Zehnfaches Volumen abgrechnet

Haftstrafen für Betrug mit Coronatests Philipp Kutter, 01.02.2023 16:37 Uhr

Das Amtsgericht München hat ein Pärchen für tausendfachen Betrug in seinem oberbayerischen Testzentrum verurteilt. (Symbolbild) Foto: Alexandra Koch via Pixabay
Berlin - 

Über 1000 Coronatests führten sie durch – das Zehnfache rechneten sie ab: Das Amtsgericht München hat ein Pärchen für tausendfachen Betrug in seinem oberbayerischen Testzentrum verurteilt. Der Prozess zeigt auch, wie leicht die Testverordnung es den Beiden machte.

Im Prozess um tausendfachen Abrechnungsbetrug in einem Corona-Testzentrum hat das Amtsgericht München die beiden Angeklagten wegen Betrugs und versuchten Betrugs zu Haftstrafen verurteilt. Gegen einen 31 Jahre alten Mann wurden zwei Jahre und zehn Monate Freiheitsstrafe verhängt, gegen seine 34 Jahre alte Verlobte und Komplizin eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten. Die Richterin sprach von einem «sozialschädlichen Verhalten» und von hoher krimineller Energie. Die Angeklagten hätten die Pandemielage ausgenutzt.

Die Staatsanwaltschaft hatte dreieinhalb Jahre beziehungsweise zwei Jahre und neun Monate Haft beantragt, die Verteidiger Bewährungsstrafen. Beide Angeklagte kündigten direkt an, in Berufung gehen zu wollen.

Das Duo hatte zuvor tausendfachen Abrechnungsbetrug im Corona-Testzentrum im oberbayerischen Geretsried zugegeben. Mehr als 13.000 Tests rechneten die Angeklagten laut Anklage in ihrem zum Testzentrum umfunktionierten Handyladen bei der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns (KVB) ab – rund 12.000 Tests mehr, als sie tatsächlich durchführten. Dafür wurden ihnen gut 171.000 Euro überwiesen; das waren gut 150.000 Euro mehr, als ihnen zustand.

„Das war Gier”, sagte der 31-Jährige. „Es ist richtig, ich habe falsch abgerechnet.” Auch seine Verlobte räumte die Vorwürfe ein. Das Geld soll das Paar weitgehend verprasst haben, für drei Autos zum Beispiel. Als die Beiden wenige Wochen nach der Überweisung aufflogen, waren nur noch knapp 50.000 Euro übrig. Er habe „in Saus und Braus gelebt”, sagte der Angeklagte bei der Polizei.

Aufgeflogen war der Schwindel nach einem anonymen Anruf bei der Polizei. So konnte dann eine zweite Auszahlung der KVB gestoppt werden. «Zu Unrecht abgerechnete Beträge von insgesamt über 185.000 Euro wurden nicht mehr ausgezahlt», teilte die Bayerische Zentralstelle zur Bekämpfung von Betrug und Korruption im Gesundheitswesen (ZKG) an der Generalstaatsanwaltschaft Nürnberg mit, die in diesem Fall die Ermittlungen führte und auch die Anklage erhob.

Die Angeklagten hatten dafür behauptet, 18 .91 Tests durchgeführt zu haben. Tatsächlich waren es aber nur 1706. Darüber hinaus wurden in ihrem Zentrum auch Tests für Bekannte und Familienangehörige gefälscht, wie die Angeklagten einräumten.

Vor Gericht zeigte sich auch, wie leicht der Betrug dem angeklagten Paar wohl gemacht wurde: Nach Angaben des Gerichts forderte die KVB nur die Zahl der abgerechneten Tests ein, keine weiteren Nachweise: „Zahl eingetragen, sich mit der Zahl zufrieden gegeben – fertig.” Auch die zuständige Mitarbeiterin der KVB sagte vor Gericht, es seien nur stichprobenartige Prüfungen vorgesehen gewesen. Zwar würden die eingereichten Zahlen schon auf Plausibilität geprüft, aber es sei schon so, «dass da nicht jeder einzelne Leistungserbringer durchgeprüft wird». Das sei in der Testverordnung so vorgesehen gewesen.

Die KVB habe sich an die Vorgaben gehalten – „die waren halt lasch”, brachte ein Polizeibeamter vor Gericht die Sache auf den Punkt. Seinen Angaben zufolge informierten die Ermittler die KVB sogar noch vor der ersten Auszahlung über Ermittlungen gegen die beiden Testzentrumsbetreiber. Die Zahlung sei aber dennoch nicht aufgehalten worden. „Ich war selbst überrascht, dass das Geld nicht zurückgehalten werden konnte”, sagte der Beamte. „Ich habe es auch nicht im letzten Detail verstanden.”

Der Fall ist auch darum womöglich nur die Spitze des Eisbergs: Die ZKG ist seit Juni 2021 für die Ermittlungen im Zusammenhang mit Coronatests in Bayern verantwortlich. 84 Verfahren gegen namentlich bekannte und 23 Verfahren gegen namentlich unbekannte Personen wurden bis Ende 2022 im Zusammenhang mit dem Betrieb von Corona-Teststellen geführt.

Der nun verhandelte sei aber durchaus etwas Besonderes: „Es handelt sich für die ZKG um einen Fall von größerer Bedeutung, immerhin hat der beachtliche Tatvorwurf zur Verhaftung eines Angeklagten geführt”, sagt ein ZKG-Sprecher.