GSAV-Entwurf

Chaos um Importklausel: Erst gestrichen, jetzt neu gefasst Alexander Müller, 22.01.2019 16:35 Uhr aktualisiert am 22.01.2019 17:32 Uhr

Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) will die Importförderklausel für Apotheken anpassen. Foto: Andreas Domma
Berlin - 

Chaos im BMG – die Politik überholt sich selbst. In seinem ersten Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung (GSAV) wollte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) die Importförderklausel anpassen. Im Regierungsentwurf vom 11. Januar hieß es dann, die Klausel sei überholt und solle ganz gestrichen werden. In dem heute überarbeiteten Entwurf taucht jetzt plötzlich eine ganz neue Regelung auf. Demnach soll es künftig eine dreiteilige Importklausel geben.

Heute sind Apotheken laut Sozialgesetzbuch V (SGB V) zur Abgabe von preisgünstigen importierten Arzneimitteln verpflichtet. Nach aktueller Fassung muss der Abgabepreis mindestens 15 Prozent oder mindestens 15 Euro niedriger sein als der Preis des Bezugsarzneimittels. Im Rahmenvertrag ist eine Importquote von 5 Prozent konkretisiert. Für die Quote zählen nur Importe, die den geforderten Preisabstand einhalten.

Im aktuellen Entwurf heißt es jetzt, dass diese Regelung entfällt und neu gefasst wird. Stattdessen soll der Preisabstand von der Höhe des Preises des Bezugsarzneimittels abhängen. Der Mindestpreisabstand von 15 Prozent soll weiterhin gelten für Originalpräparate bis zu einem Preis von 100 Euro. Für Arzneimittel zwischen 100 und 300 Euro gilt der Preisabstand von 15 Euro als Mindestgrenze. Für noch teurere Arzneimitte (ab 300 Euro) wird als neuer Mindestpreisabstand die Grenze von 5 Prozent eingeführt – rechnerisch beginnend also erneut bei 15 Euro. Entscheidend: Für extrem hochpreisige Arzneimittel gibt es keinen „Deckel“ mehr.

Zur Begründung heißt es im Entwurf: „Bisher besteht bei hochpreisigen Arzneimitteln, die zunehmend in der Arzneimittelversorgung eine Rolle spielen, kein ausreichender Anreiz, einen über 15 Euro liegenden Preisabstand beim Einkauf eines Arzneimittels im Ausland durch einen importierenden pharmazeutischen Hersteller als Einsparung an die gesetzliche Krankenversicherung weiterzugeben. Zudem führt bei hochpreisigen Arzneimitteln die bisherige Regelung zu einem absoluten Preisabstand, der als relativ zu gering anzusehen ist gegenüber dem absoluten Preisabstand bei günstigeren Arzneimitteln.“ Auch der Bundesrechnungshof habe in einem Prüfbericht im Jahr 2014 kritisiert.

Das BMG hat eine bemerkenswerte Kehrtwende hingelegt: Im ersten Referentenentwurf, der noch keine zwei Wochen alt ist, sollte die Importförderklausel noch komplett gestrichen werden. Darin hieß es, die Vorgabe des Preisabstands von 15 Prozent oder mindestens 15 Euro, ab der ein Import abzugeben ist, „hat sich überholt und wird gestrichen“. Das Verfahren der Nutzenbewertung und Preisbildung bei neuen Arzneimitteln und sowie die Einsparungen aus Rabattverträgen hätten gezeigt, „dass durch die Importregelung nur noch vergleichsweise geringe Einsparungen erzielt werden können, die den bürokratischen Aufwand, der mit der Regelung verbunden ist, nicht mehr rechtfertigen können“.

Davon ist man im BMG nun wieder abgekommen. Dies könnte eine Reaktion auf den neu gefassten Rahmenvertrag sein. Hier wird der Begriff des „wirtschaftlichen Imports“ enger definiert. Die Pflicht zum Austausch soll demnach nur noch bei Arzneimitteln ohne generischen Wettbewerb gelten. Außerdem soll eine Adhoc-Versorgung eingeführt werden: Sind Präparate nicht verfügbar oder macht der Apotheker pharmazeutische Bedenken geltend, werden entsprechende Rezepte nicht mehr auf die Quote angerechnet. Im Gegenzug gibt es eine deutliche Erhöhung der Abgabeverpflichtung; so müssen Apotheker künftig mit Importen im verbleibenden Bereich der Originalpräparate Einsparungen von 2 Prozent erzielen.

Gut möglich ist aber auch, dass es in der Zwischenzeit Signale aus anderen Ressorts gab, die zu der Änderung im Regierungsentwurf geführt haben. Vor allem mit dem Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) hatte das Haus von Jens Spahn zuletzt immer wieder Reibungspunkte. Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) kommt wie die CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer aus dem Saarland. Und dort sitzt mit Kohlpahrma der Marktführer der Importeure.

Beim Deutschen Apothekertag (DAT) in München hatten die Apotheker im Oktober einen Appell an die Politik gerichtet, die Importförderklausel komplett abzuschaffen. Der Antrag zur Abschaffung der Importförderklausel wurde nach einer kurzen Beratung mit großer Mehrheit angenommen. Antragsteller war die Landesapothekerkammer Baden-Württemberg.

Bereits zuvor hatte sich Verbandsvorsitzender und DAV-Chef Fritz Becker mehrfach für die Abschaffung stark gemacht. In der Begründung heißt es, dass die Quote die Arzneimittelsicherheit gefährdet und kriminelles Handeln fördert. Aus dem AOK-Lager gab es Unterstützung für diese Position. Die Importeure laufen dagegen Sturm, sie beziffern die Einsparungen als viel höher, zumal die Importquote auch Druck auf die Originalhersteller ausübe.

Im Dezember hatte der Bundesrat der Brandenburger Initiative zur Abschaffung der Importquote bei Arzneimitteln zugestimmt. „Die Sicherheit hat oberste Priorität. Die heutige Entscheidung ist eine gute Nachricht für alle Patientinnen und Patienten. Der internationale Handel mit zum Teil äußerst sensiblen Arzneimitteln stellt ein hohes Risiko für die Patientensicherheit dar. Jetzt ist die Bundesregierung am Zug, schnell einen Gesetzentwurf auf den Tisch zu legen“, sagte Brandenburgs Gesundheitsministerin Susanna Karawanskij (Die Linke).