Konnektoren-Tausch

HNO-Ärzt:innen: Praxen nicht bereit für mehr Ärger Carolin Ciulli, 14.06.2022 12:27 Uhr

TI-Moratorium gefordert: HNO-Ärzte-Verbandspräsident Dr. Dirk Heinrich kritisiert die Gematik. Screenshot: Spitzenverband Fachärzte Deutschlands
Berlin - 

Der Deutsche Berufsverband der Hals-Nasen-Ohrenärzte hat ein sofortiges Umlenken bei der Digitalisierungsstrategie des deutschen Gesundheitswesens gefordert. „Die Arztpraxen sind nicht bereit, den Aufwand, den Ärger und die Zusatzkosten des beschlossenen TI-Konnektorenaustauschs ein zweites Mal mitzumachen“, sagt Verbandspräsident Dr. Dirk Heinrich. Um den zu erwartenden Totalschaden bei der Akzeptanz durch die Nutzer:innen abzuwenden, führe kein Weg an einem sofortigen TI-Moratorium vorbei. Auch für das E-Rezept sieht seine Prognose düster aus.

Die HNO-Ärzt:innen stellen in Aussicht, wann sie über einen Neustart des Projekts bereit sind: „Erst wenn die von der Gematik angekündigte TI 2.0 verfügbar ist, die Voraussetzungen für einen störungsfreien Betrieb sichergestellt sind und die Praxen keine zusätzlichen Kosten und Risiken schultern müssen.“

Im März hatte die Gematik beschlossen, dass TI-Konnektoren ausgestauscht werden sollen. Die Konnektoren verbinden die Arztpraxen mit der Telematikinfrastruktur. In den Geräten sind Sicherheitsmodul-Karten mit einer maximalen Laufzeit von fünf Jahren verbaut. Je nach Installationsdatum muss der einem DSL-Router vergleichbare Konnektor ab September 2022 ausgetauscht werden. Insgesamt seien 130.000 Geräte betroffen. Zusätzlich müssen die Modulkarten der Kartenterminals erneuert werden. Auch der Praxisausweis (SMC-B-Karte) und der elektronische Heilberufsausweis (eHBA) laufen nach fünf Jahren ab und müssten neu bestellt werden.

Aufwand nicht zumutbar

„Als Ärzteschaft erdulden wir die zahlreichen Pleiten und Pannen des TI-Projektes seit Jahren zähneknirschend. Mit dem Austausch-Beschluss der Konnektoren hat die Gematik jetzt die maximale Schmerzgrenze überschritten“, so Heinrich. Es sei keiner Praxis zuzumuten, den enormen Aufwand einer Technikumstellung, sei es auch nur in Teilen, ein weiteres Mal mitzumachen. Besonders vor dem Hintergrund, dass die mit den Krankenkassen vereinbarten Finanzierungsbeträge „hinten und vorne“ nicht ausreichen. „Uns liegen zahllose Berichte von Kolleginnen und Kollegen vor, bei denen sowohl von den Konnektoren-Herstellern als auch von IT-Firmen bei der Vor-Ort-Installation überhöhte Preise aufgerufen worden sind, die nicht durch die Pauschalen gedeckt waren.“

Verursacht durch den gesetzlichen Zwang auf der einen Seite und das Oligopol von lediglich drei Konnektoren-Herstellern andererseits, hätten nahezu alle Praxen einen nicht unerheblichen Betrag bei der TI-Einführung aus eigener Tasche bezahlt, so der Verband. Gegen die Unterfinanzierung sei man vor rund zwei Jahren aktiv geworden. „Wir unterstützen als Berufsverband in einem Musterverfahren die Klage eines Mitglieds gegen die nicht ausreichenden Erstattungsbeträge bei der TI-Erstausrüstung der Praxis.“ In dem konkreten Fall liege der Fehlbetrag bei rund 900 Euro. Erst kürzlich habe man das zuständige Sozialgericht zur zügigen Verfahrensfortführung aufgefordert.

E-Rezept nicht zu Ende gedacht

Heinrich rechnet damit, dass der große Proteststurm gegen den Austausch erst in den nächsten Monaten hereinbrechen werde. „Die meisten Kolleginnen und Kollegen haben noch nichts vom Beschluss der Gematik mitbekommen. Erst wenn die TI-Firmen sie als Kunden anschreiben und auf den notwendigen Austausch hinweisen, werden sie davon erfahren.“ Um den Frust der Praxen besser nachvollziehen zu können, müsse man sich die Situation der Ärzt:innen deutlich machen. „Erst wird die TI mit Zwangsmaßnahmen unter Androhung von Honorarabzug durchgesetzt. Als Nächstes stellt sich heraus, dass sowohl die neuen Anwendungen, wie das E-Rezept oder die eAU, als auch die Hardware selbst hinten und vorne nicht zu Ende gedacht sind und laufend zu Abstürzen der Praxis-IT und zu Störungen der Abläufe führen. Und dann wird beschlossen, dass die schon heute völlig antiquierte und maßlos überteuerte Technik für eine weitere Übergangsphase, bei unklarer Gegenfinanzierung durch die Kassen, ausgetauscht werden muss.“

Dem Verband zufolge ist es rationaler, auf einen neuen Weg umzuschwenken, als das „tote TI-Pferd weiterzureiten“. Mit der TI 2.0 habe die Gematik im vergangenen Jahr ein softwarebasiertes Vernetzungskonzept vorgestellt, das ab 2025 eingeführt werden solle. „Ich kann nur eindringlich an die Verantwortlichen bei der Gematik und bei den Technikherstellern appellieren. Wenn das neue Konzept nicht von sich aus so attraktiv ist, dass es jede Praxis auch ohne Zwang einführen möchte, wird auch der nächste TI-Anlauf scheitern“, sagt Heinrich. Nur wenn die Technik einen klaren Mehrwert biete, leicht zu bedienen sei, die Finanzierung von den Kassen übernommen werde und die Praxisinhaber:innen bei Cyberangriffen vor Haftungsrisiken geschützt seien, habe die Digitalisierung eine Chance.