Kabinettsentwurf

Gröhe verbietet Zyto-Ausschreibung Lothar Klein, 07.10.2016 10:57 Uhr

Berlin - 

Noch ist nicht hundertprozentig sicher, dass das „Gesetz zur Stärkung der Arzneimittelversorgung in der GKV“ (AM-VSG) von Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) am kommenden Mittwoch im Bundeskabinett verabschiedet wird. Die letzten Abstimmungen laufen noch. Aber der Kabinettsentwurf ist so gut wie fertig. Für Rezepturen und BtM-Rezepte erhalten die Apotheker wie geplant zusätzlich 100 Millionen Euro Honorar. Mehr noch: Exklusive Zyto-Ausschreibungen werden per Gesetz verboten.

Im Kabinettsentwurf ist unter anderem die „Abschaffung der Exklusivverträge mit Apotheken bei der Versorgung mit in Apotheken hergestellten parenteralen Zubereitungen aus Fertigarzneimitteln in der Onkologie zur unmittelbaren ärztlichen Anwendung bei Patienten und an deren Stelle die Stärkung der Hilfstaxe und die Einführung der Möglichkeit des Abschlusses von Rabattverträgen mit pharmazeutischen Herstellern“ vorgesehen.

Die Möglichkeit der Kassen, exklusive Zyto-Verträge mit Apotheken abzuschließen, wird „gestrichen“, heißt im Entwurf. „Die Ergänzung dient der Klarstellung der Geltung der Apothekenwahlfreiheit der Versicherten.“ Auch bereits geschlossene Zyto-Verträge der Kassen verlieren nach in Kraft treten des Gesetzes ihre exklusive Gültigkeit. Die Versorgung werde „trotz geschlossener Verträge“ nicht mehr ausschließlich durch die Apotheken sichergestellt, mit denen die jeweilige Kasse einen Vertrag bis „zur Verkündung dieses Gesetzes“ geschlossen hat. „Vielmehr können auch andere Apotheken Vergütungsansprüche gegenüber der jeweiligen Krankenkasse geltend machen“, wenn sie die Versorgung mit Zytostatika für Patienten dieser Kasse vorgenommen haben, so der Entwurf.

„Überragende Gründe des Gemeinwohls“ rechtfertigen aus Sicht des BMG diesen rückwirkenden Eingriff in bereits geschlossene Zyto-Verträge. Die Versorgung von Krebspatienten baue auf einem besonders engen Vertrauensverhältnis mit dem behandelnden Arzt, begründet das BMG sein Ausschreibungsverbot. Die Patienten müssten auf das gute Zusammenwirken der Heilberufe vertrauen können. Eine möglichst „friktionsfreie Versorgung der Arztpraxen“ mit Zytostatika habe eine „hohe Bedeutung“. Die Möglichkeit der Versicherten zur freien Wahl der Apotheke solle auch bei der Versorgung mit parenteralen Zubereitungen aus Fertigarzneimitteln nicht beschränkt werden.

Die Gesundheit von Krebspatienten sei „als hohes Gut“ zu schützen. Ein „milderes Mittel“ als das Verbot sei nicht möglich, rechtfertigt das BMG. Wirtschaftliche Aspekte müssten in der Abwägung zum Gesundheitsschutz zurückstehen.

Um die Wirtschaftlichkeit der Versorgung mit Zytostatika sicherzustellen, erhalten die Kassen ein umfassendes Auskunftsrecht über die Einkaufskonditionen der herstellenden Apotheken. Der bereits bestehende Auskunftsanspruch der Kassen wird dazu auf die „tatsächlich vereinbarten Einkaufspreise“ ausgeweitet. „Von Einkaufsvorteilen beziehungsweise Einkaufsrabatten sollen die Krankenkassen profitieren, indem die Vorteile oder Rabatte bei den Beratungen zur sogenannten Hilfstaxe bekannt sind“, heißt es im Entwurf. Dazu seien die tatsächlichen Einkaufspreise von den Apotheken bekannt zu machen. Dies sei angesichts des Ziels stabiler Finanzen der Kassen „angemessen“. Zur Auskunftspflicht der Zyto-Apotheken gehören zudem auch auf den Gesamtumsatz bezogene Rabatte.

Nach Inkrafttreten des AM-VSG muss die Hilfstaxe angepasst werden, „da sich die Rahmenbedingungen für die Erschließung der Einsparmöglichkeiten ändern“, schreibt Gröhe vor. Können sich Kassen und Apotheken nicht innerhalb einer noch festzusetzenden Frist auf eine neue Hilfstaxe einigen, wird ein Schiedsverfahren eingeleitet.

Zuletzt hatten nach der AOK, DAK/GWQ, der Knappschaft Bahn-See auch Barmer und TK bundesweit Zyto-Ausschreibungen angekündigt. Der Deutsche Apothekerverband (DAV) hatte den Krankenkassen 150 Millionen Euro Preisnachlass bei der Hilfstaxe angeboten, um die Zyto-Ausschreibungen aus der Welt zu schaffen. Gleichzeitig versuchen Apotheker und Fachärzte gemeinsam, die Politik von den Nachteilen der Exklusivverträge zu überzeugen.

Gestern hatte der GKV-Spitzenverband noch einmal gegen den Ablasshandel mobil gemacht: „Das Angebot zerplatzte bei genauem Hinschauen wie Seifenblasen“, teilte der Kassenverband mit und warf dem DAV vor, kein Interesse an ernsthaften Verhandlungen zu haben.