Kommentar

Eine teure Geliebte Alexander Müller, 23.09.2015 10:50 Uhr

Berlin - 

Ein besonderes Objekt mit besonderen Eigenschaften. So nennt ABDA-Präsident Friedemann Schmidt liebevoll das Mendelssohn-Palais, das wie ein altes Auto seine Macken hat, aber nur schweren Herzens abgegeben werden kann. Und wie immer kostet solche Romantik viel Geld.

23,5 Millionen Euro hätte der Kauf des Grundstücks nebenan inklusive Bebauung gekostet. Doch im Februar 2011 entschied sich die ABDA dagegen. Bis dahin waren die Pläne jeweils mehrfach im Geschäftsführenden Vorstand, Gesamtvorstand und der Mitgliederversammlung besprochen worden. Bei der entscheidenden Sitzung setzte sich aber auch die ABDA-Spitze nur noch halbherzig für das Projekt ein, zumal Zweifel an der Rolle des damaligen Finanzvorstands Jürgen Siegemund aufkamen.

Der erste Klops war, dass eine frühere Kaufoption für das Grundstück mit der Polizeiwache einfach verpasst wurde. Die Hausangelegenheiten lagen auf Siegemunds Schreibtisch. Stattdessen ging das Objekt an die Groth-Gruppe, mit der die ABDA später doch noch über einen Kauf verhandelte. Zuständig war wieder Siegemund, der nun einigen Standesvertretern durch eine ungewöhnliche Nähe zum Investor auffiel. Als 2014 das Desaster mit dem Brandschutz und die verplante Aufstockung folgten, musste Siegemund gehen. Ob deshalb oder auch deshalb, ist nicht bekannt, aber auch unerheblich.

2011 war bei den Funktionären erstmals das Gefühl aufgekommen, über den Tisch gezogen zu werden. Erst wurde der Einstieg zu vermutlich besseren Konditionen verschlafen, dann wurden 23,5 Millionen Euro aufgerufen. Ein von der ABDA in Auftrag gegebenes Gutachten hatte der Immobilie einen Wert nach Abriss und Neubau von 18,5 Millionen Euro attestiert. Siegemund verhandelte undurchsichtig.

Zur Begründung der Mitgliederversammlung hieß es von der ABDA damals: „Die Kosten haben eine Rolle gespielt, aber auch die politische Debatte war maßgeblich, insbesondere mit Blick auf das AMNOG.“ Das Spargesetz hatte die Apotheker am Jahresanfang mit einer Erhöhung des Kassenabschlags von 1,75 auf 2,05 Euro getroffen. Zusätzliche Belastungen kamen, da die schwarz-gelbe Regierung auch beim Großhandelshonorar den Rotstift angesetzt hatte. In den Aufschrei der Basis wollte die Standesvertretung ungern verkünden, man baue sich in Berlin ein neues Haus.

Vier Jahre später hat man sich nun dazu entschieden. Ob das den Honorarforderungen der Apotheker Auftrieb verleiht? Schwer zu sagen. Die Apotheker hoffen diesmal anscheinend doch, dass Politik nicht gar so schlicht funktioniert. Die Wahrheit ist indes, dass man keinen anderen Ausweg mehr sah als den Verkauf des Mendelssohn-Palais, Zwischenmiete und Neubau in der Europacity. Das Ganze wird die Apotheker mehr als 40 Millionen Euro kosten.

Es ist billig und einfach, im Nachhinein Vergleiche anzustellen. Aber die nackten Zahlen sind: 23,5 Millionen gegen 40 Millionen Euro. Den Verkaufspreis des Mendelssohn-Palais muss man bei der Europacity-Variante noch abziehen. Dafür hätte sich die ABDA im Mendelssohn-Palais millionenschwere Brandschutzmaßnahmen zumindest teilweise sparen können. Das Haus hätte man als repräsentative Dependance behalten und nebenan ein modernes Bürogebäude gehabt.

Postmortale Klugscheißerei kann kein Verantwortlicher leiden – zu Recht. Aber die Beitragszahler der ABDA wünschen sich zumindest, dass aus Fehlern gelernt wird. Dazu müssten sie aber erst einmal zugegeben werden. Diesen Eindruck hinterlässt die ABDA-Spitze nicht. So wie der ursprüngliche Kauf des Mendelssohn-Palais heute schön geredet wird, um die Altvorderen nicht vor den Kopf zu stoßen, wird jetzt der Doppelumzug als Optimum verkauft.

Vergleicht man jedoch alle Optionen, die die Standesvertretung beim Apothekerhaus hatte, ist die aktuelle Lösung aus unternehmerischer Sicht eine Katastrophe. Eine Mammutinvestition mit vielen Unbekannten.