand für die Beschaffung und der permanente Umgang mit Lieferengpässen bei Medikamenten nannten sie als Beispiele, pro lieferengpassbedingtem Fall entstehe der Apotheke ein Mehraufwand von 15 bis 60 Minuten. „Man kommt sich als Trottel des Systems vor“, sagte Hott, er berichtete auch von seinen jüngsten Erfahrungen im Notdienst, wenn weder Schmerzmittel noch Antibiotika verfügbar seien und nachts noch Dosierungen umgerechnet und den Eltern erklärt werden müssten. Er sei heilfroh, dass seine Kinder sich gegen das Pharmaziestudium entschieden hätten.

„Beinfreiheit" verstetigen

„Es ist jetzt notwendig, dass schnell etwas passiert“, so Hott. Er forderte eine zügige Honorarerhöhung. Gemeinsam sprachen er und Francke sich für „Beinfreiheit“ – eine Verstetigung der erleichterten Abgaberegelungen – und die Abschaffung der Nullretaxation aus. Hott plädierte zusätzlich für die Abschaffung der Präqualifizierung, eine regelmäßige Kontrolle der Apotheken erfolge durch die Pharmazieräte.

Der Apothekerverband Rheinland-Pfalz sei aktuell in einem guten Gespräch mit Gesundheitsminister Clemens Hoch (SPD) und setze auf Bundesratsinitiativen. In dem Verband sind nach eigener Darstellung fast 95 Prozent der Apotheken in Rheinland-Pfalz freiwillig Mitglied.