Kosten für Bürgergeldempfänger: Kassen verklagen Bund 01.12.2025 10:56 Uhr
Der Staat habe die Krankenkassen damit beauftragt, die gesundheitliche Versorgung der Bürgergeldbeziehenden zu übernehmen, und die Kassen hätten diese Aufgabe entsprechend übernommen. Sie sorgten mit ihrem Know-how dafür, dass die betroffenen Menschen gut versorgt würden. „Aber statt für diese Leistung voll zu bezahlen, lässt der für die Finanzierung zuständige Bund die Krankenkassen auf rund zwei Dritteln der Kosten sitzen“, kritisiert der GKV-Spitzenverband. Derzeit beliefen sich die Kosten auf rund 10 Milliarden Euro pro Jahr.
Der Verwaltungsrat des GKV-Spitzenverbandes hat daher nun den Grundsatzbeschluss gefasst, im Auftrag und im Namen der Krankenkassen gegen die unzureichende Finanzierung der Gesundheitsversorgung von Bürgergeldbeziehenden zu klagen. Klagegegenstand sind laut GKV-Spitzenverband die seit Mitte November ergehenden Bescheide des Bundesamts für Soziale Sicherung (BAS) über die Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds für das Jahr 2026. Aufgrund der zu niedrigen Zahlungen des Bundes an den Gesundheitsfonds für die gesundheitliche Versorgung der Bürgergeldbeziehenden fallen diese Bescheide für alle gesetzlichen Krankenkassen zu niedrig aus. Der GKV-Spitzenverband hat nun beim Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen die ersten Klagen eingereicht. Weitere Klagen würden in den kommenden Tagen folgen.
Unfair und unwirtschaftlich
„Es geht hier nicht um Almosen oder Subventionen des Staates für die GKV – umgekehrt wird ein Schuh daraus: Die gesetzlichen Krankenkassen subventionieren hier den Staat, der sich durch die nicht annähernd kostendeckenden Beiträge für Bürgergeldbeziehende um rund 10 Milliarden Euro selbst entlastet und die GKV jedes Jahr auf diesem Betrag sitzen lässt“, erklärt Dr. Susanne Wagenmann, Verwaltungsratsvorsitzende und Arbeitgebervertreterin.
Das sei unfair den gesetzlich Versicherten und ihren Arbeitgebenden gegenüber und zudem wirtschaftspolitisch kontraproduktiv, denn durch diese Unterfinanzierung stiegen die Krankenkassenbeiträge schneller, die Unternehmen hätten immer höhere Arbeitskosten und Beschäftigten bliebe immer weniger Netto vom Brutto.
„Dieses staatliche Vorgehen schadet dem Wirtschaftsstandort Deutschland, denn so wird Arbeit immer teurer. Deshalb brauchen wir neben notwendigen Strukturreformen endlich eine faire Finanzierung der medizinischen Versorgung von Bürgergeldbeziehenden“, betont Wagenmann.
„Wir lassen nicht locker“
Immer wieder hätte man die Politik auf die rechtswidrige Unterfinanzierung bei den Beiträgen für Bürgergeldbeziehende hingewiesen – und immer und immer wieder sei zwar viel versprochen, aber bis heute nichts eingehalten worden. „Jetzt ist es genug. Im Interesse unserer 75 Millionen Versicherten haben wir am Freitag die ersten Klagen eingereicht. Ab jetzt rollt die Klagewelle und wir lassen nicht locker! Wir kämpfen für das Recht unserer Versicherten und deren Arbeitgebenden“, betont Uwe Klemens, Verwaltungsratsvorsitzender und Versichertenvertreter. „Wir bleiben so lange dran, bis das höchstrichterlich entschieden ist. Um es deutlich zu sagen: Unsere Versicherten und deren Arbeitgebende dürfen nicht länger mit einer Finanzierungsaufgabe des Staates belastet werden, sie stoßen heute schon an ihre finanziellen Belastungsgrenzen – so kann und darf es nicht weitergehen!“
Das Bürgergeld sei eine staatliche, steuerfinanzierte Fürsorgeleistung zur Sicherung des Existenzminimums, wozu auch die Sicherung der gesundheitlichen Versorgung gehöre. Mit dieser Aufgabe habe der Bund die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) beauftragt. Die GKV erfülle damit eine Aufgabe, die in die alleinige Verantwortung des Bundes falle, bekomme über die staatlichen Beitragszahlungen die entstehenden Kosten des Versicherungsschutzes für Bürgergeldbeziehende aber nur zu einem Drittel finanziert, erklärt der GKV-Spitzenverband.
Dies stelle einen rechtswidrigen Eingriff in das Recht der Sozialversicherungsträger zu organisatorischer und finanzieller Selbstständigkeit dar. Zugleich liege ein Verstoß gegen die strenge Zweckbindung von Sozialversicherungsbeiträgen vor, die nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht zur Finanzierung gesamtgesellschaftlicher Aufgaben verwendet werden dürften.
Praktisch sei es so, dass die einzelnen Krankenkassen den GKV-Spitzenverband mit der Klageführung beauftragten und der GKV-Spitzenverband im Auftrag und im Namen dieser Kassen jeweils einzelne Klagen einreicht. Beklagt werde die Bundesrepublik Deutschland, die durch das BAS vertreten wird. Erstinstanzlich zuständig für die Verfahren ist das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen.
Ziel sei eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Verfassungswidrigkeit der systematischen Unterfinanzierung der Gesundheitsversorgung von gesetzlich versicherten Bürgergeldbeziehenden. Hierzu wolle der GKV-Spitzenverband vor dem Landessozialgericht eine Richtervorlage an das Bundesverfassungsgericht anregen, also ein Verfahren vorschlagen, bei dem das Landessozialgericht als Fachgericht eine gesetzliche Regelung, die für seine Entscheidung maßgeblich ist, für verfassungswidrig hält und die Gültigkeit dieser Regelung vom Bundesverfassungsgericht überprüfen lässt.