Securpharm

Hersteller warnen: 200 Alarmmeldungen pro Tag APOTHEKE ADHOC, 19.02.2018 15:06 Uhr

Berlin - 

In einem Jahr wird das Securpharm-System zur Erhöhung der Arzneimittelsicherheit scharf gestellt. Jetzt warnen nach der ABDA auch die Pharmahersteller vor einer Flut von Fehlalarmen über angebliche Arzneimittelfälschungen. Pro Tag könnten mehr als 200 Alarmmeldungen ausgelöst werden. Um dadurch Verunsicherungen zu vermeiden, schlagen daher die Herstellerverbände ein fünfjähriges Moratorium vor. Meldungen an die Behörden sollen erst nach Ausschluss technischer Fehler erfolgen.

In vielen Fällen könne erst nach einer umfassenden Prüfung entschieden werden, ob es sich tatsächlich um eine Fälschung handele. Vor dieser Bestätigung liege lediglich ein Verdacht vor, schreiben BAH, BPI, Pro Generika und VFA in einer gemeinsamen Stellungnahme zum Verordnungsentwurf des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) zur Anpassung arzneimittelrechtlicher Vorschriften an die EU-Regelung. Securpharm sei dahingehend konzipiert, Störfälle, die auf rein technischen Ereignissen beruhen, nicht zur Anzeige zu bringen.

Falls aber bereits durch eine „rote Lampe“ bei Verifizierung oder Abgabe eines Arzneimittels ein „Verdacht von Arzneimittelfälschungen“ vorliege und dies zu einem meldepflichtigen Ereignis führe, „hätten die Beteiligten keine Zeit mehr, die in der Erprobungsphase erfolgreich eingesetzten Mechanismen zur Prüfung, ob ein technischer Fehler oder ein Handhabungsfehler vorliegt, einzusetzen“. Dann müsse mit einem „hohen Anteil“ an Meldungen gerechnet werden, die sich im Nachhinein als unnötig erweisen könnten. „Gerade in der ersten Zeit nach der Inbetriebnahme des Systems ist sogar mit einem sehr hohen Anteil zu rechnen, der bei allen Beteiligten die Akzeptanz erheblich gefährden würde“, warnen die Verbände.

Bei etwa 750 Millionen abgegebenen Packungen pro Jahr seien dies selbst bei einer sehr niedrig angesetzten Fehlerquote von lediglich 0,01 Prozent pro Jahr 75.000 Meldungen, die alle sowohl von den Behörden als auch von den Firmen beurteilt werden müssten, haben die Herstellerverbände hochgerechnet. Das wären mehr als 200 Alarme pro Tag. Es komme so zu einer Vielzahl an eigentlich unnötigen Meldungen, die Ressourcen aller Beteiligten bänden.

Deshalb schlagen die Herstellerverbände vor, die Definition eines „zu meldenden Verdachts einer Arzneimittelfälschung“ zu entwickeln, die festlegt, dass eine Meldung erst nach Ausschluss technischer Fehler zu erfolgen habe. „Der pharmazeutische Unternehmer erhält vom System einen Hinweis und erst dann, wenn er nach firmeninterner Prüfung einen Fälschungsverdacht nicht begründet ausschließen kann, erfolgt eine Meldung an die Aufsichtsbehörde“, so BAH, BPI, Pro Generika und VFA.

Eine solche Regelung solle zumindest für die ersten fünf Jahre nach Inkrafttreten der delegierten Verordnung gelten – in der Erwartung, dass in diesem Zeitraum sich die Handhabung des Verifikationssystems in Apotheken und Großhandel eingespielt habe und auch die nicht serialisierten Arzneimittel wegen Ablauf des Verfallsdatums aus dem Markt genommen seien.

Auch die ABDA hatte in ihrer Stellungnahme bereits dafür plädiert, dass Apotheken das betroffene Arzneimittel erst einmal in Quarantäne nehmen und sich einen Überblick über die Lage verschaffen sollen. Ansonsten drohten Melde-Exzesse. Erfahrungsgemäß sei es nämlich oft nicht möglich, einen Fälschungsverdacht mit den in einer Apotheke vorhandenen Mitteln definitiv zu bestätigen. Gerade in der Anfangsphase des Authentifizierungssystems Securpharm könne ein unnötig hoher Umsetzungsaufwand entstehen, der sowohl für die Apotheken als auch für die Behörden eine übermäßige Arbeits- und Kostenbelastung bedeute.

Die Erfahrungen aus dem Pilotbetrieb zeigten, dass die große Mehrzahl der bislang aufgetretenen Fehlermeldungen auf Diskrepanzen zwischen den codierten Packungen und den vom Hersteller nicht oder falsch hochgeladenen Daten zurückzuführen war. „Auch wenn die pharmazeutischen Unternehmer nach Artikel 14 der delegierten Verordnung dazu verpflichtet sind, die Korrektheit der individuellen Erkennungsmerkmale zu prüfen, und diese Pflicht sicherlich verantwortungsvoll erfüllen werden, ist gleichwohl nach allgemeiner Lebenserfahrung zu erwarten, dass sich die beschriebene Tendenz zumindest in der Anfangsphase fortsetzen wird.“

Wenn also Apotheker verpflichtet würden, bei jeder „roten Ampel“ bei der Überprüfung einer Packung umgehend eine Verdachtsmeldung an die zuständige Behörde auszulösen, würde dies laut ABDA einen unnötigen Aufwand auf beiden Seiten erzeugen. Zu diesem Zeitpunkt stehe nämlich überhaupt noch nicht fest, ob außer der ersten Fehlermeldung des Systems tatsächlich hinreichende Anhaltspunkte für einen „echten“ Fälschungsverdacht vorlägen.

Anders als die Verbände der Hersteller sieht die ABDA die Lösung darin, dass Apotheker nicht zur „sofortigen“, sondern zur „unverzüglichen“ Information der zuständigen Behörden verpflichtet werden. „Unverzüglich“ werde üblicherweise im Sinne von „ohne schuldhaftes Zögern“ verstanden und schließe nicht aus, dass vor einer Meldung zunächst Maßnahmen zur näheren Aufklärung des Sachverhalts ergriffen würden, so die ABDA.