Abwasserrichtlinie

KARL: EU-Kommission prüft Finanzierung 05.06.2025 15:09 Uhr

Berlin - 

Für die vierte Reinigungsstufe in Kläranlagen werden die Arzneimittelhersteller und die Kosmetikindustrie zur Kasse gebeten. Rund eine Milliarde Euro fallen für die neuen Technologien zur Entfernung von Mikroverunreinigen aus dem kommunalen Abwasser an. Das bringt die Arzneimittelversorgung in Gefahr. Doch es gibt Hoffnung, denn die EU-Kommission hat eine Überprüfung angekündigt.

Zum 1. Januar ist die Kommunalabwasserrichtlinie (KARL) in Kraft getreten und nimmt die Hersteller in die Verantwortung. Die pharmazeutische Industrie und die Kosmetikindustrie sollen mindestens 80 Prozent der Kosten für die vorgesehene vierte Reinigungsstufe tragen. Andere Branchen werden für das Milliardenprojekt nicht berücksichtigt.

Ein Problem – vor allem für die Arzneimittelversorgung. Die Hersteller und Verbände haben auf die weitereichenden Folgen wie beispielsweise den drohenden Versorgungsmangel bei einigen Wirkstoffen wie Metformin hingewiesen. Mit Erfolg. Denn die EU-Kommission hat im Zusammenhang mit der vorgestellten Wasserresilienzstrategie entschieden, die durch die erweiterte Herstellerverantwortung entstehenden Kosten und Auswirkungen auf die betroffenen Sektoren Pharma und Kosmetik zu überprüfen.

„Vor dem Hintergrund der eklatanten Mängel der bisherigen Folgenabschätzung und des mehrheitlichen Wunsches des EU-Parlamentes nach einer Revision kann die jetzt beschlossene Überprüfung nur der erste Schritt hin zu einer neuen Folgenabschätzung sein“, teilt Pharma Deutschland mit. Der Verband hat bereits auf die systematischen Fehler in der Folgenabschätzung und der Datengrundlage der Kommission hingewiesen.

Pharma Deutschland hatte vollständige Informationen über die Spurenstoffe und deren Mengen im kommunalen Abwasser in Deutschland gefordert. Ein Gutachten hatte gezeigt, dass die Annahme der EU-Kommission über die Zusammensetzung von Spurenstoffen im kommunalen Abwasser einer wissenschaftlichen Überprüfung nicht standhalten könne. Darunter die Behauptung, dass 66 Prozent der schädlichen Spurenstoffe im Abwasser von Humanarzneimitteln stammen. „Die Fokussierung auf Human-Arzneimittel und Kosmetikprodukte als potenzielle Verursacher wird durch die verfügbaren Studien widerlegt“, so Pharma Deutschland.

Die angekündigte Überprüfung durch die EU-Kommission ist für den Verband ein Erfolg. „Endlich ist unsere Kritik an der KARL bei der Kommission angekommen. Wir erwarten, dass die beschlossene Studie die bereits bekannten Mängel an der Richtlinie bestätigt und damit einen Prozess einleitet, der zu einer seriösen und datenbasierten Folgenabschätzung führt. Dabei müssen insbesondere die Folgen für die Versorgungssicherheit mit Humanarzneimitteln berücksichtigt werden“, betont Jörg Wieczorek, Vorstandsvorsitzender von Pharma Deutschland. „Es bleibt nicht mehr viel Zeit, die schwerwiegenden Folgen der Richtlinie einzudämmen. Wir fordern daher die Kommission auf, die Studie schnell vorzulegen und eine Anpassung der Richtlinie vorzunehmen.“

Bedenken zu den Folgen der Richtlinie kommen auch aus dem Bundesgesundheitsministerium. „Es ist davon auszugehen, dass die Regelungen der Kommunal-Abwasserrichtlinie sich auch auf die Arzneimittel auswirken werden.“ In welchem Umfang sei von zahlreichen Faktoren abhängig, die derzeit noch analysiert werden.

Deutschland hat der Richtlinie Anfang November 2024 unter Abgabe einer Protokollerklärung zugestimmt. Darin werden Bedenken hinsichtlich der Versorgung mit generischen Arzneimitteln und möglicherweise entstehender Mehrbelastungen der Krankenkassen adressiert. Zudem wurde die EU-Kommission aufgefordert, bei sich abzeichnenden negativen Auswirkungen, insbesondere bei Lieferengpässen und Marktaustritten bei versorgungskritischen Arzneimitteln sowie bei relevanten Mehrbelastungen der Krankenkassen zeitnah Maßnahmen zu ergreifen, um die Versorgung sicherzustellen.