Haus- und Betriebsärzte wollen impfen

Impfzentren: Eine Zwischenbilanz Patrick Hollstein, 09.03.2021 15:19 Uhr

Der Nächste bitte: Die niedergelassenen Ärzte wollen ihre Patienten gegen Corona impfen. Was wird aus den Impfzentren? Foto: APOTHEKE ADHOC
Berlin - 

Drei Monate nach dem Start der Corona-Impfungen sollen ab 1. April die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte ihre Patient:innen selbst impfen. Auch Betriebsärzte wollen sich beteiligen und so das Tempo deutlich erhöhen. Die rund 450 Impfzentren, die Ende vergangenen Jahres in einem Kraftakt aufgebaut wurden und denen dann der Impfstoff fehlte, sollen ebenfalls am Netz bleiben. Zwar sind laut Robert Koch-Institut (Stichtag 9.3.2021) fast 8 Millionen Menschen in Deutschland mindestens einmal geimpft worden. Dennoch ist die Bilanz ernüchternd – vor allem für die Länder, die für die unzureichend genutzten Hallen hohe Millionenbeträge zahlen müssen.

Unter Hochdruck hatten die Länder Ende vergangenen Jahres die Impfzentren aufgebaut, Messe- und Kongresshallen umgebaut, Material beschafft und Personal akquiriert. Hier zeigte es sich dann doch noch einmal, das berühmte Organisationstalent der Deutschen. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hatte den 15. Dezember als Starttermin ausgegeben – dass auf Wochen und Monate hinaus nicht genügend Impfstoff zur Verfügung stehen würde, sagte er damals nicht. Erst im Februar räumte er Versäumnisse ein – was er allerdings auf das „Erwartungsmanagement“ beschränkte.

So öffneten die Impfzentren nicht auf einen Schlag, sondern verteilt über Wochen hinweg. Eile war ja nicht mehr angesagt, denn gab es anfangs vielerorts Probleme bei der Terminvergabe, blieb das Hauptproblem bis jetzt der fehlende Impfstoff. In Berlin öffnete am Montag das letzte Impfzentrum, in Thüringen gehen morgen noch einmal zwei große überregionale Impfzentren an den Start. Sie gehören zu den letzten Nachzüglern, die allermeisten der rund 450 Standorte in ganz Deutschland am Netz.

Wer einen Impftermin wahrnimmt, wundert sich mitunter über die gähnende Leere statt der erwarteten langen Warteschlangen. Von einer Auslastung sind die Impfzentren weit entfernt: Am neuen Standort in Berlin Tempelhof gibt es laut Senat zunächst nur 200 Impfungen pro Tag, – möglich wären bis zu 3300 Impfungen. Grund ist der fehlende Impfstoff des Herstellers AstraZeneca. Auch in Bayern wurden in der vergangenen Woche landesweit im Schnitt pro Tag knapp 36.400 Menschen geimpft, maximal möglich wären nach Angaben des Gesundheitsministeriums 49. 000 Impfungen.

Wie aber geht es weiter mit den Impfzentren, wenn niedergelassene und Betriebsärzte jetzt den Großteil der Impfungen übernehmen? Nach aktuellem Stand sollen sie weiter betrieben werden – ob die Kapazitäten jemals ausgenutzt werden können, ist ungewiss. Bleibt am Ende die Frage nach den Kosten für Aufbau und Unterhalt, die sich Bund und Länder teilen.

In Hamburg gibt es ein Zentrales Impfzentrum, in dem bereits seit Anfang Januar Impfungen durchgeführt werden. Die Kosten für Errichtung und Betrieb hängen laut einer Sprecherin der Sozialbehörde von der Dauer und der Auslastung ab. „Wir rechnen mit Kosten von über 15 Millionen Euro, bei intensiver Auslastung und langer Nutzungsdauer bis zu 30 Millionen.“ Perspektivisch sollten Impfungen bei der niedergelassenen Ärzteschaft als Kassenleistung möglich sein, so der Hinweis.

In Thüringen rechnete man in ersten Schätzungen vom November/Dezember des vergangenen Jahres mit Kosten des Landes für Impfmaterialien, Kühlaggregate und Impfstellen von etwa 25 Millionen Euro. „Die Kostenkalkulation wird gerade noch einmal überprüft“, so eine Sprecherin des Gesundheitsministeriums in Erfurt.

In Niedersachsen kann laut einem Sprecher des Gesundheitsministeriums zum jetzigen Zeitpunkt nicht gesagt werden, wie hoch die Kosten der Impfzentren sind. Die ersten Abrechnungen befänden sich noch in der Prüfung. „Bisher wurden im Haushalt 250 Millionen für den Aufbau und dem Unterhalt der Impfzentren eingeplant.“

In Baden-Württemberg haben die zehn Zentralen Impfzentren ihren Betrieb am 27. Dezember aufgenommen, die 49 Kreisimpfzentren folgten am 22. Januar. „Grundsätzlich können die Betreiber der Impfzentren Sachkosten von bis zu 91.400 Euro pro Monat sowie einmalig von bis zu 150.000 Euro für den Auf- und Abbau geltend machen“, so ein Sprecher des Gesundheitsministeriums. „Konkrete Abrechnungen erfolgen erst noch und liegen uns noch nicht vor.“

Auch in Rheinland-Pfalz, wo alle 32 Impfzentren seit 7. Januar in Betrieb sind, sowie in Nordrhein-Westfalen (53 Impfzentren) können zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch keine Aussagen zu den Kosten gemacht werden. Was die Beschaffung des Impfzubehörs angeht, die ebenfalls in der Verantwortung der Länder liegt, gebe es interne Verträge mit Medizinprodukteherstellern, zu denen man aus vertragsrechtlichen Gründen keine Einzelheiten kommunizieren könne, so ein Ministeriumssprecher in Mainz.

Auch Sachsen und Schleswig-Holstein verweisen auf Verträge, die sie mit Betreibern wie dem Deutschen Roten Kreuz (DRK) geschlossen haben und die der Vertraulichkeit unterlägen.

In Hessen hat das Land laut Innenministerium die Kreise und kreisfreien Städte aufgefordert, Impfzentren einzurichten, damit großflächig geimpft werden kann. Für die personelle Ausstattung ebenso wie für die Schichtdiensteinteilung oder Verwaltungsaufgaben in den jeweiligen Impfzentren seien daher die Kreise und kreisfreien Städte verantwortlich. Die geschlossenen Verträge würden vom Land beziehungsweise vom Regierungspräsidium Gießen aber eingehend geprüft, bevor eine Zahlung durch das Land erfolgt. „Dabei werden jeweils nur tatsächlich entstandene und nachvollziehbare bzw. belegbare Kosten erstattet“, so ein Sprecher. Details nannte er nicht.

Die Senatsverwaltung in Berlin wollte über die Informationen auf der eigenen Website hinaus keine Stellung nehmen, andere Länder haben auf Anfrage noch nicht geantwortet.